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Chronologie der Ereignisse:

Freispruch für Soldaten trotz Pflicht zur Duldung einer Impfung

AG Neustadt am Rübenberge, Urteil vom 13.04.2023, Gz. 64 Cs 1131 Js 5411/22 (285/22)

Zusammenfassung

Einem Soldaten wurde befohlen, die Verabreichung der sogenannten Covid-19-Impfung zu dulden. Obwohl nicht bekannt ist, aus welchem Grund, die Injektion letztlich nicht erfolgte, wurde gegen den Soldaten im April 2022 ein Strafbefehl verhängt. Gegen diesen setzte er sich erfolgreich zur Wehr und wurde freigesprochen.

Anmerkung

Eine lesenswerte Entscheidung und einer der seltenen Freisprüche für einen Soldaten im Zusammenhang mit den Covid-19-Injektionen – und eine bemerkenswert konsequente Begründung des Gerichts.

Zum damaligen Zeitpunkt waren Soldaten verpflichtet, die Verabreichung einer Covid-19-Injektion zu dulden. Diese Duldungspflicht war Gegenstand mehrerer Strafverfahren und mehrere Soldaten wurden wegen Befehlsverweigerung verurteilt.

Und auch im vorliegenden Fall wäre es fast so weit gekommen. Immerhin wurde gegen den Soldaten bereits ein Strafbefehl verhängt. Zur Info: Das Strafbefehlsverfahren ist ein vereinfachtes Strafverfahren ohne mündliche Verhandlung. Dem Angeklagten wird gewöhnlich per Post ein Strafbefehl zugestellt, welcher trotz fehlender Gerichtsverhandlung bereits die Strafe des Angeklagten enthält. Ist der Angeklagte damit nicht einverstanden, muss er schnell sein, denn er kann nur innerhalb von zwei Wochen Einspruch einlegen – ansonsten gilt er als rechtskräftig verurteilt.

Der Soldat hatte hier Einspruch eingelegt und das Amtsgericht hatte sich in der mündlichen Verhandlung bemüht, den Fall aufzuklären. Es konnte allerdings nicht herausfinden, ob der Angeklagte tatsächlich keine Duldungsbereitschaft hatte.

Die zuständige Oberfeldärztin schilderte dem Gericht das allgemeine Vorgehen im Falle von Impfungen. Dabei erklärte sie, dass jeder Soldat gefragt werde, ob er mit einer Impfung einverstanden sei oder nicht. Im Falle einer Verneinung, erfolge keine Impfung. Nachvollziehbar erklärte das Gericht, dass es für die Duldung einer Impfung keine Rolle spiele, ob ein Soldat mit der jeweiligen Impfung einverstanden sei. Das ist nur konsequent, denn schließlich wird dem Soldaten von Gesetzes wegen keine Einwilligung abverlangt, sondern lediglich eine Duldung. Wenn aber die Bundeswehr von sich aus bereits keine Impfung vornimmt, weil keine Einwilligung vorliegt, kommt es auf eine Duldung des Soldaten gar nicht mehr an – schließlich verzichtet die Bundeswehr freiwillig auf eine Impfung und verzichtet auf eine Injektion gegen den Willen des betreffenden Soldaten. Mit den Worten des Gerichts (Zitat):

„Bei ablehnender Haltung des Soldaten wäre die Impfung nicht erfolgt, selbst wenn der Soldat die Impfung aufgrund der Duldungspflicht hingenommen hätte.“

Wie der Soldat sich im vorliegenden Fall aber tatsächlich verhalten hat, konnte nicht hinreichend aufgeklärt werden, da der Soldat von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machte und die Oberfeldärztin von ihrer Schweigepflicht nicht entbunden worden war.

Eine saubere Arbeit des Gerichts und eine bemerkenswerte Leistung der verteidigenden Rechtsanwälte.

Die Entscheidung des Gerichts:


Tenor

Der Angeklagte wird auf Kosten der Landeskasse, die auch die notwendigen Auslagen des Angeklagten zu tragen hat, freigesprochen.

Entscheidungsgründe

Dem Angeklagten wird in dem Strafbefehl des Amtsgerichts Neustadt am Rübenberge vom 19.04.2022 vorgeworfen,



in Neustadt am Rübenberge am 16.12.2021

darauf beharrt zu haben, einen Befehl nicht zu befolgen, nachdem dieser wiederholt worden war,

indem er

als im 1. Versorgungsbataillon 141 stationierter Hauptfeldwebel den ihm am 13.12.2021 vom Kompaniechef zum dritten Mai mündlich erteilten Befehl, sich am 16.12.2021 im Sanitätsversorgungszentrum Neustadt am Rübenberge mit der Covid- 19-Schutzimpfung impfen zu lassen, nicht befolgte. Zuvor hatte er bereits den ihm am 06. und 07.12.2021 ausgesprochenen Befehlen, sich am 09.12.2021 impfen zu lassen, keine Folge geleistet.



Der Angeklagte war aus tatsächlichen Grunden freizusprechen.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme konnte nicht festgestellt werden, dass der Angeklagte darauf beharrt hätte, einen wiederholt erteilten Befehl nicht zu befolgen.

Die für den Angeklagten zuständige Truppenärztin, die Zeugin Oberfeldärztin Dr. X, schilderte den Ablauf der Covid-19-Schutzimpfung im Sanitätsversorgungszentrum Neustadt im Allgemeinen. Nach Beratung, Aufklärung und Erörterung etwaiger Fragen wurden Impfungen stets durch ärztliches Personal durchgeführt. Während anfangs eine schriftliche Einwilli­gungserklärung des Soldaten zur Impfung benötigt worden sei, sei die schriftliche Einwilli­gungserklärung mit der Aufnahme der Covid-19-Schutzimpfung in das vorgeschriebene Ba­sisimpfschema der Bundeswehr entbehrlich geworden. Gleichwohl sei mundlich stets gefragt worden, ob der jeweilige Soldat die Impfung möchte - ja oder nein. Bei ablehnender Haltung des Soldaten wäre die Impfung nicht erfolgt, selbst wenn der Soldat die Impfung aufgrund der Duldungspflicht hingenommen hätte.

Zugunsten des Angeklagten war davon auszugehen, dass ein Befehl, sich der Covid-19- Schutzimpfung zu unterziehen, in vorliegender Sache nicht ausführbar gewesen ist.

Mit der Aufnahme der Covid-19-lmpfung in die Liste der verpflichtenden militärischen Ba­sisimpfungen gegen Infektionskrankheiten unterlag der Angeklagte der Duldungspflicht nach § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG (s. auch Beschluss des 1 Wehrdienstsenats vom 7. Juli 2022 - BVerwG 1 WB 2.22). Danach muss der Soldat ärztliche Eingriffe, zu denen u. a. Impfungen gehören, auch gegen seinen Willen dulden, wenn es sich um MaBnahmen handelt, die der Verhütung oder Bekämpfung übertragbarer Krankheiten dienen (OLG Celle, Beschluss des 1. Strafsenats vom 29.09.2022, Az.: 1 Ss 14/22). Der Soldat muss folglich, wenn ihm sein Vor- gesetzter die Duldung einer bestimmten Impfung befiehlt, nur seine Duldungsbereitschaft erklären, nicht aber als Patient eine Einwilligungserklärung im Sinne des § 17a Abs. 5 Satz 1 SG in Verbindung mit § 630d BGB gegen seinen wahren Willen abgeben (BVerwG, Beschluss vom 03.02.2023, Az.: 2 WNB 2.22). Die Duldungspflicht aus § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG bietet somit eine Rechtsgrundlage für die Durchführung der Impfung ggf. auch gegen den Willen des Soldaten und ersetzt eine etwaig fehlende Einwilligung. In vorliegender Sache wurde die Impfung allerdings augenscheinlich auch nach Aufnahme der Covid-19-Schutzimpfung in das vorgeschriebene Basisimpfschema von einer (mündlichen) Einwilligung des Soldaten selbst bei bestehender Duldungsbereitschaft abhängig gemacht. Wird die Impfung von einer ausdrücklich erklärten Einwilligung des Soldaten abhängig gemacht, zu der der Soldat durch den Befehl gar nicht verpflichtet ist, kann er den Befehl, sich der Covid-19-Schutzimpfung zu unterziehen, letztlich nicht ausführen.

Eine mangelnde Impfduldungsbereitschaft des Angeklagten war nicht nachzuweisen. Der An­geklagte hat von seinem Recht Gebrauch gemacht, zum Tatvorwurf zu schweigen. Mangels Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht war dem Gericht eine Befragung der Zeugin Oberfeldärztin Dr. X zum Gegenstand der Erörterungen mit dem Angeklagten und seinem Verhalten bei den jeweiligen Impfterminen verwehrt. Der Zeuge Major Y habe mit dem Angeklagten über die Gründe der unterbliebenen Impfung nicht gesprochen. Die Abläufe der jeweiligen Impftermine des Angeklagten im Sanitätsversorgungszentrum seien ihm nicht bekannt.

Die Kosten und Auslagenentscheidung folgt aus § 467 Abs. 1 StPO.