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Entscheidungen nach Jahren
Laufende Verfahren:
Chronologie der Ereignisse:

Erstklässler müssen während des gesamten Unterrichts Maske tragen.

OVG NRW, Beschluss vom 30.06.2021, Gz. 13 B 1047/21.NE

Zusammenfassung

Die siebenjährige Antragstellerin besucht die 1. Klasse einer Grundschule. Sie wendet sich gegen die Maskenpflicht in ihrer Schule. Sie bringt vor, dass die Maskenpflicht unverhältnismäßig sei. Ferner macht sie eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes geltend, denn schließlich gebe es nach der Schule keine Maskenpflicht mehr.

Sie unterlag vor dem OVG NRW.

Anmerkung

Wie viele andere Gerichte auch, übernimmt auch das OVG NRW die Äußerungen des RKI – ohne sich mit gegenteiligen Phänomenen auseinanderzusetzen, insbesondere Schweden. Auch dort gab es eine Delta-Variante, aber nie eine Maskenpflicht.

Es ist verständlich, dass das Gericht in dem vorliegenden Verfahren keine Beweisaufnahme durchgeführt hat. Aber dass es zwar Israel, aber Schweden nicht einmal erwähnt, ist erstaunlich und deutet nicht auf eine offene Prüfung, sondern auf eine ergebnisorientierte Argumentation hin.

Auch mehrere Hinweise bekannter Virologen, dass Mutationen eher weniger gefährlich als ihre Vorgänger sind, ignoriert das Gericht. Ein Beispiel war die Aussage von Prof. Alexander Kekulé, welche am 23.06.2021 (vor der Entscheidung des Gerichts) auf Focus Online veröffentlicht wurde (Zitat):

„Mutationen von SARS-CoV-2 sind besonders ansteckend. Doch solange die Immunität der Bevölkerung zunimmt, sind sie weniger gefährlich als ihre Vorgänger. Am Ende wird sich auch die Delta-Variante zu einem hochinfektiösen, aber harmlosen Erreger entwickeln.“

Eine weitere blinde Übernahme: Das Gericht behauptet:

„Die Maskenpflicht an Schulen ist zur Erreichung dieses Ziels geeignet,…“

Ist dem Gericht entgangen, dass chirurgische Masken entwickelt wurden, um zu verhindern, dass medizinisches Personal versehentlich die Wunden von Patienten infiziert, aber nicht, um die Verbreitung von Viren zu verhindern? Die Empfehlungen der Gesundheitsbehörden in den frühen Tagen der sogenannten Covid-19-Pandemie entsprachen auch genau dieser Auffassung.

So riet noch am 30. März 2020 der Nothilfe-Direktor der WHO (Michael Ryan) in einer virtuellen Pressekonferenz davon ab, einen Mundschutz zu tragen, wenn man nicht selbst erkrankt sei. Denn: Es gäbe keine Hinweise darauf, dass das Tragen einer Maske einen konkreten Nutzen hätte. Stattdessen hob er die zusätzlichen Risiken hervor, die durch unsachgemäße Nutzung entstehen könnten. Diese eindeutige Stellungnahme diente im März 2020 und auch später als Grundlage für zahlreiche kommentierende Berichte in verschiedenen Zeitungen.

Und auch hier wieder der Blick nach Schweden: Es gab dort nie eine Maskenpflicht, und die Schulen waren geöffnet.

Das Gericht jedoch geht an diesen Fakten vorbei.

An späterer Stelle führt das Gericht noch im Ansatz nachvollziehbar aus (Zitat, Rn. 90):

„Angemessen, d. h. verhältnismäßig im engeren Sinne, ist eine freiheitseinschränkende Regelung, wenn das Maß der Belastung des Einzelnen noch in einem vernünftigen Verhältnis zu den der Allgemeinheit erwachsenden Vorteilen steht. Hierbei ist eine Abwägung zwischen den Gemeinwohlbelangen, deren Wahrnehmung der Eingriff in Grundrechte dient, und den Auswirkungen auf die Rechtsgüter der davon Betroffenen notwendig. Die Interessen des Gemeinwohls müssen umso gewichtiger sein, je empfindlicher der Einzelne in seiner Freiheit beeinträchtigt wird. Zugleich wird der Gemeinschaftsschutz umso dringlicher, je größer die Nachteile und Gefahren sind, die aus gänzlich freier Grundrechtsausübung erwachsen können.“

Dies mag auf den ersten Blick plausibel klingen, aber lassen sich mit diesem Denkansatz nicht so ziemlich alle möglichen Maßnahmen rechtfertigen, wenn man stets vom - unwahrscheinlichen, aber maximalen Schaden ausgeht? Das Gericht verweist zwar auf das Bundesverfassungsgericht (BVerfG, Urteil vom 26. Februar 2020 - 2 BvR 2347/15 u. a.), aber in derselben Entscheidung betont das BVerfG auch, dass der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz "strikt" einzuhalten ist (dort: Rn. 221). Das bedeutet, es ist sorgfältig zu prüfen. Eine solche Sorgfalt sucht man in der Entscheidung jedoch vergebens.

Die Entscheidung des Gerichts:

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Tatbestand und Entscheidungsgründe

  1. Die siebenjährige Antragstellerin besucht die 1. Klasse einer Grundschule in L. . Mit ihrem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz wendet sie sich gegen die Maskentragepflicht im Schulgebäude während des Unterrichts. Dabei ist sie insbesondere der Ansicht, die Maskenpflicht verstoße mittlerweile vor dem Hintergrund der regelmäßigen Coronaselbsttests der Schüler, des Impffortschritts sowie der niedrigen 7-Tage-Inzidenz gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Ferner macht sie eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes geltend. So sei es in zahlreichen anderen Bereichen wie beispielsweise bei der Teilnahme an außerschulischen Bildungsangeboten möglich, unter bestimmten Voraussetzungen die Maske am Sitzplatz in Innenräumen abzunehmen.

  2. Ihre sinngemäß gestellten Anträge,

  3. § 1 Abs. 3 Satz 1 der Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 im Bereich der Betreuungsinfrastruktur vom 21. Mai 2021 (GV. NRW. 2021 S. 560a), zuletzt geändert durch Art. 2 der 29. Verordnung zur Änderung von Rechtsverordnungen zum Schutz vor dem Coronavirus SARS-CoV-2 vom 16. Juni 2021 (GV. NRW. 2021 S. 722a), – Coronabetreuungsverordnung (CoronaBetrVO) – vorläufig außer Vollzug zu setzen, soweit darin die Pflicht zum Tragen einer medizinische Gesichtsmaske bzw. einer Alltagsmaske auch für Schülerinnen und Schüler der Schulen der Primarstufe während des Unterrichts und nach Einnahme des Sitzplatzes angeordnet ist,

  4. hilfsweise,

  5. im Wege einstweiliger Anordnung § 1 Abs. 3 Satz 4 CoronaBetrVO um folgenden Ausnahmetatbestand zu ergänzen:

  6. „5. für Schüler der Schulen der Primarstufe, solange sie sich im Klassenverband im Unterrichtsraum aufhalten und eine ausreichende Belüftung sichergestellt ist“,

  7. haben keinen Erfolg.

  8. § 1 Abs. 3, 4 CoronaBetrVO lautet wie folgt:

  9. § 1

  10. Schulische Gemeinschaftseinrichtungen

  11. […]

  12. (3) 1Alle Personen, die sich im Rahmen der schulischen Nutzung in einem Schulgebäude aufhalten, sind verpflichtet, eine medizinische Gesichtsmaske gemäß § 5 Absatz 1 Satz 2 der Coronaschutzverordnung zu tragen, soweit nachstehend nicht Abweichendes geregelt ist. 2Die Regelungen der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung vom 21. Januar 2021 (BAnz AT 22.01.2021 V1) des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales bleiben unberührt. 3Soweit Schülerinnen und Schüler bis zur Klasse 8 aufgrund der Passform keine medizinische Gesichtsmaske tragen können, kann ersatzweise eine Alltagsmaske getragen werden; dies gilt insbesondere im Bereich der Primarstufe. 4Die Pflicht zum Tragen einer Alltagsmaske oder einer medizinischen Gesichtsmaske gilt nicht

    1. für Personen, die aus medizinischen Gründen keine Maske tragen können, das Vorliegen der medizinischen Gründe ist durch ein ärztliches Zeugnis nachzuweisen, welches auf Verlangen vorzulegen ist,

    1. in Pausenzeiten zur Aufnahme von Speisen und Getränken, wenn

  13. a) der Mindestabstand von 1,5 Metern gewährleistet ist oder

  14. b) die Aufnahme der Nahrung auf den festen Plätzen im Klassenraum oder innerhalb derselben Bezugsgruppen in anderen Räumen, insbesondere in Schulmensen, erfolgt,

    1. bei der Alleinnutzung eines geschlossenen Raumes durch eine Person sowie

    1. für Kinder unter sechs Jahren im Fall des § 36 Absatz 2 des Schulgesetzes

      NRW.

  15. 5Das Nähere regelt das Ministerium für Schule und Bildung. 6Personen, die eine Verpflichtung zum Tragen einer Maske nicht beachten, sind durch die Schulleiterin oder den Schulleiter von der schulischen Nutzung auszuschließen.

  16. (4) 1Abweichend von Absatz 3 kann die Lehrkraft entscheiden, dass das Tragen einer Maske in Innenbereichen zeitweise oder in bestimmten Unterrichtseinheiten mit den pädagogischen Erfordernissen und den Zielen des Unterrichts nicht vereinbar ist, insbesondere bei Prüfungen oder während des Schulschwimmens in Hallenbädern. 2In diesen Fällen soll ein Mindestabstand von 1,5 Metern zwischen den Personen gewährleistet sein. 3Beim Gebrauch einer besonderen Schutzausrüstung bei schulischen Tätigkeiten mit Schülerinnen und Schülern mit einer Behinderung kann der Mindestabstand unterschritten werden.

  17. […]

  18. Der gemäß § 47 Abs. 6, 1 Nr. 2 VwGO i. V. m. § 109a JustG NRW statthafte und auch im Übrigen zulässige Hauptantrag ist unbegründet (A.). Der Hilfsantrag ist bereits unzulässig (B.).

  19. A.

    Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 47 Abs. 6 VwGO liegen im Hinblick auf den Hauptantrag nicht vor. Nach dieser Bestimmung kann das Normenkontrollgericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist.

  20. Vgl. zum Prüfungsmaßstab BVerwG, Beschluss vom 25. Februar 2015 ‑ 4 VR 5.14 ‑, juris, Rn. 12; OVG NRW, Beschluss vom 26. August 2019 ‑ 4 B 1019/19.NE ‑, juris, Rn. 12; Nds. OVG, Beschluss vom 17. Februar 2020 ‑ 2 MN 379/19 ‑, juris, Rn. 24, m. w. N.; Ziekow, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 47 Rn. 395.

  21. Das ist hier nicht der Fall, weil ein in der Hauptsache noch zu erhebender Normenkontrollantrag der Antragstellerin nach im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglicher summarischer Prüfung nicht offensichtlich begründet wäre (I.) und die deswegen anzustellende Folgenabwägung zu Lasten der Antragstellerin ausfällt (II.).

  22. I.

    Bei überschlägiger Prüfung ist nicht davon auszugehen, dass ein gegen § 1 Abs. 3 Satz 1 CoronaBetrVO gerichteter Normenkontrollantrag offensichtlich Erfolg hätte.

  23. 1. Der Senat hat bereits mit Beschlüssen vom 22. Dezember 2020 ‑ 13 B 1609/20.NE ‑, zu § 1 Abs. 3 der Coronabetreuungsverordnung vom 30. November 2020 (GV. NRW. 2020 S. 1076a), zuletzt geändert durch Verordnung vom 15. Dezember 2020 (GV. NRW. 2020 S. 1122b), sowie vom 9. März 2021 ‑ 13 B 267/21.NE ‑, zu § 1 Abs. 3 der Coronabetreuungsverordnung vom 7. Januar 2021 (GV. NRW. 2021 S. 19b), zuletzt geändert durch Art. 2 der Verordnung vom 7. März 2021 (GV. NRW. 2021 S. 246), beide abrufbar bei juris, entschieden, dass gegen die darin enthaltene Pflicht zum Tragen einer Alltagsmaske während des gesamten Aufenthalts auf dem Schulgelände und auch während des Unterrichts bei einer im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken bestehen. An den hierzu dargelegten grundlegenden Erwägungen in dem Beschluss vom 22. Dezember 2020, a. a. O., Rn. 5 ff., ist auch unter Berücksichtigung der aktuellen Entwicklung des Infektionsgeschehens und der Einwände der Antragstellerin gegen die Rechtmäßigkeit der aktuell nur noch in Schulgebäuden geltenden Maskenpflicht festzuhalten.

  24. 2. Anders als die Antragstellerin meint, verstößt die angegriffene Regelung auch unter Berücksichtigung der niedrigen Inzidenzen, des voranschreitenden Impfgeschehens und der gegenwärtig zu verzeichnenden entspannten Situation auf den Intensivstationen nicht offensichtlich gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

  25. a) Die Maskenpflicht in Schulgebäuden verfolgt als ein Baustein der in den Corona-Verordnungen vorgesehenen Maßnahmen weiterhin die legitimen Zwecke einer zielgerichteten und wirksamen Reduzierung von Infektionsgefahren und der Gewährleistung der Nachverfolgbarkeit von Infektionsketten sowie der Aufrechterhaltung der medizinischen Versorgungskapazitäten im Land. Ziel der Regelung ist der Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit jedes Einzelnen wie auch der Bevölkerung insgesamt (vgl. § 28a Abs. 3 Satz 1 IfSG), wofür den Staat gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG eine umfassende Schutzpflicht trifft.

  26. Vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. Oktober 1977 ‑ 1 BvQ 5/77 -, juris, Rn. 13 f.; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 16. Juni 2021 - 1 S 1868/21 -, juris, Rn. 40.

  27. b) Die Maskenpflicht an Schulen ist zur Erreichung dieses Ziels geeignet und voraussichtlich auch erforderlich. Die Befreiung der Grundschüler von der grundsätzlich bestehenden Maskenpflicht während des Unterrichts nach Einnahme des Sitzplatzes dürfte zwar ein milderes, aber in der gegenwärtigen Situation zur Zielerreichung nicht gleich effektives Mittel darstellen.

  28. aa) Gegenwärtig verbreitet sich die besorgniserregende Variante (Variant of Concern, VOC) Delta (B.1.617.2) in Teilen Europas wie in Großbritannien und Portugal,

  29. vgl. Robert Koch-Institut, Übersicht zu besorgniserregenden SARS-CoV-2-Virusvarianten (VOC), Stand: 09.06.2021, abrufbar unter

  30. https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Virusvariante.html; Deutschlandfunk, Delta-Variante vorherrschend in Portugal, 26. Juni 2021, abrufbar unter

  31. https://www.deutschlandfunk.de/corona-delta-variante-vorherrschend-in-portugal.1939.de.html?drn:news_id=1274101,

  32. stark. In Großbritannien lag ihr Anteil vom 7. bis zum 21. Juni 2021 bei über 90 % aller untersuchten Virenproben.

  33. Vgl. Public Health England, SARS-CoV-2 variants of concern and variants under investigation in England, Technical briefing 17, 25. Juni 2021, S. 3, 48, abrufbar unter

  34. https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/996740/Variants_of_Concern_VOC_Technical_Briefing_17.pdf.

  35. In Israel wurden wegen der Verbreitung der Delta-Variante Lockerungen zurückgenommen. Obwohl dort bereits knapp 60 % der Bevölkerung vollständig geimpft sind,

  36. vgl. Our World in Data, Coronavirus (COVID-19) Vaccinations, Stand: 27. Juni 2021, abrufbar unter

  37. https://ourworldindata.org/covid-vaccinations?country=ISR,

  38. hat das israelische Gesundheitsministerium, nachdem es die Maskenpflicht in Innenräumen Mitte Juni 2021 aufgehoben hatte,

  39. vgl. Prime Minister's Office, Government Press Office, Looking Green: The Masks Are Off in Israel, 15. Juni 2021, abrufbar unter

  40. https://www.gov.il/en/Departments/news/masks_gpo,

  41. nunmehr aufgrund der steigenden Zahl der Neuinfektionen erneut eine Maskenpflicht für Innenräume angeordnet.

  42. 7

    Vgl. Ministry of Health, Effective Today (25.6) at 12:00: Masking is Required Anywhere Except Outdoors, abrufbar unter

  43. https://www.gov.il/en/departments/news/25062021-01.

  44. Dabei ereignen sich offenbar viele Ausbrüche in Schulen.

  45. Vgl. Zeit Online, Delta-Mutante gegen Impfweltmeister, 28. Juni 2021, abrufbar unter

  46. https://www.zeit.de/politik/ausland/2021-06/delta-variante-corona-pandemie-impfschutz-israel.

  47. Der Anteil der Delta-Variante in Deutschland stieg in den letzten Wochen deutlich an und hatte in der Kalenderwoche 23 des laufenden Jahres einen Anteil von etwa 15 %.

  48. Vgl. Robert Koch-Institut, Täglicher Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) 23.06.2021, S. 12, abrufbar unter

  49. https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Jun_2021/2021-06-23-de.pdf?__blob=publicationFile.

  50. Nach Angaben des Präsidenten des Robert Koch-Instituts hat ihr Anteil in der 24. Kalenderwoche bereits bei 35 % gelegen und dürfte derzeit auf rund 50 % gestiegen sein.

  51. Vgl. Deutschlandradio, Wieler schätzt Anteil der Delta-Variante auf 50 Prozent, 28. Juni 2021, abrufbar unter

  52. https://www.deutschlandfunk.de/corona-pandemie-wieler-schaetzt-anteil-der-delta-variante.1939.de.html?drn:news_id=1274743.

  53. Die aktuelle Verbreitung der Varianten in Deutschland zeigt, dass damit zu rechnen ist, dass die Variante Delta (B.1.617.2) sich gegenüber den anderen Varianten, insbesondere auch gegenüber der aktuell dominierenden Variante Alpha (B.1.1.7) durchsetzen wird.

  54. Vgl. Robert Koch-Institut, Bericht zu Virusvarianten von SARS-CoV-2 in Deutschland, Stand: 23. Juni 2021, S. 3, abrufbar unter

  55. https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/DESH/Bericht_VOC_2021-06-23.pdf?__blob=publicationFile.

  56. Erste vorläufige Ergebnisse deuten darauf hin, dass derzeitige Impfungen etwas besser vor einer Infektion mit Alpha (B.1.1.7) als einer mit Delta (B.1.617.2) schützen, aber auch bei Infektionen mit Delta (B.1.617.2) nach vollständiger Impfung,

  57. vgl. Public Health England, Risk assessment for SARS-CoV-2 variant: Delta (VOC-21APR-02, B.1.617.2), 25. Juni 2021, abrufbar unter

  58. https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/996699/25_June_2021_Risk_assessment_for_SARS-CoV-2_variant_DELTA.pdf,

  59. ein hoher Schutz gegen schwere Verläufe besteht. Weitere vorläufige Ergebnisse aus England zur Übertragbarkeit von Delta (B.1.617.2) deuten darauf hin, dass diese Variante leichter übertragbar ist als Alpha (B.1.1.7).

  60. Vgl. Robert Koch-Institut, Bericht zu Virusvarianten von SARS-CoV-2 in Deutschland, Stand: 23. Juni 2021, S. 5, abrufbar unter

  61. https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/DESH/Bericht_VOC_2021-06-23.pdf?__blob=publicationFile.

  62. Des Weiteren könnten Infektionen mit der Variante Delta (B.1.617.2) zu schwereren Krankheitsverläufen führen.

  63. Vgl. Robert Koch-Institut, Übersicht zu besorgniserregenden SARS-CoV-2-Virusvarianten (VOC), Stand: 09.06.2021, abrufbar unter

  64. https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Virusvariante.html;

  65. „Increased severity (hospitalisation risk) when compared to Alpha“ laut: Public Health England, Risk assessment for SARS-CoV-2 variant: Delta (VOC-21APR-02, B.1.617.2), 25. Juni 2021, abrufbar unter

  66. https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/996699/25_June_2021_Risk_assessment_for_SARS-CoV-2_variant_DELTA.pdf.

  67. In Deutschland ist erst gut ein Drittel der Bevölkerung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 vollständig geimpft.

  68. Vgl. Bundesministerium für Gesundheit, Aktueller Impfstatus, abrufbar unter https://impfdashboard.de/.

  69. Für Kinder bis zu einem Alter von 12 Jahren – wie die Antragstellerin – steht aktuell kein Impfstoff zur Verfügung.

  70. Vgl. Robert Koch-Institut, COVID-19-Impfung für Kinder und Jugendliche im Alter von 12 bis 17 Jahren - Infoblatt für Kinder- und Jugendärzt:innen und Eltern (18.6.21), abrufbar unter

  71. https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Impfen/ImpfungenAZ/COVID-19/Infoblatt_Impfung_Kinder_und_Jugendliche.html;jsessionid=2869E06EBD7E2E7FADD75EBBCD0D72E6.internet092.

  72. Die 7-Tage-Inzidenz liegt in der Altersgruppe von Kindern und Jugendlichen bis zum 19. Lebensjahr erheblich über derjenigen älterer Jahrgänge.

  73. Vgl. LZG NRW, Corona-Meldelage, 7-Tage-Inzidenz nach Altersgruppen im Zeitverlauf in NRW, abrufbar unter

  74. https://www.lzg.nrw.de/inf_schutz/corona_meldelage/index.html.

  75. bb) Vor diesem Hintergrund sowie aufgrund der Tatsache, dass die Ansteckungsgefahr in Innenräumen deutlich höher ist als im Außenbereich,

  76. vgl. Robert Koch-Institut, Antworten auf häufig gestellte Fragen zum Coronavirus SARS-CoV-2 / Krankheit COVID-19, Infektionsschutzmaßnahmen (Stand: 21.6.2021), Was ist beim Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes ("OP-Maske") in der Öffentlichkeit zu beachten? abrufbar unter

  77. https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/NCOV2019/gesamt.html;jsessionid=63DCDA24D99A9EEBAAF7BD8618015ADA.internet071?nn=13490888,

  78. dürfte die Maskenpflicht in Schulgebäuden auch während des Unterrichts trotz der niedrigen 7-Tage-Inzidenz noch erforderlich sein. Ebenso wie für die Eignung einer Maßnahme kommt dem Gesetz- bzw. im Rahmen der Ermächtigung dem Verordnungsgeber für ihre Erforderlichkeit ein Beurteilungs- und Prognosespielraum zu.

  79. Vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 29. September 2010 - 1 BvR 1789/10 -, juris, Rn. 21; BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2016 - 8 C 6.15 -, juris, Rn. 49.

  80. Diesen haben weder der Bundesgesetzgeber noch der ihm folgende nordrhein-westfälische Verordnungsgeber ersichtlich überschritten. Um das Infektionsgeschehen – nicht zuletzt auch mit Blick auf eine Ausbreitung der Variante Delta (B.1.617.2) – weiterhin unter Kontrolle zu halten (vgl. § 28a Abs. 3 Satz 7 IfSG), sind weiterhin Schutzmaßnahmen erforderlich, die darauf abzielen, Gefahren, die von potentiell infektionsbegünstigenden Zusammenkünften in geschlossenen Räumen mit einer Vielzahl von Personen ausgehen, zu reduzieren. Mit der angegriffenen Regelung folgt der Verordnungsgeber der Empfehlung des Robert Koch-Instituts, weiterhin generell einen Mund-Nasen-Schutz insbesondere in Innenräumen zu tragen, wenn mehrere Menschen zusammentreffen, sich länger aufhalten bzw. wenn verstärkt Aerosole (z. B. durch Sprechen) entstehen oder der physische Abstand von mindestens 1,5 m nicht immer eingehalten werden kann (z. B. Einkaufssituation, Schulen, Arbeitsplatz, öffentliche Verkehrsmittel).

  81. Vgl. Robert Koch-Institut, Antworten auf häufig gestellte Fragen zum Coronavirus SARS-CoV-2 / Krankheit COVID-19, Infektionsschutzmaßnahmen (Stand: 21.6.2021), Was ist beim Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes ("OP-Maske") in der Öffentlichkeit zu beachten? abrufbar unter

  82. https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/NCOV2019/gesamt.html;jsessionid=63DCDA24D99A9EEBAAF7BD8618015ADA.internet071?nn=13490888.

  83. Angesichts des nahezu täglichen Zusammentreffens von Schülern in Klassenräumen über mehrere Stunden dürfte es rechtlich nicht zu beanstanden sein, dass der Verordnungsgeber die regelmäßige Coronaselbsttestpflicht und eine aufgrund des festen Klassenverbands sichergestellte Rückverfolgbarkeit allein nicht als ausreichende Schutzmaßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2, insbesondere der Delta-Variante, erachtet.

  84. c) Schließlich dürfte die in § 1 Abs. 3 Satz 1 CoronaBetrVO enthaltene grundsätzliche Verpflichtung zum Tragen einer medizinischen Gesichtsmaske (oder ersatzweise einer Alltagsmaske, vgl. § 1 Abs. 3 Satz 3 CoronaBetrVO) während des Aufenthalts im Rahmen der schulischen Nutzung in einem Schulgebäude nicht erkennbar unangemessen sein.

  85. Angemessen, d. h. verhältnismäßig im engeren Sinne, ist eine freiheitseinschränkende Regelung, wenn das Maß der Belastung des Einzelnen noch in einem vernünftigen Verhältnis zu den der Allgemeinheit erwachsenden Vorteilen steht. Hierbei ist eine Abwägung zwischen den Gemeinwohlbelangen, deren Wahrnehmung der Eingriff in Grundrechte dient, und den Auswirkungen auf die Rechtsgüter der davon Betroffenen notwendig. Die Interessen des Gemeinwohls müssen umso gewichtiger sein, je empfindlicher der Einzelne in seiner Freiheit beeinträchtigt wird. Zugleich wird der Gemeinschaftsschutz umso dringlicher, je größer die Nachteile und Gefahren sind, die aus gänzlich freier Grundrechtsausübung erwachsen können.

  86. St. Rspr., vgl. etwa BVerfG, Urteil vom 26. Februar 2020 - 2 BvR 2347/15 u. a. -, juris, Rn. 265, m. w. N.

  87. Davon ausgehend ist die fragliche Regelung bei vorläufiger Bewertung nicht zu beanstanden, weil die Schwere der damit verbundenen Grundrechtseingriffe voraussichtlich noch nicht außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Verordnungszweck steht.

  88. Die Antragstellerin macht die Verletzung der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG), des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) sowie des Rechts auf Bildung (Art. 8 Abs. 1 Satz 1 LV NRW) geltend.

  89. Ein Eingriff in das Recht auf Bildung liegt voraussichtlich schon nicht vor. Die Maskenpflicht dürfte im Gegenteil wesentlich zur Gewährleistung dieses Rechts beitragen. Neben den regelmäßigen Selbsttests handelt es sich dabei um einen wesentlichen Baustein, um die Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 frühzeitig zu erkennen bzw. zu verhindern und somit den Schulunterricht in Präsenz erst zu ermöglichen und weiterhin sicherzustellen.

  90. Ferner bestehen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats gegen die Pflicht zum Tragen einer Maske während des Unterrichts auch mit Blick auf behauptete gesundheitliche Gefahren und Kindeswohlgefährdungen unter Berücksichtigung der in § 1 Abs. 3 Satz 4, Abs. 4 CoronaBetrVO vorgesehenen Ausnahmen bei einer im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

  91. Vgl. zuletzt Beschluss des Senats vom 6. Mai 2021 ‑ 13 B 619/21.NE ‑, juris, Rn. 19 ff., m. w. N.

  92. An dieser Einschätzung hält der Senat auch unter Berücksichtigung der von der Antragstellerin vorgelegten Studie weiterhin fest.

  93. Soweit die angeordnete Maskenpflicht zu Beschränkungen des Grundrechts auf allgemeine Handlungsfreiheit und gegebenenfalls des allgemeinen Persönlichkeitsrechts führt, gelten diese Rechte nicht unbeschränkt, sondern unterliegen einem Gesetzesvorbehalt. Im Ergebnis treten sie hier gegenüber der mit der Verordnung bezweckten Verringerung des Infektionsrisikos zurück. Hinter diesem Zweck steht, wie ausgeführt, die Absicht des Verordnungsgebers, in der gegenwärtigen Situation durch eine nur stufenweise Rücknahme von Beschränkungen das Leben und die Gesundheit einer Vielzahl von Menschen zu schützen (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG). Dabei geht es nicht nur um das Leben und die Gesundheit der Schüler selbst, deren Risiko eines schweren Krankheitsverlaufs wohl als gering einzustufen sein dürfte. Vielmehr schützt der Verordnungsgeber mit der angegriffenen Regelung in rechtlich nicht zu beanstandender Weise auch das Leben und die Gesundheit der Familienangehörigen und weiteren Kontaktpersonen von Schülern, die noch nicht vollständig bzw. gar nicht geimpft sind und bei denen aufgrund ihres Alters oder ihrer physischen Verfassung nicht zwingend von einem milden oder gar symptomfreien Krankheitsverlauf gerechnet werden kann. Ferner ist zu berücksichtigen, dass schwere Verläufe auch bei Personen ohne bekannte Vorerkrankung und bei jüngeren Patienten auftreten können.

  94. Vgl. Robert Koch-Institut, Epidemiologischer Steckbrief zu SARS-CoV-2 und COVID-19, 15. Risikogruppen für schwere Verläufe, Stand: 17.06.2021, abrufbar unter

  95. https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html;jsessionid=455E525FC9F6C2A4405A461A56C93FC8.internet061?nn=13490888#doc13776792bodyText15.

  96. In die Abwägung ist darüber hinaus zu Lasten der Antragstellerin einzustellen, dass der Verordnungsgeber bereits substantielle Lockerungen in Kraft gesetzt sowie zahlreiche Ausnahmen von der angegriffenen Maskentragepflicht in Schulgebäuden vorgesehen hat. So hat er die Maskenpflicht auf dem Schulgelände außerhalb des Schulgebäudes aufgehoben. Auch gilt die Maskenpflicht in Klassenräumen bei Einhaltung der weiteren Voraussetzungen nicht in Pausenzeiten zur Aufnahme von Speisen und Getränken (§ 1 Abs. 3 Satz 4 Nr. 2 CoronaBetrVO). Darüber hinaus steht es im Ermessen der Lehrkraft zu entscheiden, ob das Tragen einer Maske in Innenbereichen zeitweise oder in bestimmten Unterrichtseinheiten mit den pädagogischen Erfordernissen und den Zielen des Unterrichts vereinbar ist (§ 1 Abs. 4 Satz 1 CoronaBetrVO).

  97. 3. Der von der Antragstellerin vorgebrachte Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) liegt nach summarischer Prüfung ebenfalls nicht vor.

  98. a) Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln.

  99. Vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Februar 2012 - 1 BvL 14/07 -, juris, Rn. 40.

  100. Er verwehrt ihm nicht jede Differenzierung. Diese bedarf jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind.

  101. Vgl. wegen der Einzelheiten BVerfG, Beschluss vom 19. November 2019 ‑ 2 BvL 22/14 -, juris, Rn. 96 ff., m. w. N.

  102. Dieser Maßstab gilt für die normsetzende Exekutive entsprechend, wenn auch der dem Verordnungsgeber zukommende Gestaltungsspielraum enger ist, weil nur in dem von der gesetzlichen Ermächtigungsnorm abgesteckten Rahmen gegeben (Art. 80 Abs. 1 GG). Der Verordnungsgeber muss im wohlverstandenen Sinn der ihm erteilten Ermächtigung handeln und darf keine Differenzierungen vornehmen, wenn sie über die Grenzen einer formell und materiell verfassungsmäßigen Ermächtigung hinaus eine Korrektur der Entscheidungen des Gesetzgebers bedeuten würden.

  103. Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 23. Juli 1963 ‑ 1 BvR 265/62 ‑, juris, Rn. 22, und vom 23. Juni 1981 ‑ 2 BvR 1067/80 -, juris, Rn. 27; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 18. Februar 2021 - 1 S 398/21 -, juris, Rn. 104.

  104. Die Verordnungsermächtigung in §§ 32, 28, 28a IfSG gibt nicht vor, dass der Verordnungsgeber Differenzierungen bei infektionsschutzrechtlichen Maßnahmen allein anhand infektionsschutzrechtlicher Erwägungen vorzunehmen hat.

  105. Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. März 2021 ‑ 13 B 252/21.NE ‑, juris, Rn. 91; in diesem Sinne auch VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 18. Februar 2021 ‑ 1 S 398/21 -, juris, Rn. 105; a. A.: Saarl. OVG, Beschluss vom 9. März 2021 - 2 B 58/21 -, juris, Rn. 22.

  106. §§ 32, 28, 28a IfSG ermächtigen die Landesregierungen (bzw. von diesen nach § 32 Satz 2 IfSG ermächtigte Stellen) dazu, Infektionsschutzmaßnahmen zu erlassen. § 28a Abs. 6 Satz 1 IfSG stellt klar, dass es sich hierbei auch um ein Maßnahmenpaket handeln kann. Aus § 28a Abs. 6 Satz 2 IfSG ergibt sich, dass der Verordnungsgeber bei der Auswahl der Maßnahmen durch § 32 IfSG nicht darauf beschränkt ist, die Entscheidungen über Verbote und Beschränkungen allein daran auszurichten, wie infektionsträchtig ein bestimmter Lebensbereich ist. Danach sind bei Entscheidungen über Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 soziale, gesellschaftliche und wirtschaftliche Auswirkungen auf den Einzelnen und die Allgemeinheit einzubeziehen und zu berücksichtigen, soweit dies mit dem Ziel einer wirksamen Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 vereinbar ist. Einzelne soziale, gesellschaftliche oder wirtschaftliche Bereiche, die für die Allgemeinheit von besonderer Bedeutung sind, können von den Schutzmaßnahmen ausgenommen werden, soweit ihre Einbeziehung zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 nicht zwingend erforderlich ist. Die genannten Belange hat der Verordnungsgeber nicht nur bei der zu treffenden Auswahl möglicher Schutzmaßnahmen u. a. aus dem Katalog des § 28a Abs. 1 IfSG zu berücksichtigen, sondern auch bei der näheren Ausgestaltung einer solchen Maßnahme. Differenzierungen nach dem Anlass der Veranstaltungen oder Versammlungen bzw. nach der erwarteten Teilnehmerzahl sind damit grundsätzlich möglich.

  107. Wie weit der Gestaltungsspielraum des Verordnungsgebers bei differenzierenden Maßnahmen im Bereich der Veranstaltungen und Versammlungen reicht, ist nach dem oben Gesagten anhand der Besonderheiten des geregelten Lebens- und Sachbereichs zu ermitteln. Soweit sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten auswirken kann, spricht dies in der Regel dafür, gesetzliche Differenzierungen an einem engen Verhältnismäßigkeitsmaßstab zu messen.

  108. Vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. November 2019 ‑ 2 BvL 22/14 -, juris, Rn. 96 ff., m. w. N.

  109. Eine Betroffenheit grundrechtlich geschützter Freiheiten liegt bei vielen Infektionsschutzmaßnahmen – auch bei der hier streitgegenständlichen – vor. Dennoch sprechen die besonderen Umstände bei der Bekämpfung der SARS-CoV-2-Pandemie dafür, den Gestaltungsspielraum des Verordnungsgebers nicht zu sehr zu begrenzen. Der Verordnungsgeber befindet sich in einer komplexen Entscheidungssituation, in der eine Vielzahl von Belangen infektionsschutzrechtlicher, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Art zu berücksichtigen und abzuwägen ist und in der er zwangsläufig nur mit Prognosen dazu arbeiten kann, welchen Einfluss Infektionsschutzmaßnahmen oder die Lockerung solcher Maßnahmen auf die genannten Bereiche haben werden.

  110. Vgl. dazu, dass in komplexen Entscheidungssituationen ein weiter Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers anzunehmen ist: BVerfG, Urteil vom 6. Dezember 2016 - 1 BvR 2821/11 -, juris, Rn. 389.

  111. Bei der Entscheidung über Lockerungen nach einem sog. Lockdown bzw. nach Außerkrafttreten der bundesweit einheitlichen Schutzmaßnahmen bei besonderem Infektionsgeschehen nach § 28b Abs. 1 IfSG kommt ein weiterer Umstand hinzu, der für die Annahme eines weiten Gestaltungsspielraums streitet. So gebietet es der dem Verordnungsgeber überantwortete Schutz von Leben und Gesundheit und der Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems, den durch die ergriffenen Schutzmaßnahmen erzielten Erfolg bei der Eindämmung der Pandemie nicht dadurch zunichte zu machen, dass sämtliche Infektionsschutzmaßnahmen zum gleichen Zeitpunkt aufgehoben werden und das Infektionsgeschehen mit den damit verbundenen Gefahren für Leben und Gesundheit der Bevölkerung wieder uneingeschränkt Fahrt aufnehmen kann.

  112. Dies gilt – wie bereits dargestellt – auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt, zu dem sich die Variante Delta (B.1.617.2) in Teilen Europas und zunehmend auch in Deutschland stark verbreitet. In einer derartigen Situation überschreitet der Verordnungsgeber seinen Handlungsspielraum aller Voraussicht nach nicht dadurch, dass Lockerungen schrittweise unter genauer Beobachtung ihrer Auswirkungen auf das Infektionsgeschehen erfolgen. Einer solchen schrittweisen Lockerung ist indes immanent, dass einige Bereiche früher von Lockerungen profitieren als andere, es also zwangsläufig zu Ungleichbehandlungen kommt. Diese Ungleichbehandlungen erfolgen allerdings – jedenfalls wenn die Lockerungen in einen entsprechenden „Lockerungsfahrplan“ eingebettet sind – nur für einen zeitlich begrenzten Zeitraum. Vor diesem Hintergrund dürfte es sich im Ergebnis verbieten, die vom Verordnungsgeber vorgenommenen Differenzierungen an einem engen Verhältnismäßigkeitsmaßstab zu messen. Hier bestünde die Gefahr, dass der Verordnungsgeber auf das Infektionsgeschehen nicht in adäquater Weise reagieren kann, weil bestimmte Lockerungen aus Gleichheitsgesichtspunkten zwangsläufig weitere umfassende Lockerungen nach sich zögen, die in ihrer Gesamtheit eine Kontrolle des Infektionsgeschehens unmöglich machten oder jedenfalls wesentlich erschwerten. Umgekehrt heißt dies jedoch nicht, dass der Verordnungsgeber bei der Entscheidung der Reihenfolge der Lockerungen völlig frei ist. Auch bei der Pandemiebekämpfung endet der Spielraum des Normgebers jedenfalls dort, wo die ungleiche Behandlung der geregelten Sachverhalte nicht mehr mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise vereinbar ist, wo also ein einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung fehlt.

  113. b) Nach dieser Maßgabe dürfte ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht vorliegen. Der Verordnungsgeber hat seinen – weiten –Gestaltungsspielraum voraussichtlich nicht überschritten, indem er gegenüber Teilnehmern außerschulischer Bildungsangebote (§ 11 Abs. 4 Nr. 1 CoronaSchVO), Nutzern der Angebote der Kinder- und Jugendarbeit (§ 12 Abs. 3 Nr. 3, Abs. 4 CoronaSchVO), Besuchern von privaten Veranstaltungen auch in Form von Partys und vergleichbaren Feiern (§ 18 Abs. 4 Nr. 4 CoronaSchVO) und Kunden der Innen- und Außengastronomie (§ 19 Abs. 2 bis 4 CoronaSchVO) bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen von einer Maskenpflicht absieht. Dies ist mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise vereinbar.

  114. Zunächst ist der Antragstellerin nicht zu folgen, wenn sie meint, im Bildungsbereich der Schulen sei es „bei einer kompletten völlig undifferenzierten Maskenpflicht“ verblieben. Vielmehr hat der Verordnungsgeber durch Art. 2 der 29. Verordnung zur Änderung von Rechtsverordnungen zum Schutz vor dem Coronavirus SARS-CoV-2 vom 16. Juni 2021 (GV. NRW. 2021 S. 722a) die Pflicht zum Tragen einer Maske auf dem Schulgrundstück aufgehoben und diese Pflicht auf das Tragen im Schulgebäude beschränkt.

  115. Ferner bestehen sachliche Gründe für die Ungleichbehandlung. In Nordrhein-Westfalen besteht allgemeine Schulpflicht, Art. 8 Abs. 1 Satz 1 LV NRW, § 34 Abs. 1 Satz 1 SchulG NRW. Die Schulpflicht umfasst in der Primarstufe die Pflicht zum Besuch einer Vollzeitschule, § 34 Abs. 2 Satz 1 SchulG NRW. Bei Verletzung dieser Pflicht können erzieherische Einwirkungen und Ordnungsmaßnahmen angewendet werden, § 53 Abs. 1 Satz 2 SchulG NRW. Schüler wie die Antragstellerin müssen daher regelmäßig an fünf Tagen in der Woche am Unterricht teilnehmen und sich dabei zusammen mit zahlreichen – im vorliegenden Fall 23 – weiteren Kindern sowie einer Lehrkraft über mehrere Stunden in einem Klassenraum aufhalten. Vergleichbar infektionsbegünstigende Rahmenbedingungen liegen bei den von der Antragstellerin angeführten Angeboten im Freizeitbereich, die typischerweise erheblich seltener und zudem kürzer wahrgenommen werden, jedenfalls regelhaft nicht vor.

  116. Im Übrigen bestimmt § 11 Abs. 4 Nr. 1 CoronaSchVO für außerschulische Bildungsangebote, dass die Maske am Sitzplatz ausschließlich in gut durchlüfteten Räumen oder Räumen mit einer der Raumgröße angepassten viruzid wirkenden Luftfilteranlage abgelegt werden darf. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt dürfte nicht davon auszugehen sein, dass sämtliche Klassenräume in Nordrhein-Westfalen gut durchlüftet werden können oder ansonsten mit einer der Raumgröße angepassten viruzid wirkenden Luftfilteranlage ausgestattet sind.

  117. Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt zu sehen, dass in anderen Bundesländern die Regelungen zur Maskenpflicht in Grundschulen während des Unterrichts anders ausgestaltet sind. Voraussetzung für eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG ist, dass die Vergleichsfälle der gleichen Stelle zuzurechnen sind. Daran fehlt es, wenn die beiden Sachverhalte von zwei verschiedenen Trägern öffentlicher Gewalt gestaltet werden; der Gleichheitssatz bindet jeden Träger öffentlicher Gewalt allein in dessen Zuständigkeitsbereich. Ein Land verletzt daher den Gleichheitssatz nicht deshalb, weil ein anderes Land den gleichen Sachverhalt anders behandelt.

  118. Vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 8. Mai 2008 ‑ 1 BvR 645/08‑ , juris, Rn. 28, m. w. N.

  119. II.

    Soweit die Erfolgsaussichten in der Hauptsache nach den vorstehenden Erwägungen noch nicht in Gänze beurteilt werden können und insoweit eine ergänzende Folgenabwägung vorzunehmen ist, geht diese zu Lasten der Antragstellerin aus. Die Interessen der Antragstellerin müssen hinter den Schutz von Leben und Gesundheit zurücktreten. Die zu erwartenden Folgen einer Außervollzugsetzung der angegriffenen Norm fallen schwerer ins Gewicht als die Folgen ihres einstweilig weiteren Vollzugs für die Antragstellerin. Die angegriffene Regelung ist ein wesentlicher Baustein der komplexen Pandemiebekämpfungsstrategie des Antragsgegners, die im Falle einer Außervollzugsetzung in ihrer Wirkung erkennbar reduziert würde, mit der Folge der Gefahr zusätzlicher (unentdeckter) Ansteckungen mit dem Virus und der Erkrankungen oder sogar des Todes weiterer Menschen. Umgekehrt hat die Antragstellerin schwerwiegende Nachteile nicht konkret dargetan. Insbesondere vor dem Hintergrund der zahlreichen Ausnahmeregelungen von der Maskenpflicht in der Coronabetreuungsverordnung ist hierfür auch sonst nichts ersichtlich.

  120. B.

    Der Antrag hat auch mit dem von der Antragstellerin gestellten Hilfsantrag keinen Erfolg. Dieser ist bereits unzulässig. Die von der Antragstellerin begehrte Normergänzung ist im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO weder zulässig noch erforderlich. Wenn es der von der Antragstellerin für erforderlich gehaltenen (weiteren) Ausnahmen von der Regelung des § 1 Abs. 3 Satz 4 CoronaBetrVO bedürfte, wäre die angegriffene Norm insgesamt außer Vollzug zu setzen, weil Gegenstand eines Normenkontrollverfahrens nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO und damit auch des akzessorischen Eilverfahrens nach § 47 Abs. 6 VwGO die Gültigkeit einer bereits erlassenen Rechtsvorschrift ist. Kommt das Oberverwaltungsgericht zu der Überzeugung, dass die Rechtsvorschrift ungültig ist, so erklärt es diese nach § 47 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO für unwirksam. Ein Rechtsgrund für eine Unwirksamkeit kann darin liegen, dass der Normgeber unter Verstoß gegen höherrangiges Recht einen bestimmten Sachverhalt nicht berücksichtigt und damit eine rechtswidrige, unvollständige Regelung erlassen hat. Zielt ein Normenkontrollantrag dagegen auf Ergänzung einer vorhandenen Norm, ohne deren Wirksamkeit in Frage zu stellen, ist der Weg der Normenkontrolle nicht eröffnet.

  121. Vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 16. April 2015 ‑ 4 CN 2.14 ‑, juris, Rn. 5, m. w. N.; Nds. OVG, Beschluss vom 27. April 2020 ‑ 13 MN 107/20 ‑, juris, Rn. 4.

  122. Im Übrigen erweist sich § 1 Abs. 3 CoronaBetrVO auch ohne die von der Antragstellerin mit dem Hilfsantrag begehrte weitere Ausnahme von der Maskenpflicht für Primarstufenschüler während des Aufenthalts im Klassenverband im Unterrichtsraum bei Sicherstellung einer ausreichenden Belüftung jedenfalls nicht als offensichtlich rechtswidrig. Insoweit wird zur Begründung auf die vorstehenden Erwägungen unter A. verwiesen.

  123. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf den § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG. Der Antrag zielt inhaltlich auf eine Vorwegnahme der Hauptsache, sodass eine Reduzierung des Auffangstreitwerts für das Eilverfahren nicht veranlasst ist.

  124. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).