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Chronologie der Ereignisse:

Trotz Abschaffung der Bundeswehr-Impflicht: Gericht verurteilt ungeimpften Soldaten zu 2.000€ Geldstrafe.

Truppendienstgericht Süd Erfurt, Beschluss vom 18. Juli 2024, Gz. S 5 BLc 02/24

Herzlichen Dank an den Kollegen Göran Thoms, der die Entscheidung überreicht hat.


Zusammenfassung

Einem Soldaten wurde befohlen, sich eine sogenannte Covid19-Impfung verabreichen zu lassen. Zwar erschien er vor dem Truppenarzt, beauskunftete jedoch nicht die ihm dort gestellten Fragen. Daraufhin sah sich der Truppenarzt außer Stande, eine Injektion vorzunehmen.

Kurz darauf wurde die Impfpflicht abgeschafft.

Dennoch: Aufgrund der Weigerung sich „impfen“ zu lassen, verhängte das Gericht gegen den Soldaten eine Geldbuße von 2000 €.

  Zeitlicher Ablauf

Impfbefehl
28.02.2024
Disziplinarbuße
04.03.2024
Beschwerde
02.04.2024
weitere Beschwerde
22.05.2024
Abschaffung Impflicht
29.05.2024
Entscheidung des Gerichts
18.07.2024
18.07.2024

Anmerkung

Rosinenpickerei und moralische Belehrung - so ähnlich könnte eine Überschrift über dem Beschluss des Truppendienstgerichts Süd (TDG) lauten.

  1. Zunächst zur Rosinenpickerei:

    Das Gericht meint, weil das BVerwG festgestellt habe, dass es in Ordnung sei, die sogenannte Covid-19-Impfung verpflichtend zu machen, gelte das auch für das TDG.

    Zu kurz gesprungen, kann man da nur sagen!

    Denn das BVerwG hat auch klargestellt, dass dem Dienstherrn eine Pflicht zur ständigen Evaluierung der Maßnahme obliegt.

    Mit anderen Worten: Man darf eben nicht, wie das TDG es hier macht, sich einfach auf die uralte Entscheidung des BVerwG berufen, sondern muss die Evaluierungspflicht berücksichtigen. Das ist Rosinenpickerei.

    Hinzu kommt: Kurz nach dem Impfbefehl wurde die Duldungspflicht in der Bundeswehr aufgehoben. Und das hat ja Gründe! Nämlich weil diese Duldungspflicht nicht mehr verhältnismäßig war – immerhin hatte sich die pandemische Lage, von der das BVerwG ausging, völlig verändert.

    Die pauschale Verlängerung der Rechtmäßigkeitsvermutung ist ein reflexartiges Festhalten an einer veralteten Rechtsgrundlage, ohne die tatsächliche Situation zu hinterfragen.

  2. Weil der Soldat den Fragebogen nicht ausfüllte, schwingt das TDG den moralischen Zeigefinger und tadelt den Soldaten als „renitent“ und „uneinsichtig.“

    Das Gericht begibt sich hier auf eine Ebene, die ihm nicht zusteht. Zur Erinnerung: Ein Gericht hat Recht anzuwenden und nicht zu moralisieren. Es ist Diener des Volkes, nicht dessen Zuchtmeister.

    Und wäre der Fehltritt des Gerichts nicht schon schlimm genug, so kommt noch hinzu, dass es in der Sache unrecht hat: Die bereits zu diesem Zeitpunkt veröffentlichten RKI-Protokolle zeigen, dass die Bedenken des Soldaten völlig gerechtfertigt waren. Uneinsichtig und uninformiert war hier nicht der Soldat, sondern das Gericht.

  3. Der Jurist erkennt, dass das Gericht Schuld und Vorsatz vermischt:

    „Das Maß der Schuld ist durch eine vorsätzliche Begehungsweise geprägt.“

    Im Studium lernen Studenten bereits im ersten Semster, dass Vorsatz und Schuld unterschiedliche Bedeutung haben, aber auch diese Leistung des Gerichts reiht sich in die übrige Qualität der Entscheidung unauffällig ein.

  4. Doch es geht noch weiter:

    Der Soldat hat sich nicht geweigert, die Impfung zu dulden, denn dazu kam es schließlich gar nicht. Er hat sich lediglich geweigert, den Fragebogen auszufüllen. Das ist aber nicht das Gleiche, wie eine Impfung nicht zu dulden. Wenn die Bundeswehr sich selbst höhere Hürden als das Gesetz vorgibt, dann ist das ihr Problem, aber nicht das Problem des Soldaten. Der Befehl bezieht sich daher nicht auf das Ausfüllen eines Fragebogens, sondern darauf, nicht einzugreifen, wenn die Injektion gesetzt wird.

    Folglich lag auch kein Befehlsverstoß vor.

    Und wie kommt das TDG dann trotzdem zu einer Bestrafung des Soldaten? Ganz einfach, es behauptet einfach, dass das Ausfüllen eines Fragebogens zur Duldung dazugehöre.

    Wenn das so ist, dann kann man eigentlich alles als Befehl ansehen und so immer zu einer Bestrafung gelangen. Solange, bis das gewünschte Ergebnis erreicht ist.

    Wenn ein Befehl aber alles und nichts bedeuten kann, wie soll ein Soldat dann wissen, was er zu tun hat?

    Schauen wir, was das Bundesjustizministerium zum Erfordernis der Bestimmtheit von Normen zu sagen hat:

    Rechtssicherheit und Rechtsklarheit beinhalten zudem das Gebot der Normenklarheit und den Bestimmtheitsgrundsatz. Diese Grundsätze besagen im Kern, dass Rechtsvorschriften so formuliert sein müssen, dass die von ihnen Betroffenen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach richten können. Zweck ist auch hier der Schutz vor staatlicher Willkür.

    Zweck ist also der Schutz vor staatlicher Willkür. Keine weiteren Fragen.

Die Entscheidung des Gerichts:


Tenor

  1. Die gegen den Soldaten durch den Kompaniechef 4./Versorgungsbataillon XY am 4. März 2024 verhängte Disziplinarbuße wird aufgehoben.

  2. Der Antrag auf Aussetzung der Vollstreckung der vorgenannten Disziplinarbuße wird zurückgewiesen.

  3. Wegen eines Dienstvergehens wird gegen den Soldaten eine Disziplinarbuße über 2.000,- € verhängt.

  4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe

I.
  1. Der Beschwerdeführer ist Angehöriger des 6./Versorgungsbataillons XY in Bad Frankenhausen. Er ist Soldat auf Zeit mit voraussichtlichem Dienstzeitende am 16. April 2036.

  2. Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 22. Mai 2024, beim Truppendienstgericht per eRV eingegangen am selben Tag, erhebt der Beschwerdeführer weitere Beschwerde gegen die durch den Kompaniechef 4./Versorgungsbataillon XY gegen den Beschwerdeführer am 4. März 2024 verhängte Disziplinarbuße über 2000 € und den – die Erstbeschwerde gegen die Disziplinarbuße zurückweisenden – Beschwerdebescheid des Kommandeurs Versorgungsbataillon XY vom 23. April 2024. Er beantragt zudem, die Vollstreckung der Disziplinarbuße bis zur Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Disziplinarbuße auszusetzen.

    Die weitere Beschwerde wird zum einen mit der Rechtswidrigkeit der Disziplinarmaßnahme begründet. Der Beschwerdeführer habe den Befehl seines damaligen Disziplinarvorgesetzten, Major X., vom 28. Februar 2024 nicht verweigert und daher kein Dienstvergehen begangen. Darüber hinaus läge nach Ansicht des Beschwerdeführers auch dann kein Dienstvergehen vor, wenn er einen entsprechenden Befehl, die Covid-19-Schutzimpfung zu dulden, verweigert hätte. Nach Auffassung des Beschwerdeführers liegt ein solcher Befehl jedoch gar nicht vor.

    Überdies wäre ein diesbezüglicher Befehl seiner Bewertung nach rechtswidrig und unverbindlich.

  3. Dem Beschwerdeverfahren ist folgendes Vorverfahren vorausgegangen:

    Der Kompaniechef 4./Versorgungsbataillon XY hatte am 4. März 2023 eine Disziplinarbuße mit folgendem Tenor gegen den Beschwerdeführer verhängt:

    Er hat am 28.2.2024 in Bad Frankenhausen, Kyffhäuserkaserne, den mündlich erteilten Befehl des Kompaniechefs, den vollständigen Impfstatus herzustellen, nicht befolgt.

    Hiergegen hatte der Beschwerdeführer form- und fristgerecht Erstbeschwerde eingelegt mit anwaltlichem Schriftsatz vom 2. April 2024, versendet per E-Mail und eingegangen beim Kommandeur Versorgungsbataillon XY am selben Tag. Das Beschwerdeschreiben war mit einer qualifizierten elektronischen Signatur (.pkcs7-Datei) versehen.

    Der Kommandeur Versorgungsbataillon XY wies die Beschwerde mit Bescheid vom 23. April 2024, dem Rechtsbeistand per Einschreiben mit Rückschein zugestellt am 26. April 2024, als unzulässig zurück. In der Begründung wird ausgeführt, die Beschwerdeeinlegung per E-Mail sei formunwirksam gewesen.

  4. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Beschwerde- und Verfahrensakten Bezug genommen.

II.

Die weitere Beschwerde ist zulässig, jedoch unbegründet.

  1. Bei der weiteren Beschwerde handelt es sich um eine Disziplinarbeschwerde. Sie ist form- und fristgerecht bei der zuständigen Kammer des Truppendienstgerichts Süd eingelegt worden.

  2. Die weitere Beschwerde hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

    1. Die Entscheidung des Truppendienstgerichts beschränkt sich nicht auf eine Prüfung der Rechtmäßigkeit der verhängten Maßnahme. Vielmehr unterliegt die angefochtene Disziplinarmaßnahme nach § 42 Nr. 4 WDO in vollem Umfang der wehrdienstgerichtlichen Prüfung, sodass das Truppendienstgericht zugleich die in der Sache erforderliche Entscheidung trifft.

      1. Zur Überzeugung der Kammer steht folgender Sachverhalt fest:

        Der damalige Kompaniechef des Beschwerdeführers, Major X., befahl dem Beschwerdeführer gegen 7:15 Uhr am 28. Februar 2024 in der Kyffhäuser-Kaserne, Bad Frankenhausen, in seinem Dienstzimmer, den vollständigen Covid-19-Impfstatus herzustellen. Hierzu hatte der Kompaniechef für den Beschwerdeführer für 10:00 Uhr einen Impftermin im Sanitätszentrum Bad Frankenhausen vereinbart.

        Um 10:27 Uhr wurde Major X. von der zuständigen Truppenärztin Y. angerufen, die den Kompaniechef bat, den Beschwerdeführer wegen heftiger Diskussionen über die anstehende Impfung aus dem Sanitätsbereich zu entfernen.

        Die Truppenärztin teilte dem Kompaniechef per E-Mail noch am 28. Februar 2024 mit, dass der Impfstatus nicht hergestellt wurde.

        Eine Nachfrage bei der Truppenärztin hat ergeben, dass der Beschwerdeführer trotz ausführlicher Aufklärung über den verfügbaren Impfstoff, mögliche Impfrisiken und -nebenwirkungen die für die Vornahme der Impfung erforderlichen Angaben auf dem Patientenfragebogen sowie seine Unterschrift auf dem Aufklärungsblatt verweigert hat. Da eine ärztliche Prüfung möglicher Kontraindikationen gegen den verfügbaren Impfstoff und eine abschließende Beurteilung der Impftauglichkeit des Beschwerdeführers ohne dessen Auskünfte und Unterschrift nicht durchgeführt werden kann, durfte die Truppenärztin auch die Covid-19-Schutzimpfung nicht vornehmen.

        Indem er seine Mitwirkung an den ärztlichen Maßnahmen zur Herstellung des Impfstatus wissentlich und willentlich verweigerte, verletzte der Beschwerdeführer schuldhaft seine Dienstpflichten,

        • seinen Vorgesetzten zu gehorchen,

        • der Achtung und dem Vertrauen gerecht zu werden, die sein Dienst als Soldat erfordert, sowie

        • ärztliche Maßnahmen zur Verhütung oder Bekämpfung übertragbarer Krankheiten zu dulden.

        Er hat damit ein Dienstvergehen begangen gemäß § 23 Abs. 1 SG in Verbindung mit §§ 11 Abs. 1, 17 Abs. 2 Satz 1, 2. Alternative, § 17a Abs. 2 Nr. 1 SG, unter den erschwerenden Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 SG.

      2. Zu den vorstehenden Feststellungen kommt die Kammer aufgrund der vorgelegten Verfahrens- und Beschwerdeakten, darunter insbesondere:

        • Einlassungen des Beschwerdeführers über seinen Rechtsbeistand – soweit ihr gefolgt werden kann,

        • ärztliche Mitteilung der Truppenärztin, Oberfeldärztin Y., E-Mail vom 28. Februar 2024 (Bl. 47 der Beschwerdeakte „Beschwerde vom 25.03.2024 gegen KpChef 5./XY (...)“),

        • E-Mail Major X. vom 28. Februar 2024 (Bl. 51 der Beschwerdeakte),

        • E-Mail Lagefortschreibung Major X. vom 4. März 2024 (Bl. 55 der Beschwerdeakte),

        • ärztliche Mitteilung der Truppenärztin, Oberfeldärztin Y., E-Mail vom 28. Februar 2024 (Bl. 56 der Beschwerdeakte), sowie

        • ärztliche Mitteilung der Truppenärztin, Oberfeldärztin Y., E-Mail vom 17. Juli 2024 (Bl. 402 der Verfahrensakte).

      3. An der Rechtmäßigkeit des Befehls von Major X. bestehen keine Zweifel.

        1. Ein Befehl ist eine Anweisung zu einem bestimmten Verhalten, die ein militärischer Vorgesetzter (§ 1 Abs. 3 SG) einem Untergebenen schriftlich, mündlich oder in anderer Weise, allgemein oder für den Einzelfall, und mit dem Anspruch auf Gehorsam erteilt (§ 2 Abs. 2 WStG).

        2. Major X. war zum Zeitpunkt der Befehlserteilung Kompaniechef – und damit Vorgesetzter – des Antragstellers nach § 1 Abs. 3 SG in Verbindung mit § 1 VorgV.

        3. Ein Befehl ist an keine Formvorschriften gebunden. Er kann – wie hier – auch mündlich erteilt werden.

        4. Der Befehl war für wellen Einzelfall der Herstellung eines vollständigen Impfstatus des Beschwerdeführers erteilt.

        5. Der Befehl hatte einen dienstlichen Zweck und verstieß nicht gegen Regeln des Völkerrechts, Gesetze oder Dienstvorschriften (§ 10 Abs. 4 SG).

          Mit Wirkung vom 24. November 2021 trat im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung eine Änderung der Allgemeinen Regelung (AR) A1-840/8-4000 "Impf- und ausgewählte Prophylaxemaßnahmen – Fachlicher Teil" in Kraft. Dadurch wurde die Impfung gegen den Covid-19-Erreger in die Liste der Basisimpfungen in der A1-840/8-4000 Nr. 2001 aufgenommen. Nach der A1-840/8-4000 Nr. 1080 erfordern die Covid-19-Impfstoffe eine oder zwei Teilimpfungen sowie Auffrischimpfungen gemäß den aktuellen nationalen Empfehlungen. Durch den Wehrdienstsenat wurde bereits festgestellt, dass die Aufnahme der Covid-19-Impfung in die Liste der duldungspflichtigen Basisimpfungen der A1-840/8-4000 rechtmäßig war (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Juli 2022 – 1 WB 2.22).

          Der Antragsteller unterfiel dem duldungspflichtigen Personenkreis. Nach der Regelung der A1-840/8-4000 Nr. 2023 und 2024 ist für alle Kräfte (Einheiten und Einzelpersonen), die für Hilfs- und Unterstützungsleistungen im Inland eingesetzt werden – die sogenannten "Hilfs- und Katastrophenkräfte Inland" – die Basisimmunisierung erforderlich. Nr. 210 der Dienstvorschrift A-840/8 "Impf- und weitere ausgewählte Prophylaxemaßnahmen" sieht vor, dass alle Soldaten die angewiesenen Impf- und Prophylaxemaßnahmen und Impfungen der "Hilfs- und Katastrophenkräfte Inland" zu dulden haben. Nach der A-840/8 Nr. 406 sind damit alle aktiven Soldaten duldungspflichtig zu impfen, sofern in der Person des Soldaten keine individuelle medizinische Kontraindikation vorliegt.

        6. (6) Der Befehl enthielt eine Anweisung zu einem konkreten Verhalten – nämlich einen vollständigen Impfstatus herstellen zu lassen. Es war für die Bestimmtheit des Befehls nicht erforderlich, dass durch den Kompaniechef die zu duldenden Impfungen zur Herstellung des vollständigen Impfstatus und die einzuhaltenden Impfintervalle oder wahrzunehmenden Impftermine im Einzelnen benannt wurden.

          Vielmehr ist der Befehl so auszulegen, dass der Soldat verpflichtet wird, beim Truppenarzt vorstellig zu werden, damit durch diesen die für den jeweiligen Impfstatus erforderlichen Impfungen festgestellt, entsprechende Aufklärungsgespräche geführt, gegebenenfalls Untersuchungen zu möglichen Kontraindikationen vorgenommen, Termine gemäß den fachlichen Vorgaben für einzuhaltende Impfintervalle vergeben und letztlich die Impfungen durchgeführt werden, die der Soldat zu dulden hat.

          Die Duldungspflicht beinhaltet daher nicht nur das rein physische Erdulden der Impfung, sondern auch das Mitwirken an den erforderlichen Maßnahmen des Truppenarztes (vgl. §§ 630c Abs. 1, 254 BGB). So ist der Truppenarzt verpflichtet, im Einzelfall zu prüfen, ob aus medizinischer Sicht Kontraindikationen gegen eine Impfung sprechen. Hierzu ist es erforderlich, dass der Patient den entsprechenden Aufklärungs- und Fragebogen ausfüllt und unterschreibt. Soweit der Beschwerdeführer hier also vorträgt, es hätte eine Rücksprache des Truppenarztes mit seinem Allergologen geben müssen, so wäre es an ihm gewesen, den Frage-/Aufklärungsbogen entsprechend auszufüllen. Indem der Beschwerdeführer entsprechende Angaben auf dem Fragebogen verweigerte, machte er nicht nur Feststellungen des Truppenarztes zur Impftauglichkeit unmöglich, sondern behinderte auch den Truppenarzt, seiner Aufklärungspflicht über mögliche Kontraindikationen oder mögliche unerwünschte Arzneimittelwirkungen und Impfkomplikationen im erforderlichen Maße nachzukommen.

          Aufgrund der unterschiedlichen Wirkstoffe der verschiedenen duldungspflichtigen Impfungen konnte der Truppenarzt sich auch nicht auf die Prüfung der Gesundheitsakte hinsichtlich der Verträglichkeit anderer Impfstoffe früherer Impfungen beschränken/verlassen. Gerade vor dem Hintergrund der Neuartigkeit des in der Bundeswehr zur Anwendung gelangten mRNA-Impfstoffs bedurfte es in besonderem Maße der abgefragten Patientenangaben. Ohne diese Angaben und eine Unterschrift des Patienten über eine erfolgte Impfaufklärung durfte der Truppenarzt die Covid-19-Schutzimpfung daher nicht vornehmen.

          Indem der Beschwerdeführer seine Mitwirkung verweigerte und dadurch die Feststellung der Impftauglichkeit und damit auch das Vornehmen der Impfung unmöglich machte, verstieß er wissentlich und willentlich – und damit schuldhaft – gegen den Befehl seines Kompaniechefs.

      4. Die durch den Kompaniechef verhängte Disziplinarmaßnahme ist nach Art und Höhe nicht zu beanstanden. Sie hat jedoch keinen Bestand.

        Die Disziplinarbuße wurde zwar durch den zuständigen Disziplinarvorgesetzten verhängt (§ 29 Abs. 1 WDO), nachdem dieser entsprechend § 32 Abs. 1 und 3 WDO Ermittlungen durchgeführt und dem Beschwerdeführer am 28. Februar 2024 rechtliches Gehör gewährt hat (§ 32 Abs. 4 WDO). Die Anhörung der Vertrauensperson ist – zu Recht – unterblieben, da der Beschwerdeführer dieser widersprochen hat. Das Schlussgehör wurde ordnungsgemäß am 1. März 2024 durchgeführt. Die Maßnahmeverhängung erfolgte am 4. März 2024 – mithin korrekterweise nicht vor Ablauf einer Nacht. Der Tenor der Disziplinarverfügung genügt jedoch nicht dem Bestimmtheitsgrundsatz des § 37 Abs. 3 WDO, da er die Pflichtverletzung des Beschwerdeführers nicht hinreichend beschreibt. Die Disziplinarmaßnahme ist daher aufzuheben und unter Neufassung des Tenors neu zu verhängen.

    2. Da das Truppendienstgericht selbst Disziplinargewalt ausübt, ist es auch befugt, den im Tenor einer Maßnahme enthaltenen Tatvorwurf durch eine neue Fassung zu präzisieren und an seine Tatsachenfeststellungen anzupassen (BVerwG, Beschluss vom 17. April 2019 – 2 WNB 2.19).

      1. aa. Von dieser Möglichkeit hat die Kammer vorliegend Gebrauch gemacht und auf Grundlage des festgestellten Sachverhaltes selbst eine Disziplinarbuße über 2000 € gegen den Beschwerdeführer verhängt.

        Der Tenor lautet nunmehr:

        Er hat den ihm am 28. Februar 2024 in Bad Frankenhausen, Kyffhäuser-Kaserne, mündlich durch seinen damaligen Kompaniechef erteilten Befehl, den vollständigen Impfstatus herzustellen, nicht befolgt, sondern wissentlich und willentlich am 28. Februar 2024 in der Kyffhäuser-Kaserne in Bad Frankenhausen die für die ärztliche Prüfung möglicher Kontraindikationen gegen die Covid-19-Schutzimpfung und Beurteilung seiner diesbezüglichen Impftauglichkeit notwendigen Auskünfte und Unterschrift auf dem entsprechenden Impf-Aufklärungsbogen verweigert, sodass eine zur Herstellung des erforderlichen Impfstatus erforderliche Covid-19-Schutzimpfung nicht vorgenommen werden konnte.

      2. bb. Im Rahmen der Maßnahmebemessung hat die Kammer folgendes zu Gunsten und zu Ungunsten des Beschwerdeführers in die Abwägung eingestellt:

        1. Nach Eigenart und Schwere handelt es sich um ein schweres Dienstvergehen.

          Die Gehorsamspflicht gehört zu den zentralen Dienstpflichten eines jeden Soldaten. Indem er die Mitwirkung an der Herstellung seines vollständigen Impfstatus verweigerte, verstieß er jedoch nicht nur gegen die Gehorsamspflicht, vielmehr verstieß er auch gegen seine Pflicht aus § 17a Abs. 2 Nr. 1 SG und die innerdienstliche Wohlverhaltenspflicht.

          Der Erste Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts hat in seinen Beschlüssen vom 7. Juli 2022 – 1 WB 2.22 und 1 WB 5.22 – festgestellt, dass die Aufnahme der Covid-19-Impfung in die Liste der duldungspflichtigen Basisimpfungen unter Berücksichtigung des von Art. 2 Abs. 2 GG geschützten körperlichen Integritätsinteresses der Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr rechtmäßig war. Hieran hat sich bis zur Aufhebung der Duldungspflicht nichts geändert. Der Senat hat die zu erwartenden Risiken und Nebenwirkungen, die bei den zur Verfügung stehenden und nach Mitteilung des Dienstherrn eingesetzten mRNA-Impfstoffen auftreten, in die Rechtmäßigkeitsprüfung einbezogen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Juli 2022 – 1 WB 2.22). Dem hat er den Nutzen der Covid-19-Schutzimpfung, namentlich ihre gewichtigen Vorteile für die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr, gegenübergestellt. Er hat erläutert, weshalb der Dienstherr bei der Abwägung der privaten Interessen eines Soldaten, sich nicht dem Nebenwirkungsrisiko einer Covid-19-Impfung auszusetzen und seine persönliche Abwägungsentscheidung zwischen dem Impf- und dem Erkrankungsrisiko zu treffen, von einem Überwiegen des öffentlichen Interesses ausgehen durfte. Auf die diesbezüglichen ausführlichen Erwägungen des Ersten Wehrdienstsenats – denen sich die Kammer anschließt – wird Bezug genommen.

        2. Das Maß der Schuld ist durch eine vorsätzliche Begehungsweise geprägt.

          Schuldmilderungs- oder -ausschließungsgründe sind nicht ersichtlich. Wenngleich die durch den früheren Soldaten vorgebrachten Ängste und Sorgen gegenüber den neuen Impfstoffen in gewissem Maße nachvollziehbar sind, so darf nicht vergessen werden, dass er als Soldat einmal den Eid geleistet hat, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen.

          Zur Tapferkeit gehört eben auch, eigene Ängste zu überwinden.

        3. Die Beweggründe des Soldaten sind von Eigennutz geprägt. Er stellt eigene Ängste und Sorgen über das legitime Interesse des Dienstherrn an einer möglichst großen Zahl durchgeimpfter und voll einsatzbereiter Soldatinnen und Soldaten.

        4. Hinsichtlich der Bemessungskriterien Persönlichkeit und bisherige dienstliche Leistungen hat die Kammer die Stellungnahme zu Person und Leistung des Kompaniechefs vom 24. Juni 2024 herangezogen sowie die Anlassbeurteilung vom 31. März 2021, die Regelbeurteilung vom 31. Juli 2023 und die Stellungnahme des Kompanieeinsatzoffiziers zur Person vom 20. Juni 2024. Diese sprechen nicht für ihn.

      3. Vor dem Hintergrund der Uneinsichtigkeit und Renitenz des bis dato straf- und disziplinarrechtlich unvorbelasteten Beschwerdeführers sowie der Unruhe, die er in seiner Einheit und im Sanitätsbereich durch sein Verhalten verursacht hat, wäre nach Ansicht der Kammer nach Abwägung aller für und gegen ihn sprechenden Umstände eine schärfere Disziplinarmaßnahme tat- und schuldangemessen gewesen. Aufgrund des Verschlechterungsverbotes konnte eine solche jedoch nicht verhängt werden. Die Kammer sprach daher die maximal zulässige Disziplinarmaßnahme – eine Disziplinarbuße über 2000 € – aus.

  3. Da durch das Truppendienstgericht die angegriffene Disziplinarmaßnahme aufgehoben und durch eine neue ersetzt wurde, war der Antrag auf Aussetzung der durch den Kompaniechef verhängten Disziplinarbuße zurückzuweisen.

III.

Die Rechtsbeschwerde wurde nicht zugelassen, weil nach Ansicht der Kammer keine der Fallgruppen § 22a Abs. 2 WBO vorliegt.

Die Frage der Rechtmäßigkeit der Duldungspflicht von Covid-19-Schutzimpfungen ist bereits höchstrichterlich geklärt (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 7. Juli 2022 – 1 WB 2.22 und 1 WB 5.22).