Eine 6-jährige Schülerin einer ersten Klasse musste zwei Wochen zuhause isoliert bleiben, weil ein Viertklässler einen positiven Coronatest aufwies. Zu dieser Zeit hatten mehrere Kinder Erkältungssymptome.
Zudem verpflichtete das Gesundheitsamt das Kind bzw. die Eltern zu:
Befolgung von Anordnungen des Gesundheitsamts;
Zutrittsgestattung zur Wohnung zugunsten des Gesundheitsamts zwecks Befragung oder Untersuchung.
Der Vater klagte gegen die Anordnung des Gesundheitsamtes und wollte, dass ein Gericht feststellt, dass die Anordnung nicht rechtens sei.
Er argumentierte:
Dass ein Kontakt nicht sicher ausgeschlossen werden könne, genüge nicht, um von einem Ansteckungsverdacht auszugehen;
Erkältungssymptome anderer Kinder begründen keinen ausreichenden Verdacht der Infektion seines Kindes;
Die Anordnung greife erheblich in die Grundrechte seines Kindes ein.
Der Vater unterlag.
Man sagt,
„Wenn Argumente fehlen, kommt meist ein Verbot heraus.“
Und dass man für diese Verbote alle erdenklichen, abwegigen und auch nachweislich falschen Behauptungen heranziehen kann, zeigt diese Entscheidung des VG Koblenz.
Das Gericht ist der Meinung, es sei gerechtfertigt, ein I-Männchen zwei Wochen zu Hause einzusperren, weil das Kind einer völlig anderen Klasse einen positiven PCR-Test vorzuweisen hatte.
Das Gericht glaubt, ein positiver PCR-Test sei mit einer Infektion gleichzusetzen, Zitat:
„Zunächst ist der Beklagte zutreffend davon ausgegangen, dass die Mitschülerin der Klägerin aus der Klasse 4 ***, ****, unmittelbar vor Erlass der angegriffenen Anordnung mit dem Coronavirus infiziert und mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ansteckungsfähig war. Denn sie wurde ausweislich des Labor-Meldeformulars vom 1. September 2020 am 31. August 2020 mittels des Polymerase-Chain-Reaction-Verfahrens, bekannt als PCR-Test, positiv auf das Coronavirus getestet.“
Die allgemein bekannte Tatsache, dass ein positiver PCR-Test keine Infektion nachweist, ignoriert das Gericht nicht nur – es behauptet sogar genau das Gegenteil.
Ebenfalls behauptet das Gericht die Gefahr einer Überlastung des Gesundheitssystems, Zitat:
„ … (…) Coronavirus verbundene schwerwiegende Gefahren für die Gesundheit und das Leben einer Vielzahl an Menschen infolge schwerwiegender und tödlicher Krankheitsverläufe sowie die Gefahr einer Überlastung der gesundheitlichen Einrichtungen, vor denen zu schützen der Staat nach dem Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit gemäß Art. 2 Abs. 2 GG verpflichtet ist (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 9. Juni 2020 – 1 BvR 1230/20 –, juris Rn. 19), geringere Anforderungen zu stellen.“
Richtig ist jedoch, dass das Gesundheitssystem zu keinem Zeitpunkt überlastet war. Tatsächlich herrschte während der Coronazeit eine historische Unterbelegung.
Ferner behauptet das Gericht, man könne aus der sogenannten Inzidenz auf eine Ausbreitung der Infektionen schließen. Zitat:
„Zu dieser Zeit breitete sich im Kreisgebiet das Coronavirus weiterhin rasant aus. Die sogenannte Sieben-Tages-Inzidenz stieg erheblich an und das Infektionsgeschehen war insgesamt weiterhin diffus.“
Warum sich das Gericht nicht damit auseinandergesetzt hat, dass die sogenannte Inzidenz – was bereits damals allgemein bekannt war – für sich genommen keinen Aussagewert hat, ist für ein Verwaltungsgericht erstaunlich.
Ganz besonders erstaunlich ist die Argumentation des Gerichts, warum es rechtmäßig gewesen sein soll, dass das Kind Isolation und Untersuchungen durch das Gesundheitsamt zu dulden hatte. Die Argumentation sieht vereinfacht so aus:
Das Kind hat die Maßnahmen zu dulden, weil der Verdacht einer Infektion besteht. Dieser Verdacht ist zwar schwach, aber weil eine Coronainfektion potenziell tödlich ist, sind nur geringe Anforderungen an einen Verdacht zu stellen – oder mit den Worten des Gerichts, Zitat:
„Im Falle eines hochansteckenden Krankheitserregers, der bei einer Infektion mit großer Wahrscheinlichkeit zu einer tödlich verlaufenden Erkrankung führen würde, drängt sich angesichts der schwerwiegenden Folgen auf, dass die vergleichsweise geringe Wahrscheinlichkeit eines infektionsrelevanten Kontakts genügt.“
Damit lässt sich letztlich alles rechtfertigen. Da die Kriterien des Gerichts auch auf einen Grippevirus zutreffen – denn auch dieser kann tödlich verlaufen – wäre es auch gerechtfertigt, bei dem Verdacht einer Grippe sämtliche Schüler einer Schule nebst Lehrpersonal häusliche Isolation aufzuerlegen.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die am *** 2014 geborene Klägerin begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Anordnung nach dem Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG –).
Die Klägerin besuchte im September 2020 die Klasse 1 *** der *** Grundschule ****. An der Schule befanden sich ca. 110 Schüler. Nachdem dem Gesundheitsamt des Beklagten am 1. September 2020 mit Labormelde-Formular der Nachweis einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 bei einer Schülerin der Klasse 4 ***, ****, gemeldet worden war, wurde an der Schule am 3. Septem- ber 2020 ein sogenannter Sammelabstrich durchgeführt, dessen Durchführung die Klägerin verweigerte, der aber im Übrigen keine weiteren Infektionen bei Lehrpersonal und Schülern ergab. Nach dem „Ermittlungsformular Coronavirus“ des Beklagten soll die Klägerin am 28. August 2020 Kontakt zu der positiv getesteten Viertklässlerin gehabt haben. Einen weiteren, für den 7. September 2020 im häuslichen Umfeld vorgesehenen Abstrich verweigerte die Klägerin ebenfalls.
Am 5. September 2020 teilte der Beklagte den Eltern der Klägerin telefonisch mit, dass alle Schülerinnen und Schüler der Grundschule als Kontaktpersonen der Kategorie II eingestuft würden, da ein Kontakt in der Schule nicht sicher ausgeschlossen werden könne.
Mit Bescheid vom 7. September 2020 ordnete er gemäß § 29 IfSG die Beobachtung und Gesundheitsüberwachung der Klägerin bis zum 11. September 2020 an. Während dieser Zeit müsse bei der Klägerin zweimal täglich die Körpertemperatur gemessen werden und täglich ein Tagebuch zu Symptomen, Körpertemperatur, allgemeinen Aktivitäten und Kontakten zu weiteren Personen geführt werden. Zur Begründung führte der Beklagte aus, aufgrund des Infektionsrisikos gelte sie als Kontaktperson der Kategorie II („geringeres“ Infektionsrisiko) und stehe deshalb bis zum
vierzehnten Tag nach dem Kontakt zur infizierten Mitschülerin am 28. August 2020 unter der Beobachtung des Gesundheitsamts.
Dagegen erhob die Klägerin, vertreten durch ihren Vater, unter dem 8. September 2020 Widerspruch. Es habe kein Kontakt zu der vermeintlich infizierten Schülerin stattgefunden. Die Kriterien des Robert Koch-Instituts zur Einstufung als Kontaktperson seien nicht erfüllt. Nachdem alle durchgeführten Tests der als Kontaktpersonen eingestuften Personen negativ ausgefallen seien, sei die Aufrechterhaltung der angeordneten Maßnahme unverhältnismäßig.
Mit Bescheid vom 14. September 2020 erklärte der Beklagte die angeordnete Beobachtung mit Ablauf des 11. September 2020 für beendet, da die Klägerin laut An- gaben ihrer Eltern seit mindestens 48 Stunden symptomfrei sei.
Unter dem 1. Oktober 2020 teilte der Beklagte dem Vater der Klägerin mit, dass dem Widerspruch nicht abgeholfen werden könne. Von der Grundschule sei dem Gesundheitsamt eine Liste mit den Daten der Schüler sowie des Personals übersandt worden. Sowohl das Lehrpersonal als auch die Schülerinnen und Schüler, die zusammen mit der infizierten Schülerin im Unterricht gewesen seien, seien als Kontaktpersonen der Kategorie I ermittelt worden. Es sei deren häusliche Absonderung angeordnet worden. Da die Schule mitgeteilt habe, dass viele Kinder der anderen Klassen über Erkältungssymptome geklagt hätten und weitere ca. 40 Kinder gemeinsam mit der positiv getesteten Mitschülerin in einem Bus gefahren seien, sei in Absprache mit dem Ministerium für Soziales, Arbeit und Gesundheit aufgrund des unklaren Infektionsgeschehens abgestimmt worden, alle anderen Kinder und Lehrer der Schule als Kontaktpersonen der Kategorie II einzustufen, diese zu testen und deren Beobachtung anzuordnen.
Der Kreisrechtsausschuss beim Beklagten wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 30. September 2021 zurück, da der Widerspruch infolge der am 11. September 2020 eingetretenen Erledigung des angegriffenen Bescheids unzulässig geworden sei.
Am 2. November 2021 hat die Klägerin Klage erhoben. Das für ihre Fortsetzungsfeststellungsklage erforderliche Fortsetzungsfeststellungsinteresse sei gegeben,
weil die angeordnete Beobachtung einen erheblichen Eingriff in ihre Grundrechte dargestellt habe und Hauptsacherechtsschutz dagegen in der Kürze der Zeit nicht mehr möglich gewesen sei. Die Klage sei auch begründet, weil die Beobachtung rechtswidrig gewesen sei. Mangels Vorliegens eines Ansteckungsverdachts seien die Voraussetzungen nicht erfüllt. Ein unmittelbarer Kontakt zwischen der Klägerin und einer infizierten Person habe zu keinem Zeitpunkt stattgefunden. Rückwirkend habe ihr Vater im Rahmen seiner Funktion als Elternbeirat erfahren, dass die betroffene Mitschülerin nicht mit dem Coronavirus SARS-Cov-2 infiziert gewesen sei. Daher könne nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit von einer Infektion der Klägerin ausgegangen werden. Die Begründung des Beklagten im Widerspruchsverfahren, ein Kontakt zu der vermeintlich infizierten Mitschülerin in der Schule könne nicht sicher ausgeschlossen werden, genüge für die Annahme eines Ansteckungsverdachts ebenso wenig wie die Mitteilung der Schule, viele Kinder anderer Klassen hätten über Erkältungssymptome geklagt und rund 40 Kinder seien mit der angeblich positiv getesteten Mitschülerin in einem Bus gefahren. Abgesehen davon habe sich die Klägerin mit der Mitschülerin auch nicht gemeinsam in einem Bus aufgehalten.
Die Klägerin beantragt,
festzustellen, dass der Bescheid des Beklagten über die Anordnung der Gesundheitsüberwachung und Beobachtung vom 7. September 2020 rechts widrig gewesen ist.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Klage sei bereits unzulässig. Ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des erledigten Bescheids sei nicht erkennbar. Im Übrigen sei die Klage aber auch unbegründet, da der Bescheid keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegne. Denn ein Ansteckungsverdacht habe bei den Mitschülern der Grundschule nicht ausgeschlossen werden können. Das Vorgehen habe der Emp- fehlung des Robert Koch-Instituts für Kontaktpersonen der Kategorie II entspro-
chen. Die Beobachtung sei auch das mildeste Mittel zur Überwachung der Symptome und Durchführung von Tests. Weniger einschneidende Maßnahmen seien nicht ersichtlich.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungs- und Widerspruchsakten (zwei Hefte) sowie der im Gerichtsverfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Sämtliche Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Sie ist als Fortsetzungsfeststellungsklage in analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – statthaft, da sich die bis zum 11.September2020 befristete und zudem mit Bescheid des Beklagten vom 14. September 2020 mit Ablauf des 11. September 2020 für beendet erklärte An- ordnung über die Beobachtung und Gesundheitsüberwachung der Klägerin vor Klageerhebung erledigt hat.
Die Klägerin besitzt zudem das erforderliche berechtigte Interesse an der begehrten Feststellung der Rechtswidrigkeit der angegriffenen Verfügung des Beklagten. Es kann offen bleiben, ob dieses durch eine hinreichende Wiederholungsgefahr begründet ist, da es nämlich jedenfalls aufgrund eines objektiven Rechtsklärungsinteresses zu bejahen ist (a. A. VG Augsburg, Urteil vom 26. April 2021 – Au 9 K 21.70 –, juris Rn. 20; VG Hamburg, Urteil vom 27. Juli 2021 – 3 K 2485/21 –, juris Rn. 19). Das in Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz – GG – verankerte Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz gebietet, über die einfach-rechtlich konkretisierten Fallgruppen hinaus die Möglichkeit einer gerichtlichen Klärung in Fällen ge- wichtiger, allerdings in tatsächlicher Hinsicht überholter Grundrechtseingriffe zu eröffnen, wenn die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt sich nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der
Betroffene eine gerichtliche Entscheidung kaum erlangen kann (vgl. BVerfG, Nicht- annahmebeschluss vom 6. Juli 2016 – 1 BvR 1705/15 –, juris Rn. 11; stRspr). Um einen solchen sich typischerweise kurzfristig erledigenden Grundrechtseingriff handelt es sich bei der Anordnung der Beobachtung und Gesundheitsüberwachung der Klägerin. Denn die aus Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten grundsätzlich erforderliche Befristung einer solchen Anordnung beschränkt sich regelmäßig auf die Dauer des Krankheits- bzw. Ansteckungsverdachts und damit auf einen so kurzen Zeitraum, dass gerichtlicher Rechtsschutz in der Hauptsache nicht mehr zu erlangen ist. Angesichts der mit dieser Anordnung nach § 29 Abs. 2 Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutz- gesetz – IfSG –) verbundenen Pflichten der Klägerin – dazu zählen insbesondere die Pflicht zur Duldung der erforderlichen Untersuchungen durch die Beauftragten des Gesundheitsamts, die Pflicht zur Befolgung von Anordnungen des Gesundheitsamts sowie die Pflicht zur Zutrittsgestattung zur Wohnung zugunsten der Beauftragten des Gesundheitsamts zum Zwecke der Befragung oder der Untersuchung – handelt es sich dabei ferner um einen nicht unerheblichen Eingriff in die der Klägerin zustehenden Grundrechte der körperlichen Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG), der Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) und der Un- verletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 Abs. 1 GG), der hier nachträglich ihr objektives Rechtsklärungsinteresse rechtfertigt.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Die Anordnung der Beobachtung und Gesundheitsüberwachung der Klägerin im Bescheid des Beklagten vom 7. September 2020 war rechtmäßig und hat die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 4 in Verbindung mit Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Die Voraussetzungen der vom Beklagten dafür herangezogenen Rechtsgrundlage des § 29 Abs. 1 IfSG lagen vor. Danach können Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige und Ausscheider einer Beobachtung unterworfen werden. Für die Beurteilung dieser Voraussetzungen ist die Sachlage gemäß objektivierter Kenntnislage des Beklagten im Zeitpunkt des Erlasses der Anordnung maßgeblich (vgl. auch Niedersächsisches OVG, Urteil vom 25. November 2021 – 13 KN 62/20 –, juris Rn. 97 m. w. N.).
Dies vorausgeschickt hat der Beklagte die Klägerin entgegen deren Auffassung zu Recht als Ansteckungsverdächtige eingestuft.
Ansteckungsverdächtig ist nach der Legaldefinition in § 2 Nr. 7 IfSG eine Person, von der anzunehmen ist, dass sie Krankheitserreger aufgenommen hat, ohne krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider zu sein. Erforderlich für die Annahme eines Ansteckungsverdachts ist keine Gewissheit über eine erfolgte Ansteckung. Vielmehr genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass ein Krankheitserreger auf- genommen worden ist. Die Vermutung, der Betroffene habe Krankheitserreger aufgenommen, muss danach naheliegen. Eine bloß entfernte Wahrscheinlichkeit genügt nicht. Demzufolge ist die Feststellung eines Ansteckungsverdachts nicht schon gerechtfertigt, wenn die Aufnahme von Krankheitserregern nicht auszuschließen ist. Andererseits ist auch nicht zu verlangen, dass sich die Annahme geradezu aufdrängt. Erforderlich und ausreichend ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der die Kammer folgt, dass die Annahme, der Betroffene habe Krankheitserreger aufgenommen, wahrscheinlicher ist als das Gegenteil. Dabei ist für die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckungsgefahr der im allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht geltende Grundsatz heranzuziehen, wonach an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts umso geringere Anforderun- gen zu stellen sind, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist. Im Falle eines hochansteckenden Krankheitserregers, der bei einer Infektion mit großer Wahrscheinlichkeit zu einer tödlich verlaufenden Erkrankung führen würde, drängt sich angesichts der schwerwiegenden Folgen auf, dass die vergleichsweise geringe Wahrscheinlichkeit eines infektionsrelevanten Kontakts genügt. Daher ist es sachgerecht, einen am Gefährdungsgrad der jeweiligen Erkrankung orientierten "flexiblen" Maßstab für die hinreichende (einfache) Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen. Zu berücksichtigen sind im Rahmen der demnach vorzunehmenden Gesamtbetrachtung der Umstände des Einzelfalls die Eigenheiten der jeweiligen Krankheit und die verfügbaren epidemiologischen Erkenntnisse und Wertungen sowie die Erkenntnisse über Zeitpunkt, Art und Umfang der möglichen Exposition der betroffenen Personen und deren Empfänglichkeit für den Krankheits- erreger (vgl.zu Vorstehendem insgesamt:BVerwG, Urteil vom 22.März2012 – 3 C 16.11 –, juris Rn. 31 ff.).
Gemessen daran ist die Einschätzung des Beklagten, die Klägerin habe mit hinreichender Wahrscheinlichkeit Kontakt zu einer mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 in- fizierten Person gehabt und Krankheitserreger aufgenommen, rechtlich nicht zu beanstanden.
Zunächst ist der Beklagte zutreffend davon ausgegangen, dass die Mitschülerin der Klägerin aus der Klasse 4 ***, B***, unmittelbar vor Erlass der angegriffenen Anord- nung mit dem Coronavirus infiziert und mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ansteckungsfähig war. Denn sie wurde ausweislich des Labor-Meldeformulars vom 1. September 2020 am 31. August 2020 mittels des Polymerase-Chain-Reaction- Verfahrens, bekannt als PCR-Test, positiv auf das Coronavirus getestet. Soweit die Klägerin dagegen vorträgt, ihr Vater habe im Rahmen seiner Funktion als Elternbeirat erfahren, eine Infektion der Mitschülerin habe nicht vorgelegen, ist dies angesichts des von der Klägerin nicht beanstandeten Laborbefunds widerlegt. Zwar weist dieser den sogenannten Cycle-Threshold-Wert (CT-Wert) mit 34,04 sowie eine „schwach positive Corona-PCR“ aus, was nach den Angaben des Bundesgesund- heitsministeriums für eine geringere Viruslast im Zeitpunkt der Probeentnahme spricht. Die Kammer hat im Falle eines CT-Werts von 34,0 allerdings bereits entschieden und hält weiter daran fest, dass dies der Annahme einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit der Ansteckungsfähigkeit nicht entgegensteht. Denn der CT- Wert ist lediglich eine Momentaufnahme, die individuell beurteilt werden muss (vgl.https://www.zusammengegencorona.de/testen/labortest-pcr-test/), weil nach den wissenschaftlichen Erkenntnissen eine große Varianz bei Verwendung des CT- Werts im Zusammenhang mit den verschiedenen Testsystemen besteht und zudem die CT-Werte während des Verlaufs einer Infektion nicht gleichbleibend sind, sondern nach etwa fünf Tagen kurz vor Auftreten von Symptomen hoch seien (= Virus- RNA in geringer Konzentration), dann abfallen (= Virus-RNA in höherer Konzentration), um sodann wieder stark anzusteigen (vgl. zu Vorstehendem insgesamt: Urteil der Kammer vom 10. Januar 2022 – 3 K 385/21.KO –, abrufbar auf der Homepage des Verwaltungsgerichts Koblenz, Pressemitteilung Nr. 6 vom 14. Februar 2022).
Bestand demnach der hinreichende Verdacht der Ansteckungsfähigkeit der Mit- schülerin der Klägerin, ist darüber hinaus auch davon auszugehen, dass die Kläge-
rin mit hinreichender Wahrscheinlichkeit während des infektiösen Zeitintervalls Kontakt zu der Mitschülerin hatte und deshalb nach den Kriterien des Robert Koch-Instituts (RKI), als ansteckungsverdächtig einzustufen war.
Das RKI, dessen Einschätzung der Gesetzgeber im Bereich des Infektionsschutzes mit der Vorschrift des § 4 IfSG ein besonderes Gewicht eingeräumt hat (vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 10. April 2020 – 1 BvQ 28/20 –, juris Rn. 13), geht bei SARS-CoV-2-Infektionen von einer erhöhten Gefahr einer Übertragung des Virus für Personen aus, die sich länger als zehn Minuten und ohne adäquaten Schutz im Nahbereich, d. h. in einem Abstand von unter 1,5 m zu einer infizierten Person befanden, sowie ferner bei Personen, die sich unabhängig vom Abstand länger als zehn Minuten mit einem Infizierten in einem Raum befanden, in dem wahrscheinlich eine hohe Konzentration infektiöser Aerosole entstanden ist, auch wenn durchgehend und korrekt ein Mund-Nasen-Schutz getragen wurde. Eine erhöhte Übertragungsgefahr besteht nach dem RKI auch für solche Personen, die sich mit der infizierten Person in einem Raum (auch für eine Dauer von weniger als zehn Minuten) oder in einer schwer zu überblickenden Kontaktsituation (z. B. Schulklassen, Kitagruppen, gemeinsames Schulessen, Gruppenveranstaltungen) befunden haben, unabhängig von der individuellen Risikoermittlung. Ein mindestens 15-minütiger Gesichts- ("face-to-face") Kontakt mit der infizierten Person ist in diesem Fall nicht erforderlich. Das RKI begründet dies damit, dass sich Viruspartikel in Aerosolen bei mangelnder Frischluftzufuhr in Innenräumen anreichern können, weil sie über Stunden in der Luft schweben. In Kleinpartikeln/Aerosolen enthaltene Viren bleiben (unter experimentellen Bedingungen) mit einer Halbwertszeit von etwa einer Stunde vermehrungsfähig. Bei hoher Konzentration infektiöser Viruspartikel im Raum sind auch Personen gefährdet, die sich weit von der infizierten Person entfernt aufhalten ("Fernfeld"). In solchen Situationen können verschiedene Faktoren, neben einem Mangel an Frischluftzufuhr etwa auch die Anzahl an Personen und die Länge des Aufenthaltes der infektiösen Person im Raum sowie deren Infektiosität, das Infektionsrisiko erhöhen (vgl. zu Vorstehendem insgesamt: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/ Neuartiges_Coronavirus/Kontaktperson/Management.html, unter der Überschrift „Anhang 1: Risikobewertung enger Kontaktpersonen“). Ein "geringeres Infektionsrisiko" bestand nach den wissenschaftlichen Erkenntnissen des RKI zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der streitgegenständlichen Anordnung am
7. September 2020 insbesondere bei Kontaktpersonen der damals noch bestehenden Kategorie II. Dazu zählten insbesondere Personen, die sich im selben Raum wie ein bestätigter COVID-19-Fall aufhielten, zum Beispiel Arbeitsplatz, jedoch keinen kumulativ mindestens 15-minütigen Gesichts- ("face-to-face") Kontakt mit dem COVID-19-Fall hatten und eine Situation, bei der kein Anhalt dafür besteht, dass eine Aerosolübertragung jenseits von 1,5 m vom Quellfall entfernt stattgefunden hat. Zur Vermeidung der Ausbreitung des Coronavirus hielt es das RKI für notwendig, die Kontaktpersonen von labordiagnostisch bestätigten Infektionsfällen zu identifizieren und – je nach individuellem Infektionsrisiko – ihren Gesundheitszustand für die maximale Dauer der Inkubationszeit (vierzehn Tage) zu beobachten. Asymptomatische, enge Kontaktpersonen sollten zur frühzeitigen Erkennung prä- oder asymptomatischer Infektionen getestet werden. Die Tests sollten so früh wie möglich erfolgen, um mögliche Kontakte der positiven asymptomatischen Kontaktpersonen rechtzeitig abzusondern. Außerdem sollte zusätzlich fünf bis sieben Tage nach der Erstexposition getestet werden, da dann ein Erregernachweis am wahrscheinlichsten ist. Ein negatives Testergebnis ersetzte nach den damaligen Angaben des RKI jedoch nicht die (Selbst-) Beobachtung auf Symptome; auch die Quarantänezeit wurde zum damaligen Zeitpunkt durch ein negatives Testergebnis nicht verkürzt (VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 16. September 2020 – 20 L 1257/20 –, juris Rn. 44 ff. m. w. N.).
Diese zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der streitgegenständlichen Anordnung geltenden wissenschaftlichen Erkenntnisse hat der Beklagte seiner Einschätzung zutreffend zugrunde gelegt. Dass die Risikoeinschätzung des RKI etwa aufgrund neuerer oder anderer wissenschaftlicher Erkenntnisse zum hier maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der streitgegenständlichen Anordnung Anfang September 2020 verfehlt gewesen wäre oder dass im konkreten Einzelfall aufgrund der Raumsituation oder des Kontaktverhaltens eine abweichende wissenschaftliche Einschätzung angezeigt gewesen wäre, ist weder für die Kammer ersichtlich noch hat die Klägerin dies substantiiert dargelegt.
Da zu diesem Zeitpunkt die Sommerferien erst kurze Zeit zuvor beendet waren, bestand vielmehr die Gefahr, dass sich Schüler insbesondere im Ausland gegebenenfalls mit Virusvarianten infiziert hatten und das Coronavirus in den Schulen verbreiteten. Nachdem die erste Schülerin der Grundschule *** am
31. August 2020 positiv auf das Coronavirus getestet worden war und auch weitere Schüler anderer Klassen über für das Coronavirus typische Symptome wie Husten, Schnupfen und Fieber geklagt hatten, war die Annahme gerechtfertigt, dass sich bereits weitere Schüler bei der betroffenen Mitschülerin mit dem Coronavirus angesteckt haben könnten. Diese Annahme wurde dadurch gestützt, dass von den etwa 110 Schülern ca. 40 gemeinsam mit der infizierten Mitschülerin in einem Schulbus gefahren sind und die Unterrichtspausen aller Klassen damals noch zeitgleich auf dem Pausenhof und nicht zeitversetzt stattfanden. Darüber hinaus galt an der Schule während des Unterrichts für die Schüler auch noch keine Maskenpflicht. Hinzu kommt, dass sich Kinder in Grundschulen nach allgemeiner Lebenserfahrung typischerweise spielerisch verhalten und derart miteinander kommunizieren, dass es regelmäßig zu infektionsgeeigneten Kontakten kommt, vor allem, da der Kontakt regelmäßig körpernah ist. Von der Einhaltung eines ausreichenden Abstandes der Kinder untereinander insbesondere in Pausen, in den Sanitäranlagen oder auf dem Weg in die Unterrichtsräume konnte deshalb ebenfalls nicht ausgegangen werden. Vor diesem Hintergrund handelt es sich bei dem Zusammentreffen von Kindern im Schulalltag um eine schwer zu überblickende Kontaktsituation auf beengtem Raum, die die auf einem Wahrscheinlichkeitsurteil gründende Annahme eines infektionsgeeigneten Kontakts der Schüler – auch unterschiedlicher Klassenstufen – untereinander rechtfertigt.
Soweit die Klägerin den Kontakt zu der mit dem Coronavirus infizierten Mitschülerin bestritten hat, ist dies im Rahmen der Gefährdungseinschätzung unerheblich. Einer individuellen Risikoeinschätzung durch den Beklagten bedurfte es für die Beurteilung ihres Ansteckungsverdachts entgegen ihrer Auffassung nicht (vgl. auch VG München, Beschluss vom 18. März 2021 – M 26b S 21.1478 –, juris Rn. 26; VG Karlsruhe, Beschluss vom 13. Oktober 2020 – 8 K 4139/20 –, juris Rn. 12; Schleswig-Holsteinisches VG, Beschluss vom 19. August 2021 – 1 B 106/21 –, juris Rn. 19; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 16. September 2020 – 20 L 1257/20 –, juris Rn.38; VG Köln, Beschluss vom 31.August2020 –7L1540/20–, juris Orientierungssatz). Denn nach den oben genannten Maßstäben des Bundesverwaltungsgerichts genügt für die Annahme des Ansteckungsverdachts die hier gegebene hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass es zu einem Kontakt mit der mit dem Coronavirus infizierten Mitschülerin gekommen ist. An die Wahrscheinlichkeit einer erfolgten Ansteckung sind hier angesichts der mit dem
Coronavirus verbundenen schwerwiegenden Gefahren für die Gesundheit und das Leben einer Vielzahl an Menschen infolge schwerwiegender und tödlicher Krankheitsverläufe sowie die Gefahr einer Überlastung der gesundheitlichen Einrichtungen, vor denen zu schützen der Staat nach dem Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit gemäß Art. 2 Abs. 2 GG verpflichtet ist (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 9. Juni 2020 – 1 BvR 1230/20 –, juris Rn. 19), geringere Anforderungen zu stellen. Entscheidend ist dabei auch das Infektionsgeschehen zum damaligen Zeitpunkt in den Blick zu nehmen. Zu dieser Zeit breitete sich im Kreisgebiet das Coronavirus weiterhin rasant aus. Die sogenannte Sieben-Tages-Inzidenz stieg erheblich an und das Infektionsgeschehen war insgesamt weiterhin diffus. Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass zum damaligen Zeitpunkt die Coronatests noch nicht im heute vorhandenen Umfang für jedermann ohne größeren Aufwand verfügbar waren. Hinzu kamen die Schwierigkeiten bei der Kontaktnachverfolgung durch die Gesundheitsämter. Deshalb genügt hier sogar die vergleichsweise geringe Wahrscheinlichkeit eines infektionsrelevanten Kontakts.
Lagen mithin die gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen für die Anordnung der Beobachtung und Gesundheitsüberwachung zum Erlasszeitpunkt vor, sind dem Beklagten bei der ihm gemäß § 29 Abs. 1 IfSG insoweit obliegenden Ermessensentscheidung auch keine vom Gericht nach § 114 Satz 1 VwGO nachprüfbaren Fehler unterlaufen. Insbesondere ist kein gegenüber der Beobachtung und Gesundheits- überwachung milderes, gleich geeignetes Mittel ersichtlich, sodass die Auswahlentscheidung hinsichtlich der Art und Weise der Maßnahme einer rechtlichen Überprüfung standhält. Der Beklagte hat die Kontaktpersonen der mit dem Coronavirus infizierten Mitschülerin an der Schule entsprechend der Empfehlungen des RKI in zwei unterschiedliche Kontaktgruppen eingeteilt und die Art der Maßnahme danach ausgerichtet. Dabei ist es nicht zu beanstanden, wenn der Beklagte bei der Klägerin von einem Kontakt mit geringerem Infektionsrisiko ausgegangen und sich deshalb für das gegenüber der wesentlich eingriffsintensiveren Absonderung mildere Mittel der Beobachtung und Gesundheitsüberwachung entschieden hat. Dies gilt auch für die angeordnete Dauer dieser Maßnahme von vierzehn Tagen. Aufgrund des mit der Anordnung verbundenen Grundrechtseingriffs ist diese in zeitlicher Hinsicht auf das erforderliche Mindestmaß zu beschränken. Die für den Zeitraum von vierzehn Tagen vom Beklagten angeordnete Beobachtung und Gesundheitsüberwachung
der Klägerin entspricht dem oben beschriebenen, vom RKI empfohlenen Manage- ment von Kontaktpersonen, wonach diese zur Eindämmung der Weiterverbreitung des Coronavirus identifiziert und für den damals noch geltenden Inkubationszeit- raum von vierzehn Tagen beobachtet werden sollten. Der Verhältnismäßigkeit der vierzehntägigen Dauer der Maßnahme steht vorliegend auch nicht entgegen, dass sich aufgrund des am 3. September 2020 in der Grundschule A*** durchgeführten Sammelabstrichs keine weiteren Infektionen mit dem Coronavirus ergeben haben. Denn die Qualität der Diagnostik wird wesentlich von der korrekten Gewinnung ge- eigneten Probenmaterials zum jeweils geeigneten Zeitpunkt (bezogen auf den In- fektionszeitpunkt und -verlauf) bestimmt. Dabei geht das RKI davon aus, dass erst ab fünf bis sieben Tage nach der Erstexposition ein Erregernachweis am wahr- scheinlichsten ist, weshalb nach den oben zitierten wissenschaftlichen Erkenntnis- sen ein negatives Testergebnis nicht die (Selbst-) Beobachtung auf Symptome er- setzt. Dies gilt vorliegend erst recht deshalb, weil schon weitere Mitschüler anderer Klassen Erkältungssymptome zeigten. Daher war nicht ausgeschlossen, dass spä- tere Tests weitere Infektionen bei Schülern oder Lehrpersonal nachweisen würden. Darüber hinaus hat die Klägerin jegliche Probeentnahme verweigert hat, sodass ein Testergebnis für sie nicht vorlag. Der Beklagte war deshalb nicht gehalten, von der Beobachtung und Gesundheitsüberwachung der Klägerin abzusehen oder diese Maßnahme zeitlich zu verkürzen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO.