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Wenn Richter Aberglauben mit Wissen verwechseln: Gericht hält Ungeimpfte für gefährlich und bestätigt Kündigung.

ArbG Berlin, Urteil vom 31.05.2022, Gz. 36 Ca 187/22

Zusammenfassung

Ein Mann arbeitet seit über 20 Jahren in einem Betrieb – noch ein gutes halbes Jahr und es beginnt die passive Phase seiner Altersteilzeit. Dann beginnt die landesweite Testpflicht für Ungeimpfte. Er reicht ein Impfzertifikat ein, welchem der Arbeitgeber allerdings keinen Glauben schenkt, sondern stattdessen mit der Kündigung reagiert.

Der Mann reicht Kündigungsschutzklage ein – vergebens, denn das Gericht behauptet einfach, der Mann sei gefährlich, da es glaubt, er sei ungeimpft.

Anmerkung

Falls jemand glaubt, es sei nicht möglich, dass Richter ihren persönlichen Aberglauben mit Wissen verwechseln und zur Grundlage eines Urteils machen könnten, dem sei die Lektüre der Urteilsbegründung empfohlen.

Zunächst zum Sachverhalt: Aus diesem geht nicht hervor, ob der Kläger eine sogenannte Coronainjektion erhalten hat oder nicht. Trotzdem geht das Gericht davon aus, der Kläger sei nicht geimpft. Warum? Weil er zur Zeit der „Impfung“ angeblich im Außendienst hätte tätig sein müssen. Und da er nicht an zwei Orten gleichzeitig sein kann und das beklagte Unternehmen behauptet, der Arbeitnehmer habe gearbeitet, folgt das Gericht den Ausführungen des Arbeitgebers – trotz vorliegender Urkunde in Form eines Impfpasses, die Gegenteiliges besagt.

Und da das Gericht von nun an unterstellt, dass der Kläger seinen Impfpass gefälscht hat, will es darin eine vertragliche Nebenpflichtverletzung erkennen, welche die Kündigung des Arbeitnehmers rechtfertigt.

Ab jetzt streift das Gericht den Arztkittel über und doziert über angebliche Gefahren, die von Ungeimpften ausgehen würden, und lässt sich über die angebliche Gefährlichkeit bestimmter Menschengruppen aus, Zitat:

„ Der Arbeitgeber durfte nur solche Personen beschäftigen, die keine Gefahr für andere darstellten und auf diese Weise so weit wie möglich vermeiden, dass sich seine Mitarbeiter mit dem Corona-Virus im Betrieb anstecken.“

Frage: Wie kommt das Gericht auf die Idee, dass Personen ohne sogenannte Coronaimpfung eine Gefahr darstellen würden?

Ist das Gericht etwa der dumm-dreisten Politikerlüge der „Pandemie der Ungeimpften“ auf den Leim gegangen? Wie sonst kommt es auf die Idee, dass eine „geimpfte“ Person, die sich nicht testen lässt, weniger gefährlich sei als eine „ungeimpfte“ Person, die sich nicht testen lässt?

Welche Expertise legt das Gericht dieser Annahme zu Grunde? Das Urteil lässt keinerlei Expertise erkennen – vielmehr Unwissenheit und gefährliche Behauptungen über Ungeimpfte. Ich nenne es Aberglaube.

Sodann zählt das Gericht die Gefahren auf, die von dem Kläger angeblich ausgegangen sein sollen, Zitat:

„Er hat in Kauf genommen, dass er die anderen Beschäftigten in seinem Arbeitsumfeld durch die bewusste Missachtung der Nachweispflicht aus § 28b Absatz 1 Satz 1 IfSG a.F. wegen der großen Ansteckungsgefahr des Corona-Virus einem erheblichen Gesundheitsrisiko aussetzt.“

Wie kommt das Gericht auf eine solche Idee? Weiß es nicht, dass von Ungeimpften keine größeren Gefahren ausgehen als von Geimpften und hat es vergessen dass der Kläger sich bereits hatte testen lassen und dies auch für die Zukunft nicht verweigert?

Aber es wird noch „besser“, Zitat:

„Daraus folgt, dass der Kläger bereit war, alle anderen Beschäftigten und Dritten, mit denen er in Kontakt gekommen ist und in Zukunft wäre, vorsätzlich in ihrer Gesundheit zu gefährden.“

Normalerweise hat einer Kündigung eine Abmahnung vorauszugehen. Eine Abmahnung ist aber entbehlrich, wenn das Fehlverhalten besonders schwerwiegend ist. Da meint das Gericht zu erkennen und doziert an dieser Stelle wieder über medizinische Ereignisse, welche es glaubt, einschätzen zu können, Zitat:

„Das hohe Infektionsrisiko mit gegebenenfalls schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen ist mit der nunmehr fast zwei Jahre andauernden Pandemielage jedermann bekannt.“

und, Zitat:

„Indem der Kläger einen gefälschten Impfnachweis verwendete, um über seinen Status zu täuschen und auf diese Weise die Nachweispflicht aus § 28b Absatz 1 Satz 1 IfSG a.F. zu umgehen, legte er ein hohes Maß an krimineller Energie an den Tag,“

Zur Erinnerung 1:

Wir haben es hier mit einem gesunden und ungefährlichen Mann zu tun, dem nicht nachgewiesen wurde einen Impfpass gefälscht zu haben, bei dem man aber einfach in jeder Hinsicht das Gegenteil annimmt bzw. behauptet und damit dann letztlich eine Abmahnung für entbehrlich hält und folglich die Kündigung als rechtmäßig ansieht.

Zur Erinnerung 2:

Es geht noch immer um ein arbeitsgerichtliches Verfahren – auch wenn der Klang des Urteils gegen Ende immer mehr einem Strafurteil ähnelt, Zitat:

„Dem steht die vom Kläger begangene erhebliche Pflichtverletzung und sein berechnendes und rücksichtsloses Verhalten, mit welchem er die Gesundheit der anderen Beschäftigten gefährdet hat, gegenüber. Der Kläger handelte mit einem hohen Maß an krimineller Energie. Sowohl im Vorfeld des Ausspruchs der Kündigung als auch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung hat sich der Kläger nicht zu seinem Fehler bekannt und auch keine ehrliche Reue für sein Verhalten gezeigt.“

Ich hatte beim Lesen der Urteilsbegründung das Gefühl, da habe sich jemand in Rage geschrieben. Das mag menschlich sein, gehört aber nicht in ein Urteil.

Treten wir mal einen Schritt zurück und gucken auf die nüchternen Fakten:

  1. Es ist nach wie vor nicht ansatzweise bewiesen, dass der Kläger einen Impfpass gefälscht hätte – es wurde kein Beweis darüber erhoben. Das Gericht nimmt dies lediglich an.
  2. Das Gericht unterstellt einen falschen Sachverhalt, wenn es annimmt, von Ungeimpften ginge eine größere Gefahr aus als von Geimpften. Warum macht das Gericht derartiges? Es sieht so aus, als habe es sich von der politischen und medialen Stimmungsmache vereinnahmen lassen.
  3. Warum malt das Gericht im Hinblick auf die Gefährlichkeit von SARS-CoV-2 den Teufel an die Wand? Viele Fachleute halten Covid nicht gefährlicher als eine mittelschwere Grippe. Sicher, das ist nicht ungefährlich, aber auch kein Sachverhalt, der unbekannt wäre.
  4. Es gab keinerlei Anzeichen dafür, dass der Kläger erkrankt gewesen sei. Er hat sich soagr testen lassen. Dennoch spricht das Gericht die ganze Zeit davon, dass von dem Kläger eine hohe Gefahr ausgegangen wäre. Von einem gesunden Menschen? Wie kommt das Gericht auf eine derart abwegige Idee? Liegt der Grund auch hier in der politischen und medialen Stimmungsmache gegen Ungeimpfte?
  5. Nach all dem muss man festhalten: Ein offenbar völlig gesunder und ungefährlicher Mann, der sogar einen Impfpass vorlegt, wird von einem Arbeitsgericht aufgrund unbewiesener Annahmen als gefährlich und kriminell bezeichnet und nach über 20 Jahren Betriebszugehörigkeit zudem die Kündigung durchgewunken, die ihm seine passive Altersteilzeit vorenthält.

Die Entscheidung des Gerichts:


Tenor

  1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die außerordentliche fristlose Kündigung vom 22.12.2021 aufgelöst worden ist. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

  2. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 51 % und die Beklagte 49 % zu tragen.

  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 11.049,57 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten im Wesentlichen über die Wirksamkeit einer außerordentlichen fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses.

Der Kläger ist bei der Beklagten beziehungsweise deren Rechtsvorgängern seit dem 12.11.2001 auf Grundlage des Arbeitsvertrags vom 30.10.2001 (Blatt 4 der Akte) als Servicemonteur, zuletzt mit einer monatlichen Bruttovergütung von etwa 3.400,00 € und einem (anteiligen) 13. Monatsentgelt von 1.398,26 €, angestellt. Auf das Arbeitsverhältnis finden die Tarifverträge für die gewerblichen Arbeitnehmer der Berliner Metallindustrie Anwendung.

Unter dem 14.03.2020 einigten sich die Parteien auf eine Altersteilzeitvereinbarung (Blatt 6 fortfolgende der Akte). Der aktive Teil der Altersteilzeit sollte vom 01.05.2020 bis zum 31.07.2022 dauern, die Passivphase bis zum 31.10.2024.

Mit E-Mail vom 20.11.2021 informierte die Betriebsleitung der Beklagten die Beschäftigten über die ab dem 24.11.2021 aufgrund der neuen Gesetzeslage geltende 3G-Pflicht am Arbeitsplatz. Die Führungskraft des Klägers, Frau X, informierte die ihr unterstellten Beschäftigten mit E-Mail vom 22.11.2021 erneut über diese Regelung (Blatt 47 der Akte).

Am 30.11.2021 erhielt Frau X eine E-Mail vom Absender Y mit dem Betreff „Test-Zertifikat von Z“ (Blatt 53 folgend der Akte). Beigefügt war dieser E-Mail eine Bestätigung der Frau Dr. med. XY über das Vorliegen eines negativen Corona-Testergebnisses des Klägers (Blatt 37 der Akte). Zudem sendete der Kläger per Mobiltelefon zwei Bilddateien mit QR-Codes für digitale Corona-Impfzertifikate an Frau X (Blatt 45 der Akte). Mit E-Mail vom 01.12.2021 wies Frau X den Kläger darauf hin, dass sie das Testzertifikat für nicht gültig erachte. Mit seiner Stellungnahme hierzu sendete der Kläger auch erneut die beiden Bilddateien mit den digitalen Impfzertifikaten an Frau X (Blatt 38 fortfolgende der Akte).

Beim Auslesen der QR-Codes mit der entsprechenden Prüf-App durch Frau X erschienen Nachweise für eine Corona-Erstimpfung am 12.10.2021 (Blatt 41 folgend der Akte) und für eine Corona-Zweitimpfung am 09.11.2021 (Blatt 43 folgend der Akte). Ein interner Abgleich mit den Stundenzetteln des Klägers für diese Tage ergab, dass er sich am 12.10.2021 im Außeneinsatz in W bei K und am 09.11.2021 im Rahmen eines Montageeinsatzes in I bei M war. Für diese Einsatztage waren jeweils Bruttoarbeitszeiten von mehr als neun Stunden vermerkt (Blatt 46 folgend der Akte).

Mit Schreiben vom 06.12.2021 forderte die Beklagte den Kläger zur Durchführung eines Anhörungsgesprächs am 10.12.2021 im Hinblick auf den Verdacht der Vorlage eines gefälschten Impfnachweises auf (Blatt 48 der Akte). Am Morgen des 10.12.2021 sagte der Kläger das Gespräch krankheitsbedingt ab. Mit Schreiben vom 10.12.2021 wurde der Kläger aufgefordert, bis zum 14.12.2021 schriftlich zu dem Verdacht Stellung zu nehmen. Das per Einschreiben mit Rückschein versendete Schreiben ging dem Kläger erst am 15.12.2021 zu. Nach mehreren Telefonaten am 16.12.2021, in denen der Kläger jeweils erklärte, kurzfristig keine Stellungnahme abgeben zu können, einigte er sich mit Frau YX, der verantwortlichen HR-Business-Partnerin, auf einen Termin für ein Anhörungsgespräch am 21.12.2021.

In diesem Gespräch, an dem neben dem Abteilungsleiter, Frau X und Frau YX auch der Vorsitzende des zuständigen Betriebsrats teilnahm, berief sich der Kläger darauf, nicht zur Vorlage seines Impfausweises verpflichtet zu sein. Der Kläger war nach einer entsprechenden Diskussion hierüber auch nicht bereit, die vorgelegten Impfzertifikate „zurückzuziehen“.

Der Betriebsrat wurde mit Schreiben vom 21.12.2021 angehört. Wegen des weiteren Inhalts der Anhörung wird auf Blatt 49 fortfolgende der Akte Bezug genommen. Der Betriebsrat hat den beabsichtigten Kündigungen jeweils mit Stellungnahme vom 22.12.2021 (Blatt 30 der Akte) widersprochen.

Sodann erklärte die Beklagte mit durch den Personalleiter Herrn Dr. ZX unterzeichnetem Schreiben vom 22.12.2021 (Blatt 29 der Akte) die fristlose Kündigung aus wichtigem Grund zum 31.12.2021 sowie hilfsweise die ordentliche Kündigung zum nächstzulässigen Zeitpunkt, dem 31.07.2022.

Mit seiner am 07.01.2022 erhobenen Klage wehrt sich der Kläger gegen die Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Ihm sei nicht bekannt gewesen, dass das von Frau Dr. XY angebotene Verfahren nicht anerkannt werde. Auch sei eine Impfung bundesweit möglich gewesen, was einem dringenden Verdacht entgegenstehe. Zur Vorlage des Impfausweises sei er jedenfalls nicht verpflichtet. Die Beklagte habe auch nicht berücksichtigt, dass er sich – was zwischen den Parteien unstreitig ist – mehrfach zu Dienstzwecken habe testen lassen. Die Unverhältnismäßigkeit der Kündigungsentscheidung ergebe sich jedenfalls im Hinblick auf die mehr als zwanzigjährige Betriebszugehörigkeit des Klägers und den Umstand, dass der aktive Teil der Altersteilzeit bereits weitgehend erfüllt gewesen sei. Zudem habe er das Impfzertifikat nur deswegen nicht „zurückgezogen“, weil er zu einer Selbstanzeige aufgefordert worden sei. Wegen dieser Drohung sei ohnehin auch die Anhörung nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden. Der Betriebsrat sei ebenfalls nicht vollständig informiert worden. Beispielsweise habe die Beklagte entlastende Umstände wie die vom Kläger regelmäßig durchgeführten Selbsttests nicht mitgeteilt. Der Betriebsrat sei auch nicht über die Dienstzeiten an den Impftagen und die Chronologie der Anhörung informiert worden. Die datenschutzrechtlichen Auskunftsansprüche mache er geltend, weil die Beklagte offenbar Daten von ihm speichere und gegen ihn verwende.

Mit Schriftsatz vom 01.04.2022 hat die Beklagte eine als „Auskunft nach Art. 15 DSGVO“ bezeichnete Unterlage zur Akte gereicht, von welcher der Kläger Abschriften erhalten hat.

Der Kläger beantragt nach Klagerücknahme im Übrigen

  1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die fristlose noch durch die hilfsweise ordentliche Kündigung vom 22.12.2021 aufgelöst worden ist beziehungsweise aufgelöst werden wird,

  2. die Beklagte zu verurteilen, ihm gemäß Artikel 15 der Datenschutzgrundverordnung darüber Auskunft zu geben,

    welche ihn betreffenden personenbezogenen Daten sie erhoben, gespeichert, verändert, verarbeitet, übermittelt und sonst genutzt hat;

    zu welchen Zwecken die Verarbeitung erfolgt ist,

    woher sie, soweit nicht vom Kläger selbst stammend, diese Daten bezogen hat

    und

    gegenüber welchen Empfängern sie die personenbezogenen Daten des Klägers offengelegt hat;

    wann die Löschung dieser Daten erfolgen wird beziehungsweise von der Beklagten beabsichtigt ist;

    sodann die Richtigkeit und Vollständigkeit der erteilten Auskunft an Eides statt zu versichern

    und schließlich dem Kläger eine Kopie dieser Daten gemäß der erteilten Auskunft zur Verfügung zu stellen.

Die Beklagte beantragt,

   die Klage abzuweisen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, insbesondere auf die wechselseitig ausgetauschten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist teilweise unzulässig. Soweit sie zulässig ist, ist sie nur teilweise begründet. Im Übrigen ist sie unbegründet.

  1. Die Klage ist unzulässig, soweit der Kläger eine Kopie der Daten gemäß der von der Beklagten erteilten Auskunft begehrt. Dem Antrag fehlt die erforderliche Bestimmtheit, § 253 Absatz 2 Nummer 2 der Zivilprozessordnung (ZPO). Denn die entsprechenden Daten sind nicht in einer Weise bezeichnet, dass im Vollstreckungsverfahren unzweifelhaft wäre, auf welche Daten sich die Verurteilung konkret bezieht. Da bei einer Verurteilung unklar wäre, auf welche Daten sich die Verurteilung zur Überlassung einer Kopie konkret bezöge, würde der Streit in vermeidbarer Weise in die Vollstreckung verlagert (vergleiche hierzu ausführlich Bundesarbeitsgericht (BAG), Urteil vom 27.04.2021 - 2 AZR 342/20 -, juris Randnummer 14 fortfolgende). Da die Beklagte dem Kläger die begehrte Auskunft erteilt hatte, wäre ihm auch eine genauere Bezeichnung der begehrten Daten möglich gewesen.

  2. Im Übrigen ist die Klage zulässig, aber nur im Hinblick auf die angegriffene fristlose Kündigung begründet.

    1. Die innerhalb der Frist von drei Wochen gemäß § 4 Satz 1 des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) erhobene Klage gegen die unter dem 22.12.2021 erklärte außerordentliche fristlose Kündigung ist begründet.

      Die am 23.12.2021 dem Kläger zugegangene Kündigung ist nicht innerhalb der zweiwöchigen Ausschlussfrist des § 626 Absatz 2 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ausgesprochen worden. Die Beklagte hat jedenfalls nicht hinreichend konkret zur Einhaltung der Ausschlussfrist vorgetragen.

      Nach § 626 Absatz 2 Satz 1 BGB kann eine außerordentliche Kündigung wirksam nur innerhalb von zwei Wochen erklärt werden. Diese Frist beginnt nach § 626 Absatz 2 Satz 2 BGB in dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt.

      Die Ausschlussfrist beginnt, wenn der oder die Kündigungsberechtigte eine zuverlässige und möglichst vollständige positive Kenntnis von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen hat und ihm oder ihr deshalb die Entscheidung über die Zumutbarkeit einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses möglich ist. Zu den maßgeblichen Tatsachen gehören sowohl die für als auch die gegen die Kündigung sprechenden Umstände. Ohne eine umfassende Kenntnis des oder der Kündigungsberechtigten vom Kündigungssachverhalt kann sein oder ihr Kündigungsrecht nicht verwirken. Wer Anhaltspunkte für einen Sachverhalt hat, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte, kann Ermittlungen anstellen und den Betroffenen oder die Betroffene anhören, ohne dass die Frist zu laufen beginnt. Es genügt nicht allein die Kenntnis des konkreten, die Kündigung auslösenden Anlasses, also des „Vorfalls“, der einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darstellen soll. Bei einer vom Arbeitgeber erklärten außerordentlichen Kündigung gehören auch solche Aspekte zum Kündigungssachverhalt, die für den Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin und gegen die Kündigung sprechen. Zudem gehört es zu den von dem oder der Kündigungsberechtigten zu ergründenden maßgeblichen Umständen, mögliche Beweismittel für eine ermittelte Pflichtverletzung zu beschaffen und zu sichern (vergleiche BAG, Urteil vom 01.02.2007 - 2 AZR 333/06 juris Randnummer 18 mit weiteren Nachweisen).

      Dies gilt allerdings nur solange, wie der Arbeitgeber aus verständlichen Gründen mit der gebotenen Eile Ermittlungen durchführt, die ihm eine umfassende und zuverlässige Kenntnis des Kündigungssachverhalts verschaffen sollen. Soll der Kündigungsgegner oder die Kündigungsgegnerin angehört werden, muss dies innerhalb einer kurzen Frist erfolgen. Sie darf im Allgemeinen nicht mehr als eine Woche betragen. Bei Vorliegen besonderer Umstände darf sie auch überschritten werden. Unerheblich ist, ob die Ermittlungsmaßnahmen tatsächlich zur Aufklärung des Sachverhalts beigetragen haben oder nicht. Gibt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer oder der Arbeitnehmerin die Möglichkeit zur Stellungnahme, so gereicht ihm dies hinsichtlich des Beginns der zweiwöchigen Ausschlussfrist deshalb auch dann nicht zum Nachteil, wenn der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin innerhalb angemessener Überlegungszeit keine Erklärung abgibt oder seine beziehungsweise ihre Stellungnahme rückblickend zur Feststellung des Sachverhalts nichts beiträgt (BAG, Urteil vom 20.03.2014 - 2 AZR 1037/12 -, juris Randnummer 14 mit weiteren Nachweisen).

      Dabei ist der Kündigungsberechtigte für die Einhaltung der Ausschlussfrist darlegungs- und beweispflichtig. Er muss darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass er von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen erst innerhalb der letzten zwei Wochen vor ihrem Ausspruch erfahren hat. Diese Darlegungspflicht ist nicht bereits erfüllt, wenn der Kündigende lediglich allgemein vorträgt, er kenne die Kündigungsgrund nicht länger als zwei Wochen vor Ausspruch der Kündigung. Er muss vielmehr die Umstände schildern, aus denen sich ergibt, wann und wodurch er von den maßgebenden Tatsachen erfahren hat. Um den Zeitpunkt, in dem der Wissensstand des Kündigungsberechtigten ausreicht, bestimmen zu können, und um es dem oder der Gekündigten zu ermöglichen, die behauptete Schilderung zu überprüfen und gegebenenfalls qualifiziert zu bestreiten, muss grundsätzlich angegeben werden, wie es zu der Aufdeckung des Kündigungsgrundes gekommen sein soll. Hat der Kündigungsberechtigte noch Ermittlungen durchgeführt, muss er hierzu weiter darlegen, welche Tatsachenbehauptungen unklar und daher ermittlungsbedürftig waren, und welche Maßnahmen er zur Klärung der Zweifel angestellt hat (BAG, Urteil vom 01.02.2007 - 2 AZR 333/06 juris Randnummer 21). Nach dieser Maßgabe hat die Beklagte nicht hinreichend konkret zur Wahrung der Ausschlussfrist des § 626 Absatz 2 Satz 1 BGB vorgetragen.

      Die Wahrung der Ausschlussfrist ergibt sich zunächst nicht bereits zweifelsfrei aus dem vorliegenden und hinsichtlich der zeitlichen Abläufe unstreitigen Sachverhalt. Denn der für die Kündigung maßgebliche Sachverhalt, also die vom Kläger eingereichten QR-Codes, die Ergebnisse des Auslesens dieser QR-Codes, und die Stundenzettel des Klägers für die vermeintlichen Impftage waren der Vorgesetzten des Klägers bereits am 01.12.2021 (oder jedenfalls am folgenden Tag) bekannt. Die Kündigung ging dem Kläger mindestens drei Wochen später zu.

      Es wurden von der Beklagten auch keine Umstände hinreichend konkret vorgetragen, aus denen geschlossen werden könnte, dass der Lauf der zweiwöchigen Ausschlussfrist erst nach dem 02.12.2021 begonnen haben könnte. Insbesondere hat sie nicht konkret dazu vorgetragen, dass noch Ermittlungen mit der gebotenen Eile durchgeführt worden sind. Denn eine Anhörung des Klägers sollte nach Maßgabe des Einladungsschreibens vom 06.12.2021 erst am 10.12.2021 und damit mehr als eine Woche nach Kenntnis des für die Kündigung maßgeblichen Sachverhalts stattfinden. Besondere Umstände, die ein Überschreiten der Wochenfrist hätten rechtfertigen können, sind weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. Es ist auch nicht konkret dazu vorgetragen, wann welche kündigungsberechtigte Person von dem Sachverhalt erstmals erfahren hat.

    2. Hinsichtlich der hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses ist die Klage jedoch unbegründet. Die Kündigung beendet das Arbeitsverhältnis zum 31.07.2022.

      Die Kündigung ist durch den Personalleiter der Beklagten Herrn Dr. ZY wirksam ausgesprochen worden. Die nicht weiter konkretisierte Rüge der Kündigungsberechtigung des Personalleiters durch den Kläger steht dem nicht entgegen, da ein Personalleiter, dessen Position nach außen im Betrieb ersichtlich ist, üblicherweise berechtigt ist, Arbeitsverhältnisse zu kündigen (vergleiche BAG, Urteil vom 25.09.2014 - 2 AZR 567/13 -, juris Randnummer 19). Anhaltspunkte, die eine andere Bewertung rechtfertigen könnten, hat der Kläger nicht vorgetragen.

      Die Kündigung ist nach Maßgabe des § 1 KSchG sozial gerechtfertigt. § 1 KSchG ist vorliegend nach Bestandsdauer des Arbeitsverhältnisses und Beschäftigtenanzahl der Beklagten anwendbar. Die Kündigung ist sozial gerechtfertigt, da sie durch Gründe, die im Verhalten des Klägers liegen, bedingt ist, § 1 Absatz 2 Satz 1 KSchG.

      Eine Kündigung ist im Sinne von § 1 Absatz 2 Satz 1 KSchG durch Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin bedingt und damit nicht sozial ungerechtfertigt, wenn er oder sie seine oder ihre vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt hat, eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht und dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin über die Kündigungsfrist hinaus in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile nicht zumutbar ist (vergleiche BAG, Urteil vom 15.12.2016 - 2 AZR 42/16 - juris Randnummer 11).

      Dabei ist vorliegend davon auszugehen, dass sich der Kläger nicht gegen das Coronavirus hat impfen lassen und gleichwohl der Beklagten nach In-Kraft-Treten der sogenannten 3G-Pflicht am Arbeitsplatz am 24.11.2021 gemäß § 28b Absatz 1 Satz 1 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) in der zwischen dem 24.11.2021 und 19.03.2022 geltenden Fassung (a.F.) gefälschte Impfzertifikate für zwei angeblich durchgeführte Corona-Impfungen vorgelegt hat. Denn dem entsprechenden Vortrag der Beklagten, auf den diese einen dringenden Verdacht gegründet hat, ist der Kläger nicht in erheblicher Weise entgegengetreten, weswegen er als zugestanden gilt, § 138 Absatz 3 ZPO. Insbesondere hat der Kläger im hiesigen Verfahren an keiner Stelle auch nur im Ansatz behauptet, tatsächlich geimpft zu sein. Stattdessen hat er sich auf allgemeine Ausführungen zur bundesweiten Verfügbarkeit von Corona-Impfungen beschränkt. Da die Durchführung der Impfungen aber in seinem Wahrnehmungsbereich lag, wäre für ein hinreichendes Bestreiten der Behauptungen der Beklagten eine eigene und konkrete Darstellung des Klägers mit näheren positiven Angaben zu den Umständen der vermeintlichen Impfungen erforderlich gewesen (vergleiche Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 22.10.2014 - VIII ZR 41/14 -, juris Randnummer 16). Diese Anforderungen erfüllt der klägerische Vortrag nicht.

      Es sind auch sonst keine berechtigten Gründe für die Weigerung des Klägers ersichtlich, konkret über das Ob sowie Ort und Zeit der vermeintlichen Impfungen vorzutragen. Entsprechender Sachvortrag hätte auch ohne Vorlage des Impfausweises erfolgen können.

      Die Kammer ist auch nicht gehindert, die erwiesene Pflichtwidrigkeit als Kündigungsgrund anzuerkennen. Wird die Kündigung zunächst nur mit dem Verdacht eines pflichtwidrigen Verhaltens begründet, steht jedoch nach der Überzeugung des Gerichts die Pflichtwidrigkeit fest, so lässt dies die Wirksamkeit der Kündigung aus materiell-rechtlichen Gründen unberührt (BAG, Urteil vom 23.06.2009 - 2 AZR 474/07 -, juris Randnummer 55).

      Mit der Vorlage eines gefälschten Impfnachweises in der Absicht, über die Erfüllung der Nachweispflicht aus § 28b Absatz 1 IfSG zu täuschen, hat der Kläger in erheblicher Weise gegen seine arbeitsvertragliche Nebenpflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen der Beklagten gemäß § 241 Absatz 2 BGB verstoßen (vergleiche zu einer fristlosen Kündigung wegen Vorlage eines gefälschten Impfnachweises Arbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 18.02.2022 - 11 Ca 5388/21 juris Randnummer 20).

      Nach § 241 Absatz 2 BGB ist jede Vertragspartei zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichtet. Der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin hat seine oder ihre Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis so zu erfüllen, seine oder ihre Rechte so auszuüben und die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitgebers so zu wahren, wie dies von ihm oder ihr unter Berücksichtigung seiner oder ihrer Stellung im Betrieb, seiner oder ihrer eigenen Interessen und der Interessen der anderen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen des Betriebs nach Treu und Glauben billigerweise verlangt werden kann (vergleiche BAG, Urteil vom 25.04.2018 - 2 AZR 611/17 juris Randnummer 44). Aus der Interessenwahrungspflicht folgt insbesondere die Pflicht des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin in den Grenzen seiner oder ihrer Möglichkeiten und der Zumutbarkeit, einen dem Betrieb oder den anderen Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen des Betriebs drohenden Schaden zu verhindern. Dies gilt in gesteigertem Maße bei erheblichen Gesundheitsgefahren (vergleiche Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14.04.2005 - 11 Sa 810/04 juris Randnummer 79; LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 08.10.2008 - 6 Sa 158/08 juris Randnummer 54; zur vertraglichen Rücksichtnahmepflicht des Arbeitnehmers aus § 241 Absatz 2 BGB während der Corona-Pandemie siehe Kleinebrink, NZA 2020, 1361 fortfolgende).

      Die Vorlage eines gefälschten Impfnachweises in der Absicht, die Nachweispflicht des § 28b Absatz 1 IfSG a.F. zu umgehen, stellt die Verletzung einer arbeitsvertraglichen Nebenpflicht dar. Zwar begründete § 28b Absatz 1 IfSG a.F. keine unmittelbaren arbeitsvertraglichen Pflichten des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin, sondern regelte allein die Voraussetzungen des Zutritts zur Arbeitsstätte. Nach § 28b Absatz 1 Satz 1 IfSG a.F. durften Beschäftigte Arbeitsstätten, in denen physische Kontakte von Arbeitgebern und Beschäftigten untereinander oder zu Dritten nicht ausgeschlossen werden können, nur betreten, wenn sie einen Impfnachweis, einen Genesenen-nachweis oder einen Testnachweis mit sich führten, zur Kontrolle verfügbar hielten oder bei dem Arbeitgeber hinterlegt hatten. Der Arbeitgeber durfte nur solche Personen beschäftigen, die keine Gefahr für andere darstellten und auf diese Weise so weit wie möglich vermeiden, dass sich seine Mitarbeiter mit dem Corona-Virus im Betrieb anstecken. Anderenfalls konnten Störungen im Betriebsablauf, Arbeits- und Produktionsausfälle durch Quarantäneanordnungen sowie Entgeltfortzahlungen wegen Erkrankungen mit Covid-19 drohen. Im letzteren Fall bestand zudem das Risiko einer Haftung des Arbeitgebers gemäß § 280 Absatz 1 BGB. Im Rahmen seiner Fürsorgepflicht nach § 618 Absatz 1 BGB traf den Arbeitgeber nämlich die Pflicht, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu treffen, um die Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen bei der Arbeit zu gewährleisten. Insoweit mussten Arbeitgeber nach § 28b Absatz 3 Satz 1 IfSG a.F. die Einhaltung der Nachweispflichten jedes und jeder Beschäftigten täglich überwachen und das Ergebnis regelmäßig dokumentieren. Nicht nur der Schutz der Beschäftigten und Kunden vor dem hohen Infektionsrisiko mit gegebenenfalls schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen sprach für ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers, sondern auch das drohende Bußgeld gemäß § 73 Absatz 1a Nr. 11d IfSG (vergleiche hierzu ausführlich Arbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 18.02.2022 - 11 Ca 5388/21 -, juris Randnummern 24 fortfolgende mit zahlreichen weiteren Nachweisen).

      Da die Verwendung von gefälschten Impfausweisen in der Pandemielage erhebliche Gefahren für den Gesundheitsschutz Dritter mit sich bringen kann, hat der Gesetzgeber zudem zielgerichtet die §§ 277 bis 279 des Strafgesetzbuches (StGB) zur Strafbarkeit des unbefugten Ausstellens sowie des Ausstellens und Gebrauchs unrichtiger Gesundheitszeugnisse geändert.

      Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze liegt auch im konkreten Fall eine erhebliche Pflichtverletzung des Klägers vor. Der Kläger hat seine arbeitsvertragliche Nebenpflicht zur Rücksichtnahme aus § 241 Absatz 2 BGB verletzt. Er hat in Kauf genommen, dass er die anderen Beschäftigten in seinem Arbeitsumfeld durch die bewusste Missachtung der Nachweispflicht aus § 28b Absatz 1 Satz 1 IfSG a.F. wegen der großen Ansteckungsgefahr des Corona-Virus einem erheblichen Gesundheitsrisiko aussetzt. Die Beklagte hatte ein berechtigtes Interesse daran, nur solchen Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen den Zutritt zum Arbeitsplatz zu gewähren, die ihrer nach § 28b Absatz 1 IfSG a.F. obliegenden Nachweispflicht nachkommen, um ihrer Schutzpflicht gegenüber den anderen Beschäftigten nachzukommen und einen ordnungsgemäßen Betriebsablauf zu sichern.

      Der Einwand des Klägers, aus einer Vorlage eines gefälschten Impfnachweises könne nicht geschlossen werden, er lasse sich nicht testen, verfängt nicht. Der Umstand, dass der Kläger am 30.11.2021 und erneut am 01.12.2021, nachdem der von ihm vorgelegte Testnachweis von der Vorgesetzten zurückgewiesen wurde, gefälschte Impfnachweise vorgelegt hat, lässt wegen des unmittelbaren zeitlichen Zusammenhangs keinen anderen Rückschluss zu, als dass der Kläger in der Absicht handelte, zukünftig ohne weitere (tägliche) Testung Zutritt zu der Arbeitsstätte zu erhalten. Das folgt aus dem Umstand, dass die Hinterlegung der Impfzertifikate freiwillig war; möglich wäre für alle Beschäftigten auch eine tägliche – anerkennungsfähige – Testvorlage gewesen.

      Daraus folgt, dass der Kläger bereit war, alle anderen Beschäftigten und Dritten, mit denen er in Kontakt gekommen ist und in Zukunft wäre, vorsätzlich in ihrer Gesundheit zu gefährden.

      Angesichts der Erheblichkeit des - arbeitsplatzunabhängigen - Pflichtverstoßes sind auch keine milderen Mittel, mit denen die Störung des Arbeitsverhältnisses beseitigt werden könnte, ersichtlich.

      Insbesondere war eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung auch ohne eine vorausgegangene Abmahnung nicht mehr zu erwarten.

      Eine Abmahnung ist entbehrlich, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach einer Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin erkennbar - ausgeschlossen ist. Die zweite Fallgruppe betrifft ausschließlich das Gewicht der in Rede stehenden Vertragspflichtverletzung, die für sich schon die Basis für eine weitere Zusammenarbeit irreparabel entfallen lässt. Die Schwere der Pflichtverletzung bemisst sich unabhängig von einer Wiederholungsgefahr. Die Schwere einer Pflichtverletzung kann nur anhand der sie beeinflussenden Umstände des Einzelfalls beurteilt werden, diese müssen aber die Pflichtwidrigkeit selbst oder die Umstände ihrer Begehung betreffen. Dazu gehören etwa ihre Art und ihr Ausmaß, ihre Folgen, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin sowie die Situation beziehungsweise das „Klima“, in der beziehungsweise in dem sie sich ereignete. Sonstige Umstände, die Gegenstand der weiteren Interessenabwägung sein können, wie etwa ein bislang unbelastetes Arbeitsverhältnis, haben bei der Prüfung der Schwere der Pflichtverletzung außer Betracht zu bleiben. Dies gilt umgekehrt ebenso für ein nachfolgendes wahrheitswidriges Bestreiten, das für sich genommen ebenfalls nichts über die Schwere der begangenen Pflichtverletzung besagt (vergleiche BAG, Urteil vom 20.05.2021 - 2 AZR 596/20 -, juris Randnummer 27).

      Entsprechend der vorgenannten Grundsätze war eine Abmahnung nach den Umständen des Einzelfalls entbehrlich. Die Pflichtverletzung war für den Kläger ohne weiteres erkennbar. Das hohe Infektionsrisiko mit gegebenenfalls schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen ist mit der nunmehr fast zwei Jahre andauernden Pandemielage jedermann bekannt. Durch die mediale Berichterstattung waren auch der betriebliche Infektionsschutz und die Einführung der 3G-Regelung am Arbeitsplatz in den Fokus der breiten Öffentlichkeit gerückt. Insofern handelt es sich um eine klare Rechtslage. Indem der Kläger einen gefälschten Impfnachweis verwendete, um über seinen Status zu täuschen und auf diese Weise die Nachweispflicht aus § 28b Absatz 1 Satz 1 IfSG a.F. zu umgehen, legte er ein hohes Maß an krimineller Energie an den Tag, welches das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien nachhaltig gestört hat. Der Kläger musste sich das Attest besorgen, überlegen, ob er es vorlegt, und es schließlich vorlegen. Es handelt sich um keine Spontanreaktion. Zudem hat der Kläger bis zuletzt seinen Fehler nicht eingestanden. Der Kläger hat durch sein berechnendes und rücksichtsloses Verhalten die Gesundheit der anderen Beschäftigten gefährdet.

      Insoweit kommt es hier wegen der Schwere der Pflichtverletzung weder auf eine Wiederholungsgefahr noch auf den bisherigen Verlauf des Arbeitsverhältnisses an.

      Auch die erforderliche Interessenabwägung fällt zu Lasten des Klägers aus. Die Interessen der Beklagten an der Auflösung des Arbeitsverhältnisses überwiegen das Interesse des Klägers an der Erhaltung seines Arbeitsplatzes.

      Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass der Kläger eine Betriebszugehörigkeit von rund 20 Jahren aufweist. Zudem befindet er sich wegen der zwischen den Parteien getroffenen Altersteilzeitvereinbarung nur noch bis zum 31.07.2022 in der Aktivphase. Für die Zeit bis zum 31.10.2024 sollte die Passivphase fortdauern. Eine darüber hinausgehende besondere soziale Betroffenheit des Klägers ist hingegen nicht feststellbar.

      Dem steht die vom Kläger begangene erhebliche Pflichtverletzung und sein berechnendes und rücksichtsloses Verhalten, mit welchem er die Gesundheit der anderen Beschäftigten gefährdet hat, gegenüber. Der Kläger handelte mit einem hohen Maß an krimineller Energie. Sowohl im Vorfeld des Ausspruchs der Kündigung als auch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung hat sich der Kläger nicht zu seinem Fehler bekannt und auch keine ehrliche Reue für sein Verhalten gezeigt. Einsicht und Reue hätten dabei auch ohne Weiteres gezeigt werden können, ohne dass sich der Kläger selbst bei der Staatsanwaltschaft anzeigt.

      Im Ergebnis ist angesichts der Schwere der Pflichtverletzung des Klägers und der damit einhergehenden Zerstörung des Vertrauensverhältnisses mit der Beklagten dieser die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über den 31.07.2022 hinaus nicht zumutbar, auch wenn mit diesem Tag die Aktivphase in der Altersteilzeit des Klägers endet.

      Die dem Kläger ausgesprochene Kündigung scheitert schließlich auch nicht an einer nicht ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats vor Kündigungsausspruch nach § 102 Absatz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG). Der im Betrieb gebildete Betriebsrat wurde von der Beklagten vielmehr mit Schreiben vom 21.12.2021 ausführlich über sämtliche Aspekte der gegenüber dem Kläger beabsichtigten Kündigung informiert.

      Soweit sich der Kläger darauf beruft, dem Betriebsrat hätten auch Umstände wie die vom Kläger vorgenommenen Selbsttests sowie die Dienstzeiten an den angeblichen Tagen der Impfungen mitgeteilt werden müssen, handelt es sich bei den entsprechenden Informationen nicht um einen für die Kündigungsentscheidung erheblichen Sachverhalt, da diese aufgrund der Vorlage eines gefälschten Impfnachweises und der damit verursachten Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses erfolgte.

      Der ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats steht auch nicht entgegen, dass die Anhörung im Hinblick auf den Verdacht einer Pflichtverletzung erfolgte, die Kündigung sich aber wegen der erwiesen Tat als sozial gerechtfertigt erweist. Die Anerkennung einer nachgewiesen Pflichtwidrigkeit als Kündigungsgrund ist jedenfalls dann nicht ausgeschlossen, wenn dem Betriebsrat – wie vorliegend erfolgt – alle Tatsachen mitgeteilt worden sind, die nicht nur den Verdacht, sondern den Tatvorwurf selbst begründen. Dem Normzweck des § 102 BetrVG ist bei einer solchen Sachlage Genüge getan (vergleiche BAG, Urteil vom 23.06.2009 - 2 AZR 474/07 -, juris Randnummer 59).

    3. Hinsichtlich des geltend gemachten Auskunftsanspruchs ist die Klage unbegründet. Der Auskunftsanspruch des Klägers gemäß Artikel 15 Absatz 1 der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) ist durch die mit Schriftsatz der Beklagten vom 01.04.2022 gegenüber dem Kläger erteilten Auskunft durch Erfüllung erloschen, § 362 Absatz 1 BGB.

      Auch ein Anspruch auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung besteht nicht, da der Kläger keinen hierfür erforderlichen Grund nach Maßgabe des § 259 Absatz 2 BGB vorgetragen hat. Für einen Verdacht der Unvollständigkeit oder mangelnden Sorgfalt ist nichts ersichtlich.

  3. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 46 Absatz 2 des Arbeitsgerichtsgesetzes (ArbGG), 91 Absatz 1, 269 Absatz 3 Satz 2 ZPO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 61 Absatz 1 ArbGG, 42 Absatz 2, 44 des Gerichtskostengesetzes (GKG), 3 ff. ZPO. Für die datenschutzrechtlichen Ansprüche hat das Gericht einen Wert von 500,00 € zu Grunde gelegt.