In einem Unternehmen mussten sich im Juni 2020 Mitarbeiter Coronatests unterziehen. Da 1.413 von 6.139 Tests positiv waren, verfügte der Landrat die Schließung des Betriebs. Das Unternehmen zahlte Arbeitnehmern eine Entschädigung wegen Verdienstausfalls.
Der Mitarbeiter, um den es in der Klage geht, war jedoch keineswegs krank, musste sich aber dennoch in häusliche Quarantäne begeben und konnte daher nicht zur Arbeitsstelle erscheinen.
Da der Landrat für die Schließung verantwortlich war, verlangte das Unternehmen eine Kompensation für die Entschädigung wegen Verdienstausfalls vom Land Nordrhein-Westfalen, insgesamt 2.801,18 €. Das Land verweigerte die Zahlung mit der Begründung, es könne (Rn. 20)
„keine Entschädigung des Verdienstausfalls“ (…) gewährt werden, da (das Unternehmen) (…) Hygienevorgaben verletzt habe.“
Daraufhin klagte das Unternehmen vor dem VG Minden, unterlag jedoch, und das Gericht gab dem beklagten Land Recht.
Wie viele Gerichte unterstellt auch das VG Minden unkritisch Sachverhalte, die unzutreffend sind. Das ist besonders bei einem Verwaltungsgericht problematisch, weil dieses – anders als im Zivilprozess – den Auftrag hat, den tatsächlichen Sachverhalt herauszufinden.
Stattdessen stellt das Gericht an mehreren Stellen einen positiven Corona-Test mit einer Infektion gleich, und das, obwohl – wie bereits damals bekannt war – ein positiver Test keine Infektion nachweist (Zitat, Urteil, Rn. 9):
„Im Rahmen einer am 16. Juni 2020 durchgeführten Reihentestung stellte das Gesundheitsamt des Kreises Gütersloh bei 730 von 1.106 Abstrichen von in der „Zerlegung“ auf dem Werksgelände der Unternehmensgruppe U. in Rheda-Wiedenbrück tätigen Personen einen positiven Befund auf das Coronavirus SARS-CoV-2 fest. Bis zum 21. Juni 2020 wurde bei 1.413 von 6.139 Untersuchungen von auf dem Betriebsgelände tätigen Personen eine Infektion festgestellt.“
An anderer Stelle:
„… dort wurde am 16. Juni 2020 eine Vielzahl von mit dem Coronavirus infizierten Kollegen festgestellt.“
Das Gericht versagt dem Kläger sein Begehr, weil es der Meinung ist, er habe arbeitsschutzrechtliche Pflichten verletzt. Dabei geht es nicht nur um eine Tatsachenfrage, sondern auch um eine Rechtsfrage. Konkret meint das Gericht, es seien nicht alle SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandards des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales eingehalten worden. In diesem Zusammenhang ist zu vermissen, dass sich das Gericht mit der Frage auseinandersetzt, ob diese Standards überhaupt tauglich sind, das angestrebte Ziel zu erreichen. Je untauglicher, desto geringer wiegt also der vermeintliche Verstoß. Damit setzt sich das Gericht nicht im Ansatz auseinander. Stattdessen führt es aus:
„Nach Auswertung der vorliegenden Unterlagen geht die Kammer jedoch davon aus, dass nicht alle Schutzmaßnahmen konsequent um- bzw. durchgesetzt wurden. So wurden insbesondere das Abstandsgebot bzw. Schutzalternativen wie das Anbringen von Abtrennungen oder das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung nicht eingehalten (vgl. Nr. 1 SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandards i.V.m. der Ergänzung der Gefährdungsbeurteilung für die Fleischwirtschaftsbranche sowie die Vorgaben zur Verhaltensweise in den Produktionsbereichen des Hygienekonzepts zur Corona-Risiko-Minimierung).“
Immerhin:
„Darüber hinaus fehlt es an konkreten Anhaltspunkten dafür, dass von der Klägerin weitere Gesundheits- und Arbeitsschutzvorschriften verletzt worden sind.“
Vergegenwärtigt man sich, welche geringe Aussagekraft ein Coronatest hat und dass er (weder PCR- noch Schnelltest) nicht geeignet ist, eine Coronainfektion nachzuweisen, dann erstaunt, dass diese Tests für den Landrat ausreichender Anlass waren, den Betrieb sogar zu schließen (Rn. 12).
Weitere Folge: Die positiv getesteten Mitarbeiter mussten in häusliche Quarantäne und zusätzlich alle, die im selben Haushalt wohnten (Rn. 13).
Bemerkenswert ist der Auszug eines Aktenvermerks der Bezirksregierung:
„In dem Aktenvermerk vom selben Tag hielt die Bezirksregierung einerseits fest, dass keine Infektionen möglich gewesen wären, wenn alle dort arbeitenden Mitarbeiter eine „geeignete“ Mund-Nasen-Bedeckung korrekt getragen hätten.“
Woher die Bezirksregierung diese Sicherheit nahm, weiß nur sie selbst.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht das beklagte Land vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Erstattung der an ihren Arbeitnehmer B. als Verdienstausfallentschädigung bezeichneten Zahlung.
Bei der Klägerin handelt es sich um eine Gesellschaft der U. Unternehmensgruppe, die Schlacht- und Zerlegearbeiten durchführt. Firmensitz und einzige Betriebsstätte befinden sich „J. in 33378 Rheda-Wiedenbrück“.
Am 15. Mai 2020 kontrollierte die Gewerbeaufsicht der Bezirksregierung Detmold, „ob und wie die vorgeschriebenen SARS-CoV-2 Arbeitsschutzstandards des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) in der U. I. ApS & Co. KG umgesetzt worden sind.“ Bei der U. I. ApS & Co. KG handelt es sich um die I. -Gesellschaft der U. Unternehmensgruppe, die (ebenfalls) am Standort „J. in 33378 Rheda-Wiedenbrück“ ihren Firmensitz hat. Bei der Begehung wurden ausweislich des Anhörungsschreibens der Bezirksregierung Detmold vom 18. Mai 2020 alle Abteilungen und Bereiche des Schlachthofes, „inklusive der von der U1. D. GmbH und U. M.GmbH & Co. KG genutzten Räumlichkeiten besichtigt“. Dazu wurde festgehalten, dass das von der U. Unternehmensgruppe erstellte Hygienekonzept „sich im absoluten Einklang mit den Arbeitsschutzstandards des BMAS befindet“. Allerdings werde das Konzept nicht in allen Bereichen umgesetzt, insbesondere hinsichtlich des Tragens einer Mund-Nasen-Bedeckung und des Einhaltens von Abständen in der Kantine.
Am 29. Mai 2020 kontrollierte die Gewerbeaufsicht der Bezirksregierung Detmold, „ob die am 15.05.20 bei einer Betriebsbegehung festgestellten Mängel beseitigt wurden“. Aufgesucht wurden ausweislich eines Aktenvermerks der Bezirksregierung Detmold vom selben Tag „die Betriebsbereiche der Unternehmensgruppe, in denen die zum Teil gravierenden Mängel in Bezug auf die SARS-CoV-2 Arbeitsschutzstandards festgestellt worden waren“. Zusammenfassend kam die Bezirksregierung u.a. zu dem Ergebnis, dass die BMAS SARS-CoV-2 Arbeitsschutzstandards in der Unternehmensgruppe fast vollständig erfüllt seien. Viele Maßnahmen zur Einhaltung der Arbeitsschutzstandards würden bereits erfolgreich umgesetzt. Die vormals aufgezeigten Mängel seien beseitigt worden oder zumindest soweit beseitigt worden, dass die SARS-CoV-2 Arbeitsschutzstandards eingehalten seien. Dauerhafte Lösungen seien in der Planung und Umsetzung.
Der Arbeitnehmer H1. -F. B. hat ausweislich des vorliegenden Arbeitsvertrags am 1. Juni 2005 seinen Dienst bei der C. . G. GmbH & Co.KG angetreten - der Rechtsvorgängerin der Klägerin. Nach § 2 Arbeitsvertrag wird er als Arbeiter eingestellt und mit allen einschlägigen Arbeiten nach näherer Anweisung der Betriebsleitung und seiner Vorgesetzten beschäftigt. Er ist verpflichtet, auch andere zumutbare Tätigkeiten zu verrichten. § 3 Arbeitsvertrag bestimmt u.a., dass die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit ohne Pausen 40 Stunden beträgt.
Im Juni/Juli 2020 war er nach Angaben der Klägerin bei dieser als Produktionsmitarbeiter in der „Zerlegung“ eingesetzt. Dort war er u.a. für die Organisation der Abteilung „Schinken“ in der Frühschicht verantwortlich. Er war insoweit zuständig für die Verwiegung und den reibungslosen Transport der Schinken in die Spaltschinkenabteilung sowie für die Versandbetreuung und Bereitstellung diverser Hilfsstoffe für die Schinkenabteilung.
Bis Oktober 2020 hat die U. Unternehmensgruppe ihren Mitarbeitern keine Mitarbeiterunterkünfte zur Verfügung gestellt. Die Gruppe hat ihren Mitarbeitern auch keine Unterkünfte vermittelt oder Gemeinschaftsunterkünfte betrieben. Ebenso wurden Fahrten von der Wohnstätte der Arbeitnehmer zum Betrieb und zurück nicht durch die U. Unternehmensgruppe organisiert.
Im Rahmen einer am 16. Juni 2020 durchgeführten Reihentestung stellte das Gesundheitsamt des Kreises Gütersloh bei 730 von 1.106 Abstrichen von in der „Zerlegung“ auf dem Werksgelände der Unternehmensgruppe U. in Rheda-Wiedenbrück tätigen Personen einen positiven Befund auf das Coronavirus SARS-CoV-2 fest. Bis zum 21. Juni 2020 wurde bei 1.413 von 6.139 Untersuchungen von auf dem Betriebsgelände tätigen Personen eine Infektion festgestellt.
Für Herrn B. war das Ergebnis der ersten erfassten Testung negativ.
Der Landrat des Kreises Gütersloh ordnete am 17. Juni 2020 zunächst mündlich die Schließung des Betriebsstandorts der U. Unternehmensgruppe in Rheda-Wiedenbrück an. Unter dem 10. August 2020 bestätigte er gegenüber der U. I. ApS & Co. KG die Allgemeinverfügung zur Schließung des Betriebs der Unternehmensgruppe U. am Betriebsstandort „J. , 33378 Rheda-Wiedenbrück“ schriftlich. Untersagt wurden alle betrieblichen Tätigkeiten auf dem Betriebsstandort, soweit sie nicht ausnahmsweise zugelassen wurden (Ziffer 1). Auf Antrag konnten Ausnahmen von der angeordneten Betriebsschließung durch den Kreis Gütersloh verfügt werden. Dies galt insbesondere für Tätigkeiten auf dem Betriebsgelände, die erforderlich waren, um eine geordnete Schließung des Betriebsstandorts zu ermöglichen und für Tätigkeiten im Rahmen sogenannter Arbeitsquarantäne in einzelnen Betriebsbereichen (Ziffer 4). Dazu führte der Kreis Gütersloh zur Begründung aus, dass mit der Betriebsschließung im Wege von Einzelausnahmen das Betreten verschiedener Teile des Betriebsstandorts für einen vorrübergehenden Zeitraum zugelassen worden seien, um eine geordnete Schließung des Betriebsstandorts zu ermöglichen. Der letzte Ausnahmezeitraum habe am 21. Juni 2020 um 23:00 Uhr geendet. Zudem seien über Einzelausnahmen in einzelnen Betriebsbereichen Tätigkeiten im Rahmen sogenannter Arbeitsquarantäne erlaubt worden.
Mit Allgemeinverfügung zur fortbestehenden Schließung und den Voraussetzungen einer schrittweise möglichen Wiederaufnahme des Betriebs der Unternehmensgruppe U. am Betriebsstandort „J. , 33378 Rheda-Wiedenbrück“ vom 2. Juli 2020 verfügte der Bürgermeister der Stadt Rheda-Wiedenbrück eine weitere Schließung bis zum 17. Juli 2020. Untersagt wurde alle betrieblichen Tätigkeiten auf dem Betriebsstandort, soweit sie nicht in der Verfügung ausnahmsweise zugelassen wurden. Insoweit wurden „im zwingend erforderlichen Umfang“ Einzelausnahmen in einzelnen Betriebsbereichen (z.B. Standortverwaltung, Geschäftsleitung, Reinigung, Sicherheit) im Rahmen sogenannter Arbeitsquarantäne erlaubt und in „begründeten Einzelfällen“ auf Antrag Ausnahmen erteilt.
Mit Allgemeinverfügung zur Absonderung in sog. häusliche Quarantäne vom 18. Juni 2020 ordnete der Landrat des Kreises Gütersloh in Ziffer 1 die Absonderung in häusliche Quarantäne gegenüber allen im „Betrieb der Firma U. “ in Rheda-Wiedenbrück in der Produktion tätigen Personen an. Ziffer 2 enthielt einen Ausnahmetatbestand für alle seit dem 16. Juni 2020 durch Beauftragte des Gesundheitsamts negativ getesteten Personen, die auch bei Erhalt des Testergebnisses noch keinerlei Symptome aufwiesen. Gleichzeitig wurde der Fall geregelt, dass der Betroffene zwar negativ getestet worden ist, aber im Rahmen der Kontaktnachverfolgung als Kontaktperson der Kategorie 1 nach den Kriterien des Robert-Koch-Instituts ermittelt wurde. In diesem Fall sollte das Gesundheitsamt mitteilen, bis wann die Absonderung zu erfolgen hat.
Mit Allgemeinverfügung zur Absonderung in sog. häusliche Quarantäne vom 20. Juni 2020 hob der Landrat des Kreises Gütersloh die Allgemeinverfügung vom 18. Juni 2020 auf und ordnete für alle auf dem „Betriebsgelände der Firma U. “ in Rheda-Wiedenbrück tätigen Personen die Absonderung in häusliche Quarantäne bis zum 2. Juli 2020, 24:00 Uhr, an. Zugleich erließ er Ausnahmeregelungen für die sog. Arbeitsquarantäne für bestimmte Personengruppen. So durften z.B. im „notwendigen Umfang“ Personen in den Bereichen Standortverwaltung, Geschäftsführung, Reinigung und Sicherheit weiterhin arbeiten. Bis (spätestens) 21. Juni 2020, 23:00 Uhr waren auch Tätigkeiten zur Entsorgung der Schlachtabfälle und Konfiskaten zulässig.
Mit Allgemeinverfügung zum Schutz der Bevölkerung vor der Verbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 gegenüber im „Betrieb der Firma U. “ am Standort „J. , 33378 Rheda-Wiedenbrück“ tätigen und mit ihnen in häuslicher Gemeinschaft lebenden Personen durch Absonderung in häuslicher Quarantäne vom 1. Juli 2020 ordnete das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen (MAGS) ab dem 3. Juli 2020, 00:00 Uhr gegenüber allen Personen, die im Zeitraum vom 3. Juni 2020 bis zum 17. Juni 2020 an mindestens einem Tag auf dem „Betriebsgelände der Firma U. “ am Standort „J. , 33378 Rheda-Wiedenbrück“ tätig waren, unabhängig davon, ob sie unmittelbar bei dieser Firma, einem Subunternehmer oder einer Leiharbeitsfirma angestellt sind oder für diese tätig waren, die Absonderung in häusliche Quarantäne bis zum 17. Juli 2020, 24.00 Uhr an. Zugleich erließ das MAGS Ausnahmeregelungen für eine sog. Arbeitsquarantäne für bestimmte Personengruppen.
Bereits am 20. Juni 2020 führte die Gewerbeaufsicht der Bezirksregierung Detmold eine „Technische Kontrolle zur Ursachenforschung der Coronainfektion“ auf dem Gelände der U. Unternehmensgruppe durch. In dem Aktenvermerk vom selben Tag hielt die Bezirksregierung einerseits fest, dass keine Infektionen möglich gewesen wären, wenn alle dort arbeitenden Mitarbeiter eine „geeignete“ Mund-Nasen-Bedeckung korrekt getragen hätten. Andererseits wurde in dem Vermerk ausgeführt, dass hierbei allerdings zu berücksichtigen sei, dass eine einfache Mund-Nasen-Bedeckung ohne Zertifizierung (wie die bisher verwendete sog. Astrohaube) nicht ausreiche, um sich bei den (vorhandenen) Arbeits- und Umgebungsbedingungen wirkungsvoll gegen das Coronavirus zu schützen. Im Übrigen wurden weitere Infektionsmöglichkeiten in den Blick genommen und das Ausbruchsgeschehen auf multifaktorielle Ursachen zurückgeführt.
Herr B. befand sich (jedenfalls) vom 20. Juni bis zum 16. Juli 2020 in häuslicher Absonderung. Eine Arbeitsquarantäne war nicht für ihn angeordnet.
Am 17. Juli 2020 stellte die Klägerin unter der Vorgangsnummer „20-SE-LWL-000-733-800-717“ beim M. einen Antrag auf Ausgleich des Verdienstausfalls aufgrund eines behördlich angeordneten Tätigkeitsverbots oder einer Absonderung nach § 56 Abs. 1 IfSG für den Arbeitnehmer H1. -F. B. für den Zeitraum vom 20. Juni bis zum 30. Juni 2020. Die Klägerin bestätigte, dass der vorgenannte Arbeitnehmer während der Absonderung keine Möglichkeit gehabt habe, die Arbeit zur Gänze von zu Hause auszuüben. Der Arbeitnehmer habe während der Absonderung keine Lohnfortzahlung nach § 616 BGB oder nach § 19 BBiG erhalten. Der Arbeitnehmer sei während der Absonderung nicht arbeitsunfähig krank gewesen und habe im Vorfeld keinen genehmigten Urlaub gehabt. Auch sei der Arbeitnehmer während der Absonderung nicht arbeitsbefreit aufgrund eines kranken Kindes nach § 45 SGB V gewesen. Die Klägerin bestätigte ferner, dass der Arbeitnehmer über das angegebene Einkommen hinaus kein weiteres Einkommen aus Arbeitslosengeld I, Zuschuss-Wintergeld, Ersatztätigkeit, Kurzarbeitergeld oder Arbeitgeber-Zuschüssen bezogen habe und er keine anderen Arbeitstätigkeiten im betroffenen Zeitraum habe durchführen können bzw. keine Möglichkeit zu anderen Arbeitstätigkeiten böswillig unterlassen habe.
Am 27. August 2020 stellte die Klägerin unter der Vorgangskennung „20-SE-LWL-001-011-660-827“ einen weiteren Erstattungsantrag für den Absonderungszeitraum vom 1. Juli bis zum 16. Juli 2020.
Mit Bescheid vom 10. März 2021 lehnte der M1. die unter der Vorgangsnummer „20-SE-M1. -000-733-800-717“ zusammengefassten Anträge auf Erstattung einer Verdienstausfallentschädigung ab. Der Klägerin könne „keine Entschädigung des Verdienstausfalls“ für den Arbeitnehmer H1. -F. B. für den Zeitraum vom 20. Juni bis zum 16. Juli 2020 gewährt werden, da sie beim Einsatz ihres Arbeitnehmers Gesundheits- und Arbeitsschutzvorschriften, insbesondere Hygienevorgaben verletzt habe. Aus diesem Grund habe der Arbeitnehmer einen Lohnfortzahlungsanspruch gegen die Klägerin als Arbeitgeberin, sodass ein Verdienstausfall i.S.v. § 56 Abs. 1 IfSG und damit ein entsprechender Erstattungsanspruch nicht vorlägen. Zudem sei der Betrieb, in dem der Arbeitnehmer eingesetzt gewesen sei, vom 16. Juni 2020 bis zum 17. Juli 2020 aufgrund behördlicher Anordnung geschlossen gewesen. Ein Einsatz des Arbeitnehmers sei somit bereits aus betrieblichen Gründen nicht möglich gewesen. Im Zeitraum der Betriebsschließung habe bereits aus diesem Grund kein Verdienstausfall vorgelegen, da der Arbeitnehmer einen Lohnfortzahlungsanspruch gegen die Klägerin als Arbeitgeberin gehabt habe, sodass ein möglicher Entschädigungsanspruch entfalle.
Die Klägerin hat am 22. März 2021 Klage erhoben.
Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, dass der Anspruch insbesondere nicht wegen Verstößen gegen Gesundheits- und Arbeitsvorschriften oder Hygienevorgaben ausgeschlossen sei. Seit Beginn der Pandemie seien im Unternehmen an den Stand der Wissenschaft angepasste Hygienekonzepte erarbeitet und umgesetzt worden. Überdies sei der erforderliche Kausalzusammenhang zwischen der Absonderungsanordnung und dem Verdienstausfall gegeben. Ein Ausschluss dieses Kausalzusammenhangs wäre nach den herrschenden Kausalitätstheorien nur gegeben, wenn ein späteres Ereignis die Fortführung der ursprünglichen Bedingung beseitigt und seinerseits allein unter Eröffnung einer neuen Ursachenreihe den Erfolg herbeigeführt hätte. Um die Kausalität der Absonderungsanordnung zu unterbrechen, hätte vorliegend der Arbeitnehmer B. seine Arbeitsleistung allein aufgrund der Betriebsschließung als späteres Ereignis und Ursache nicht erbringen können dürfen. Dies sei allerdings vorliegend unzutreffend. Herr B. sei aufgrund der behördlichen Absonderungsanordnung nicht in der Lage gewesen, seine Leistung irgendwo anzubieten, auch bei keinem anderen Betrieb oder Arbeitgeber.
Die Klägerin beantragt,
das beklagte Land unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 10. März 2021 zu verpflichten, ihr für den Arbeitnehmer B. für den Zeitraum vom 20. Juni 2020 bis zum 16. Juli 2020 eine Entschädigung in Höhe von 1.766,05 Euro (Netto-Verdienstausfall) zuzüglich 1.035,13 Euro geleisteter Sozialabgaben zu bewilligen,
sowie auf diesen Betrag Zinsen i.H.v. 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
Das beklagte Land beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es trägt im Wesentlichen vor, dass es für den geltend gemachten Anspruch an einem Verdienstausfall seitens des Arbeitnehmers B. fehle, da diesem gegen die Klägerin als Arbeitgeberin ein Lohnfortzahlungsanspruch zustehe. Die Voraussetzungen von § 616 BGB lägen mit Blick auf die Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers seit dem 1. Juni 2005 vor. Darüber hinaus stehe dem Arbeitnehmer aufgrund der behördlich angeordneten Schließung des Betriebsstandorts ein Vergütungsanspruch wegen der Regelung des § 615 Sätze 1 und 3 BGB zu, da die Schließung dem Betriebsrisiko der Klägerin als Arbeitgeberin zuzuordnen sei. Der Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers bestehe außerdem gemäß § 615 Sätze 1 und 3 BGB wegen der Verletzung von Gesundheits- und Arbeitsschutzvorschriften durch die Klägerin als Arbeitgeberin. Ungeachtet dessen liege der erforderliche Kausalzusammenhang zwischen der Absonderung und dem - behaupteten - Verdienstausfall nicht vor. Der Arbeitnehmer hätte auch ohne Absonderungsanordnung wegen der behördlich angeordneten Betriebsschließung am Betriebsstandort in Rheda-Wiedenbrück nicht eingesetzt werden können.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Akten.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid des M1. vom 10. März 2021 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Ihr steht weder ein Anspruch auf Erstattung der an ihren Arbeitnehmer H1. -F. B. gezahlten Verdienstausfallentschädigung für den Zeitraum vom 20. Juni bis zum 16. Juli 2020 zu (A.), noch hat sie einen Anspruch auf die geltend gemachten Prozesszinsen ab Rechtshängigkeit (B.), § 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 VwGO.
A. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Bewilligung einer Erstattung der an ihren Arbeitnehmer B. geleisteten Aufwendungen aus § 56 Abs. 1 Sätze 1 und 2 i.V.m. Abs. 5 IfSG.
I. Anzuwenden ist insoweit § 56 IfSG in der vom 23. Mai bis zum 18. November 2020 gültigen Gesetzesfassung,
vgl. dazu im Einzelnen z.B.: VG Minden, Urteil vom 26. Januar 2022 - 7a K 424/21 -, juris Rn. 39 ff., m.w.N.,
denn der maßgebliche Anspruch des Arbeitnehmers, der hier durch die Klägerin als Arbeitgeberin geltend gemacht wird (§ 56 Abs. 5 Sätze 1 und 2 IfSG), wäre - wenn die Anspruchsvoraussetzungen vorlägen - jedenfalls zu diesem Zeitpunkt bereits entstanden. Dies ergibt sich aus der damals gültigen Fassung des § 56 Abs. 6 Satz 1 IfSG, der im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung auch unverändert fort gilt. Danach richtet sich die Fälligkeit der Entschädigungsleistungen bei Arbeitnehmern nach der Fälligkeit des aus der bisherigen Tätigkeit erzielten Arbeitsentgelts. § 614 BGB bestimmt dabei, dass die Vergütung nach der Leistung der Dienste zu entrichten ist (Satz 1) und dass, soweit die Vergütung nach Zeitabschnitten bemessen ist, diese nach dem Ablauf der einzelnen Zeitabschnitte zu entrichten ist (Satz 2). Die Klägerin hatte mit ihrem Arbeitnehmer einen Stundenlohn und eine wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden vereinbart. Daher wurde der Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers zum Ende jeder Arbeitswoche fällig, ungeachtet des Umstandes, dass ausweislich der vorgelegten Lohnabrechnungen offensichtlich eine monatliche Abrechnung/Auszahlung erfolgte.
Vgl. dazu auch: Maties, in: BeckOGK, BGB, 1. August 2022, § 614 Rn. 54 f.
Da der letzte Absonderungstag, für den Erstattung beansprucht wird, der 16. Juli 2020 (Donnerstag) gewesen ist, war der Anspruch spätestens zu Beginn der nächsten Woche am 20. Juli 2020 fällig und damit auch jedenfalls entstanden. Insoweit braucht nicht entschieden werden, ob der Entschädigungsanspruch des Arbeitnehmers bereits zum Zeitpunkt der Absonderung entstanden sein könnte, da die im Zeitpunkt der Fälligkeit gültige Fassung bereits während der Absonderung galt.
II. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 56 Abs. 1 i.V.m. Abs. 5 IfSG liegen nicht vor.
Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 IfSG erhält eine Entschädigung in Geld, wer auf Grund dieses Gesetzes als Ausscheider, Ansteckungsverdächtiger, Krankheitsverdächtiger oder als sonstiger Träger von Krankheitserregern im Sinne von § 31 Satz 2 IfSG Verboten in der Ausübung seiner bisherigen Erwerbstätigkeit unterliegt oder unterworfen wird und dadurch einen Verdienstausfall erleidet. Das Gleiche gilt nach § 56 Abs. 1 Satz 2 IfSG für Personen, die als Ausscheider, Ansteckungsverdächtige oder Krankheitsverdächtige abgesondert wurden oder werden, bei Ausscheidern jedoch nur, wenn sie andere Schutzmaßnahmen nicht befolgen können.
Satz 3 des § 56 Abs. 1 IfSG bestimmt zudem, dass eine Entschädigung nach den Sätzen 1 und 2 nicht erhält, wer durch Inanspruchnahme einer Schutzimpfung oder anderen Maßnahme der spezifischen Prophylaxe, die gesetzlich vorgeschrieben ist oder im Bereich des gewöhnlichen Aufenthaltsorts des Betroffenen öffentlich empfohlen wurde, ein Verbot in der Ausübung seiner bisherigen Tätigkeit oder eine Absonderung hätte vermeiden können.
Gemäß § 56 Abs. 5 IfSG hat der Arbeitgeber bei Arbeitnehmern für die Dauer des Arbeitsverhältnisses, längstens für sechs Wochen, die Entschädigung für die zuständige Behörde auszuzahlen (Satz 1). Die ausgezahlten Beträge werden dem Arbeitgeber auf Antrag von der zuständigen Behörde erstattet (Satz 2). Im Übrigen wird die Entschädigung von der zuständigen Behörde auf Antrag gewährt (Satz 3).
Die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 IfSG sind nicht erfüllt.
Der für den Erstattungsanspruch der Klägerin primär erforderliche ursprüngliche Entschädigungsanspruch des Herrn B. gegen das beklagte Land nach § 56 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 IfSG besteht nicht. Zwar hat der Arbeitnehmer einen Verdienstausfall erlitten, dieser ist aber nicht kausal durch die Absonderung entstanden.
1. Einschlägig ist hier § 56 Abs. 1 Satz 2 IfSG (Entschädigung aufgrund einer Absonderung).
Der Arbeitnehmer B. unterlag ausweislich der Allgemeinverfügungen vom 20. Juni 2020 und 1. Juli 2020 (jedenfalls) vom 20. Juni 2020 bis zum 16. Juli 2020 einer behördlich angeordneten Absonderung (i.S.d. § 30 IfSG). Es ist unter Berücksichtigung der Begründung der Allgemeinverfügungen auch davon auszugehen, dass Herr B. als Ansteckungsverdächtiger (§ 2 Nr. 7 IfSG) galt, da er unmittelbar vor Erlass der Absonderungsverfügung als Produktionsmitarbeiter in der Zerlegung für organisatorische Maßnahmen auf dem Betriebsgelände der Unternehmensgruppe U. in Rheda-Wiedenbrück tätig war. Sein Einsatzort war u.a. die Zerlegung, dort wurde am 16. Juni 2020 eine Vielzahl von mit dem Coronavirus infizierten Kollegen festgestellt.
Eine Arbeitsquarantäne wurde nicht für ihn angeordnet.
Da § 56 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 IfSG das Erfordernis der Rechtmäßigkeit der Absonderungsverfügung nicht voraussetzt, genügt tatbestandlich eine wirksame Maßnahme.
Vgl. zum Streitstand: Eckart/Kruse, in: BeckOK, Infektionsschutzrecht, IfSG, 12. Edition, 1. Juli 2022, § 56 Rn. 34, m.w.N.; Kümper, in: Kießling, IfSG, 3. Auflage 2022, § 56 Rn. 20, m.w.N.
50
Gegen die Wirksamkeit der Verfügung bestehen keine Bedenken, solche wurden von den Beteiligten im vorliegenden Verfahren auch nicht vorgetragen. Ungeachtet dessen bestehen - unter Berücksichtigung der o.g. Umstände - auch keine (durchgreifenden) Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Absonderungsanordnung.
2. Unabhängig davon, ob § 56 Abs. 1 Satz 3 IfSG in seiner hier maßgeblichen Fassung über die dort ausdrücklich geregelten Fälle dahingehend zu verstehen ist, dass allgemein bei Vermeidbarkeit der Absonderung durch den Abgesonderten die Entschädigung ausscheidet,
vgl. VG Karlsruhe, Urteil vom 10. Mai 2021 - 9 K 67/21 -, juris Rn. 94,
ist hier nicht zu erkennen, dass die Absonderung vom 20. Juni bis zum 16. Juli 2020 für den Arbeitnehmer vermeidbar gewesen sein könnte. Insbesondere bestand ab dem 20. Juni 2020 nicht (mehr) die Möglichkeit einer unmittelbaren Freitestung für Ansteckungsverdächtige wie den Arbeitnehmer.
3. Zwar hat der Arbeitnehmer B. in dem Zeitraum vom 20. Juni 2020 bis zum 16. Juli 2020 einen Verdienstausfall erlitten (a.). Dieser ist aber nicht kausal durch die Absonderung entstanden (b.).
a. Nach dem Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“ (§ 326 Abs. 1 BGB) stand ihm im Zeitraum der Absonderung, in dem er seine Wohnung nicht verlassen durfte, kein Anspruch aus seinem Arbeitsvertrag i.V.m. § 611a Abs. 2 BGB auf Zahlung seines Arbeitslohns zu.
Vgl. dazu z.B.: Maties, in: BeckOGK, BGB, 1. August 2021, § 611a Rn. 1670 ff.; Fandel/Kock, in: Herberger/Martinek u.a., jurisPK-BGB, 9. Auflage 2020, § 611a Rn. 198.
Er konnte seine Tätigkeit als für organisatorische Maßnahmen in der Zerlegung verantwortlicher Produktionsmitarbeiter offenkundig auch nicht im Home-Office erbringen.
Vgl. zur arbeitsorganisatorischen Umstellung auch: Eckart/Kruse, in: BeckOK, Infektionsschutzrecht, IfSG, 12. Edition, 1. Juli 2022, § 56 Rn. 35.
Es lag kein Fall vor, in dem die Klägerin gegenüber dem Arbeitnehmer nach arbeitsrechtlichen Grundsätzen zur Lohnfortzahlung trotz nicht geleisteter Arbeit verpflichtet gewesen wäre.
aa. Die Voraussetzungen des § 326 Abs. 2 Satz 1 Var. 1 BGB liegen nicht vor.
Der Anwendung von § 326 Abs. 2 Satz 1 Var. 1 BGB im Arbeitsrecht steht § 615 BGB nicht entgegen. Die dienstvertraglichen Regeln des Annahmeverzugs verdrängen Variante 1 von § 326 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht. Vielmehr ergänzen sich beide.
Vgl. im Einzelnen z.B.: BAG, Urteil vom 23. September 2015 - 5 AZR 146/14 -, juris Rn. 26; Preis, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, BGB, 22. Auflage 2022, § 615 Rn. 5, m.w.N.; Bieder, in: BeckOGK, BGB, 1. Februar 2020, § 615 Rn. 6.
Nach § 326 Abs. 2 Satz 1 Var. 1 BGB behält der Arbeitnehmer den Anspruch auf die Gegenleistung, wenn der Arbeitgeber für den Umstand, auf Grund dessen der Arbeitnehmer nach § 275 Abs. 1 bis 3 BGB nicht zu leisten braucht, allein oder weit überwiegend verantwortlich ist.
Es fehlt an der danach erforderlichen - qualifizierten - Verantwortlichkeit der Klägerin, denn es ist nicht davon auszugehen, dass die Klägerin allein oder weit überwiegend verantwortlich ist für den Grund der - wegen des Fixschuldcharakters der nach wöchentlicher Arbeitszeit bemessenen Arbeitsleistung (§ 3 Arbeitsvertrag) -,
vgl. BAG, Urteile vom 17. März 1988 - 2 AZR 576/87 -, juris Rn. 47, und vom 23. September 2015 - 5 AZR 146/14 -, juris Rn. 26; Preis, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, BGB, 22. Auflage 2022, § 611a Rn. 675; Fandel/Kock, in: Herberger/Martinek u.a., jurisPK-BGB, 9. Auflage 2020, § 611a Rn. 198; Ernst, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2019, § 275 Rn. 49, 52, zur Einzelfallbetrachtung,
absonderungs- bzw. betriebsschließungsbedingten Unmöglichkeit. Verantwortlichkeit im vg. Sinne erfasst nach der hier maßgeblichen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts Vertretenmüssen i.S.d. §§ 276, 278 BGB, d.h. mindestens fahrlässiges Handeln.
Vgl. z.B.: BAG, Urteil vom 19. August 2015 - 5 AZR 975/13 -, juris Rn. 29; Linck, in: Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 19. Auflage 2021, § 95 Rn. 2.
Soweit darüber hinaus vertreten wird, dass sich eine - auch verschuldensunabhängige - Verantwortlichkeit des Gläubigers für bestimmte Risiken ergeben kann,
vgl. z.B. Ulber, in: Erman, BGB, 16. Auflage 2020, § 326 Rn. 26 ff.; Ernst, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2019, § 326 Rn. 53 ff., jeweils m.w.N.,
bedarf es einer solchen erweiternden Auslegung im Arbeitsverhältnis nicht, da derartige Konstellationen über die Grundsätze der Betriebsrisikolehre zu lösen sind (§ 615 Satz 3 BGB).
Vgl. Schwarze, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2020, § 326 Rn. C56.
Dessen ungeachtet ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin durch vertragliche oder gesetzliche Regelungen einer besonderen Risikoübernahme unterliegt.
Der Gläubiger ist allein oder weit überwiegend verantwortlich i.S.d. § 326 Abs. 2 Satz 1 Var. 1 BGB, wenn unter Heranziehung des Rechtsgedankens des § 254 BGB eine Verantwortungsquote von 90% vorliegt.
Vgl. z.B.: Herresthal, in: BeckOGK, BGB, 1. Juni 2019, § 326 Rn. 187, m.w.N.; Stadler, in: Jauernig, BGB, 18. Auflage 2021, § 326 Rn. 14; Dauner-Lieb, in: NK-BGB, 4. Auflage 2021, § 326 Rn. 13; vgl. auch BT-Drs. 14/6040, 187: Vielmehr muss der Gläubiger zumindest „weit“ überwiegend für die Entstehung des Rücktrittsgrundes mit verantwortlich sein. Damit soll ein Grad der Mitverantwortung umschrieben werden, der über § 254 auch einen Schadensersatzanspruch ausschließen würde; a.M. Grüneberg, in: Grüneberg, BGB, 81. Auflage 2022, § 326 Rn. 9 und § 254 Rn. 64.
Eine eigene (mindestens) weit überwiegende Verantwortlichkeit der Klägerin ist nicht gegeben, weder bezüglich des Ansteckungsverdachts ihres Arbeitnehmers noch bezüglich des erheblichen Ausbruchsgeschehens auf dem Betriebsgelände der Unternehmensgruppe U. in Rheda-Wiedenbrück. Zwar hat es von der Klägerin zu verantwortende Verstöße gegen Arbeitsschutzregeln gegeben (1.). Dass die Klägerin damit jedoch weit überwiegend verantwortlich sein könnte, ist nicht ersichtlich (2.).
(1.) Die Klägerin hat gegen Arbeitsschutzpflichten verstoßen.
(a.) Nach den der Kammer zum Entscheidungszeitpunkt vorliegenden Erkenntnissen sind der Klägerin im hier maßgeblichen Zeitraum Verstöße gegen ihre arbeitsschutzrechtlichen Pflichten vorzuwerfen.
Maßgeblich für die Beurteilung etwaiger Verstöße ist aus Sicht der Kammer der Zeitraum ab Mitte Mai 2020. Denn eine am 7. Mai 2020 vom MAGS veranlasse Reihentestung auf das Coronavirus in allen Schlachtbetrieben Nordrhein-Westfalens,
vgl. Bericht für den Ausschuss Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landtags Nordrhein-Westfalens „SARS-CoV-2/COVID-19 Ausbruchsgeschehen in Schlachtbetrieben“, 13. Mai 2020, abrufbar unter: https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMV17-3441.pdf,
hat nur vereinzelt positive Befunde unter den auf dem Betriebsgelände der Unternehmensgruppe U. tätigen Personen (im Wesentlichen wohl vom 11. Mai bis zum 18. Mai 2020) ergeben. Diese mit dem Coronavirus infizierten Personen waren nicht in die Fleischverarbeitung involviert und wurden als wahrscheinlich voneinander unabhängig beurteilt.
Vgl. so: F1. /C. , u.a. „SARS-CoV-2 outbreak investigation in a German meat processing plant“, Preprint vom 23. Juli 2020, abrufbar unter: https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=3654517, und Update vom 6. Oktober 2020 (peer reviewed), abrufbar unter: https://www.embopress.org/doi/full/10.15252/emmm.202013296; vgl. auch: F1. u.a., Hygienisch-medizinische Risikoeinschätzung und Maßnahmen zur Prävention und Kontrolle von COVID-19-Infektionen bei der Firma U. in Rheda-Wiedenbrück zur Unterstützung der Abteilung Gesundheit des Kreises Gütersloh, 28. Juli 2020.
Erst danach kam es zu dem hier maßgeblichen Ausbruchsgeschehen.
Gemäß § 618 Abs. 1 BGB hat der Dienstberechtigte Räume, Vorrichtungen oder Gerätschaften, die er zur Verrichtung der Dienste zu beschaffen hat, so einzurichten und zu unterhalten und Dienstleistungen, die unter seiner Anordnung oder seiner Leitung vorzunehmen sind, so zu regeln, dass der Verpflichtete gegen Gefahr für Leben und Gesundheit soweit geschützt ist, als die Natur der Dienstleistung es gestattet.
Vgl. BAG, Urteil vom 12. August 2008 - 9 AZR 1117/06 -, juris Rn. 13; Oetker, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2019, § 618 Rn. 14.
Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 ArbSchG ist der Arbeitgeber verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen. Zur Planung und Durchführung der Maßnahmen nach Absatz 1 hat der Arbeitgeber unter Berücksichtigung der Art der Tätigkeiten und der Zahl der Beschäftigten 1. für eine geeignete Organisation zu sorgen und die erforderlichen Mittel bereitzustellen sowie 2. Vorkehrungen zu treffen, dass die Maßnahmen erforderlichenfalls bei allen Tätigkeiten und eingebunden in die betrieblichen Führungsstrukturen beachtet werden und die Beschäftigten ihren Mitwirkungspflichten nachkommen können (Absatz 2).
Gemäß § 5 Abs. 1 ArbSchG hat der Arbeitgeber durch eine Beurteilung der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdung zu ermitteln, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind. Des Weiteren hat der Arbeitgeber die Beschäftigten über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit während ihrer Arbeitszeit ausreichend und angemessen zu unterweisen (§ 12 Abs. 1 Satz 1 ArbSchG).
Vgl. Oetker, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2019, § 618 Rn. 95, m.w.N.; Wiebauer, Arbeitsschutz in Fremdfirmen, in: ZfA 2014, 49 f.
Werden Beschäftigte mehrerer Arbeitgeber an einem Arbeitsplatz tätig, sind die Arbeitgeber nach § 8 Abs. 1 ArbSchG verpflichtet, bei der Durchführung der Sicherheits- und Gesundheitsschutzbestimmungen zusammenzuarbeiten (Satz 1). Soweit dies für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Beschäftigten bei der Arbeit erforderlich ist, haben die Arbeitgeber je nach Art der Tätigkeiten insbesondere sich gegenseitig und ihre Beschäftigten über die mit den Arbeiten verbundenen Gefahren für Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten zu unterrichten und Maßnahmen zur Verhütung dieser Gefahren abzustimmen (Satz 2).
Im Hinblick auf die Coronapandemie hatte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) am 20. April 2020 die sog. SARS-CoV-2 Arbeitsschutzstandards (IIIb4-34503) festgelegt. Dabei handelt es sich zwar nicht um ein verbindliches Regelwerk. Es ist aber bei der Ermittlung der vom Arbeitgeber zu beachtenden Schutzpflichten einzubeziehen.
Vgl. z.B.: Wilrich, Der SARS-CoV-2 Arbeitsschutzstandard des BMAS, NZA 2020, 634 (637).
Dies berücksichtigend ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Klägerin sich ihrer arbeitsschutzrechtlichen Pflichten bewusst war und Maßnahmen zum Schutz ihrer Beschäftigten ergriffen hat. Insbesondere hat es in dem Betrieb die erforderliche Gefährdungsbeurteilung, auf die verschiedenen Arbeitsplätze ausgerichtete Hygienekonzepte und eine Implementierung der Schutzmaßnahmen sowie die Unterrichtung der Mitarbeiter gegeben. Ausweislich der vorliegenden Unterlagen wurden nach Gründung des Corona-Krisenstabs in der U. Unternehmensgruppe unter der Leitung von Herrn T2. -B2. am 27. Februar 2020 Einzelmaßnahmen und Konzepte regelmäßig aktualisiert und an neue Erkenntnisse mit Blick auf den Umgang mit dem Coronavirus angepasst. Die Maßnahmen wurden den Arbeitnehmern durch verschiedensprachige Merkblätter und Aushänge, die Mitarbeiter-App (beekeeper.io) sowie Schulungen zur Kenntnis gereicht. Auch auf Hinweise der aufsichtsführenden Behörde wurde durch die Anpassung des Maßnahmenkonzepts reagiert. Die Kontrolle der Umsetzung der Maßnahmen erfolgte durch die Qualitätssicherung und/oder die Betriebs-/Produktionsleitung des jeweiligen Standorts unter Hinzuziehung der Fachkräfte für Arbeitssicherheit. Die erarbeiteten Schutzmaßnahmen wurden auch an die Betriebs- und Abteilungsleiter der „Dienstleister“ weitergegeben,
vgl. dazu auch die Ausführungen in den Urteilen des VG Minden vom 26. Januar 2022 - 7a K 424/21 und 7a K 739/21 -, jeweils juris,
sodass der zum Teil in § 8 Abs. 1 ArbSchG hineingelesenen Koordinierungspflicht Rechnung getragen wurde.
Nach Auswertung der vorliegenden Unterlagen geht die Kammer jedoch davon aus, dass nicht alle Schutzmaßnahmen konsequent um- bzw. durchgesetzt wurden. So wurden insbesondere das Abstandsgebot bzw. Schutzalternativen wie das Anbringen von Abtrennungen oder das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung nicht eingehalten (vgl. Nr. 1 SARS-CoV-2 Arbeitsschutzstandards i.V.m. der Ergänzung der Gefährdungsbeurteilung für die Fleischwirtschaftsbranche sowie die Vorgaben zur Verhaltensweise in den Produktionsbereichen des Hygienekonzepts zur Corona-Risiko-Minimierung).
Insoweit ist auch davon auszugehen, dass die erforderlichen Abstände während der Pausen (in der Kantine und den Pausenräumen) nicht immer beachtet wurden. Zwar kommt dem im Juni 2020 bei YouTube eingestellten Video (https://www.youtube.com/watch?v=HQagACah_V0), das eine vollbesetzte Kantine auf dem Betriebsgelände der Unternehmensgruppe U. zeigen soll, (weiterhin) kein Beweiswert zu. Denn es ist schon nicht klar, wann diese Aufnahme erstellt worden ist. Diskutiert wird von den Beteiligten insoweit ein Zeitraum zwischen März und April 2020. Dies mag als zutreffend unterstellt werden. Denn ein Verstoß gegen Schutzmaßnahmen in diesem Zeitraum ist bei der vorliegenden Beurteilung nicht relevant, weil - wie dargelegt - maßgeblich allein etwaige Verstöße in der Zeit ab Mitte Mai 2020 sind. Wenn die Aufnahme, wie sich aus den Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft zum Az. 911 Js 788/20 ergibt, bereits am 20. März 2020 gefertigt worden ist, trifft schon der Vorwurf des beklagten Landes, es habe einen Verstoß gegen die seit dem 22. März 2022 gültige Coronaschutzverordnung des Landes Nordrhein-Westfalen vorgelegen, nicht zu. Zudem lässt sich nicht feststellen, wessen Mitarbeiter zu sehen sind oder ob Mitarbeiter der Klägerin die Kantine in dem hier relevanten Zeitraum unter Verstoß gegen das Abstandsgebot genutzt haben. Allerdings deuten die in den Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft zum Az. 911 Js 788/20 befindlichen schriftlichen Zeugenaussagen der Amtstierärztinnen aus November 2020 sowie das vorgelegte Bildmaterial darauf hin, dass die vorgesehenen Abstände bei der Nutzung der Kantine im hier maßgeblichen Zeitraum nicht konsequent eingehalten worden sind. Auch wenn die in den Aussagen erwähnten Verstöße sehr oberflächlich gehalten sind, sodass im Einzelnen nicht nachvollziehbar ist und wohl auch nicht mehr nachgehalten werden kann, wann sie begangen worden sind und welche Mitarbeiter die Kantine bei den Beobachtungen gerade genutzt haben, geht die Kammer in der Zusammenschau der Aussagen sowie unter Berücksichtigung der weiteren Materialien dennoch davon aus, dass eine konsequente Einhaltung der Abstands- bzw. alternativ dazu der Maskenpflicht nicht immer erfolgt ist. Dass es - entgegen des Hygienekonzepts vom 12. Mai 2020 (und bereits zuvor), das eine Trennung der Abteilungen bzw. Unterabteilungen in der Kantine und im Übrigen während der Pausen außerhalb der Kantine die Einhaltung von Sicherheitsabständen bzw. im Falle des fehlenden Sicherheitsabstands das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung vorgeschrieben hat - eine relevante Durchmischung der verschiedenen Arbeitnehmer gegeben hat, lässt sich unter Berücksichtigung der vorliegenden Unterlagen nicht feststellen.
(b.) Darüber hinaus fehlt es an konkreten Anhaltspunkten dafür, dass von der Klägerin weitere Gesundheits- und Arbeitsschutzvorschriften verletzt worden sind.
Insbesondere lassen sich keine Verstöße der Klägerin mit Blick auf die Unterbringung und den Transport der Arbeitnehmer feststellen. Die Klägerin hat ihren Arbeitnehmern nach eigenem Bekunden keine Wohnungen zur Verfügung gestellt oder vermittelt. Auch hat sie die Transporte zwischen Unterkunft und Werksgelände nicht organisiert. Anhaltspunkte dafür, dass diese Angaben unzutreffend sein könnten, sind nicht ersichtlich und wurden vom beklagten Land auch nicht (schlüssig) vorgetragen.
Auch die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft im Verfahren Az. 911 Js 788/20 haben bisher keine - hier relevanten - Verstöße gegen Gesundheits- und Arbeitsschutzvorschriften hervorgebracht. So lassen beispielsweise die schriftlichen Zeugenaussagen der rumänischen Arbeitnehmer einer damals auf dem Betriebsgelände tätigen Werkvertragsfirma über etwaige Quarantänebrüche jegliche Substanz vermissen.
Schließlich begründen die weiteren vom beklagten Land vorgetragenen Indizien (inklusive von diesem als „Schuldeingeständnisse“ gewertete Aussagen von Clemens U. ) keine (ausreichenden) Anhaltspunkte für im maßgeblichen Zeitraum Mai/Juni 2020 relevante Pflichtverletzungen der Klägerin und Ermittlungsansätze für das Gericht.
(2.) Die danach festgestellten Verstöße gegen Arbeitsschutzvorschriften führen nicht zu einer alleinigen oder weit überwiegenden Verantwortlichkeit der Klägerin, weder für das Ausbruchsgeschehen am Betriebsstandort der Unternehmensgruppe U. noch für den individuellen Ansteckungsverdacht des Arbeitnehmers B. . Das Ausbruchsgeschehen bei der U. Unternehmensgruppe wurde maßgeblich durch Umstände beeinflusst (a.), auf die die Klägerin selbst keinen Einfluss hatte bzw. haben konnte (b.). Weitere mögliche Ursachenbeiträge führen zu keinem anderen Ergebnis ((c.) bis (g.)).
(a.) Nach den gegenwärtigen Erkenntnissen gab es auf dem Betriebsgelände der Unternehmensgruppe U. ein erstes (kleineres) Ausbruchsgeschehen ab dem 19. Mai 2020 in der Zerlegung. Die daraufhin angestellten Untersuchungen, an denen die Unternehmensgruppe jedenfalls durch die Ermöglichung von Betriebsbegehungen und durch zur Verfügung gestellte Unterlagen beteiligt war, weisen darauf hin, dass die Umgebungsbedingungen in der Anlage, einschließlich niedriger Temperatur, geringer Luftaustauschraten und ständiger Umwälzung der Luft, zusammen mit relativ geringen Abständen zwischen den Arbeitern und der anstrengenden körperlichen Arbeit eine ungünstige Mischung aus Faktoren darstellt, die eine effiziente Aerosolübertragung von SARS-CoV-2-Partikeln begünstigen. Dagegen spielen die Unterbringung der Mitarbeiter in Gemeinschaftsunterkünften sowie Fahrgemeinschaften keine (große) Rolle während der ersten Phase des Ausbruchs. Es ist nach den Ergebnissen der Untersuchungen sehr wahrscheinlich, dass die erwähnten ungünstigen Faktoren für die seit Beginn der Coronapandemie eingetretenen Ausbrüche auch in anderen Fleischverarbeitungsbetrieben verantwortlich sind. Die Analysen deuten ferner darauf hin, dass es durch eine potenziell kontinuierliche Übertragung unter den Mitarbeitern zum zweiten - hier relevanten - großen Ausbruch im Juni 2020 gekommen ist. Nicht ausgeschlossen werden kann, dass auch von den Mitarbeitern gemeinsam genutzte Wohnräume sowie Fahrgemeinschaften zur Arbeitsstelle zur Virusverbreitung beigetragen haben.
Vgl. dazu: F1. /C. , u.a. „SARS-CoV-2 outbreak investigation in a German meat processing plant“, Preprint vom 23. Juli 2020, abrufbar unter: https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=3654517, und Update vom 6. Oktober 2020 (peer reviewed), abrufbar unter: https://www.embopress.org/doi/full/10.15252/emmm.202013296; vgl. auch: F1. u.a., Hygienisch-medizinische Risikoeinschätzung und Maßnahmen zur Prävention und Kontrolle von COVID-19-Infektionen bei der Firma U. in Rheda-Wiedenbrück zur Unterstützung der Abteilung Gesundheit des Kreises Gütersloh, 28. Juli 2020.
Nach diesen Feststellungen kann nicht davon ausgegangen werden, dass die zuvor festgestellten Verstöße der Klägerin eine überwiegende Verantwortlichkeit i.S.v. § 326 Abs. 2 Satz 1 Var. 1 BGB (mindestens 90 %) begründen. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass die Lüftungsbedingungen in der Betriebsstätte einen maßgeblichen Anteil an der weitreichenden Verbreitung des Virus unter den auf dem Betriebsgelände tätigen Personen hatten, der jedenfalls über 10 % lag.
(b.) Hinsichtlich dieser offenbar branchenüblichen Produktionsbedingungen in der Fleisch- und Fischverarbeitung,
vgl. dazu: „Discussion“ bei F1. /C. , u.a. „SARS-CoV-2 outbreak investigation in a German meat processing plant“, Preprint vom 23. Juli 2020, abrufbar unter: https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=3654517, und Update vom 6. Oktober 2020 (peer reviewed), abrufbar unter: https://www.embopress.org/doi/full/10.15252/emmm.202013296,
trifft die Klägerin - einschließlich etwaig eingeschalteter Erfüllungsgehilfen - kein Verschulden.
Dass die Belüftungssituation eine - wesentliche - Ursache der erheblichen „Infektionsgeneigtheit“ der betrieblichen Umgebung war, war nach den zum Zeitpunkt des Ausbruchsgeschehens vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnissen für die Klägerin - einschließlich etwaig eingeschalteter Erfüllungsgehilfen - jedenfalls nicht in der Weise vorhersehbar, die eine angemessene Reaktion ermöglicht hätte. Bereits ein Fahrlässigkeitsvorwurf scheidet deshalb insoweit aus.
Nach § 4 Abs. Nr. 3 ArbSchG hat der Arbeitgeber bei Maßnahmen des Arbeitsschutzes den Stand von Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene sowie sonstige gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse zu berücksichtigen. Stand der Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene meint dabei den Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, der die praktische Eignung einer Maßnahme zum Gesundheitsschutz gesichert erscheinen lässt.
Vgl. Kohte, in: Kollmer/Klindt/Schucht, Arbeitsschutzgesetz, 4. Auflage 2021, § 4 Rn. 14 und 16, m.w.N. zur Verallgemeinerung dieser in § 2 Abs. 15 GefStoffV und § 2 Abs. 10 BetrSichV enthaltenen Definition.
Gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse liegen vor, wenn sie methodisch abgesichert sind und von einer überwiegenden Meinung der beteiligten Fachkreise zugrunde gelegt werden.
Vgl. Kohte, in: Kollmer/Klindt/Schucht, Arbeitsschutzgesetz, 4. Auflage 2021, § 4 Rn. 19; Roloff, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, ArbSchG, 22. Auflage 2022, § 4 Rn. 3; siehe auch BAG, Beschluss vom 13. August 2019 - 1 ABR 6/18 -, juris Rn. 63.
Vor diesem Hintergrund ist der Klägerin wegen des dynamischen wissenschaftlichen Erkenntnisgewinns hinsichtlich des Coronavirus SARS-CoV-2 kein arbeitsschutzrechtlicher Fahrlässigkeitsverstoß i.S.v. § 278 BGB bezüglich der Belüftungssituation in den hier maßgeblichen Betriebsräumen vorzuwerfen.
Dass es in der Fleischindustrie zu erheblichen Ausbruchsgeschehen kommen kann, musste der Klägerin spätestens nach dem Ausbruch bei der Großschlachterei X2. in D2. ,
vgl. dazu z.B.: Lebensmittelpraxis, X. , Mitarbeiter mit Corona infiziert, 6. Mai 2020, abrufbar unter: https://lebensmittelpraxis.de/industrie-aktuell/27263-westfleisch-mitarbeiter-mit-corona-infiziert-2020-05-06-11-02-24.html,
und in einem von X. betriebenen Fleisch-Zerlegebetrieb in E. jeweils im Mai 2020 bekannt gewesen sein.
Vgl. dazu z.B.: Rundschau für den Lebensmittelhandel, X. : Weiterer Standort von Corona-Infektionen betroffen, 18. Mai 2020, abrufbar unter: https://www.rundschau.de/artikel/westfleisch-weiterer-standort-von-corona-infektionen-betroffen.
Der Ausbruch in D1. hat dann auch zu der vom MAGS veranlassten und - bereits erwähnten - Reihentestung im Betrieb der Unternehmensgruppe U. geführt.
Im Zuge des - nach Abschluss der Reihentestung beginnenden - ersten, kleineren Ausbruchsgeschehens Mitte Mai 2020 bei der Unternehmensgruppe U. , welches bereits am 2. Juni 2020 durch Prof. Dr. C. auf dem Betriebsgelände untersucht wurde, konnte nach dem betrieblichen Hygienekonzept vom 10. Juni 2020 offensichtlich auch die Erkenntnis gewonnen werden, dass die „klimatischen Bedingungen in den Produktionsräumen der Zerlegung eine Übertragung zu begünstigen [scheinen]“. Aus dieser wagen Erkenntnis jedoch unmittelbar konkrete Handlungsgebote ableiten zu wollen, überspannt die dargelegten arbeitsschutzrechtlichen Anforderungen. Denn nicht einmal diese - zumindest mit Unterstützung der Unternehmensgruppe U. stattfindende - initiale wissenschaftliche Untersuchung der Infektionsgeneigtheit in der Fleischindustrie war zu diesem Zeitpunkt abgeschlossen. Die Studienergebnisse wurden erst im Juli 2020 auf dem Preprint-Server veröffentlicht und hatten zu dieser Zeit auch noch kein Peer-Review-Verfahren durchlaufen, waren also noch nicht von anderen unabhängigen Wissenschaftlern geprüft worden. Von der Unternehmensgruppe U. konnte bei der Erfüllung der arbeitsschutzrechtlichen Pflichten nicht verlangt werden, den insoweit maßgeblichen wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn vorherzusehen und im Vorgriff auf etwaige Ergebnisse konkrete Handlungen vorzunehmen.
Vgl. dazu auch: MAGS NRW, Protokoll des Behördentreffens zwischen MAGS NRW, Bezirksregierung Detmold, Kreis Gütersloh und Stadt Rheda-Wiedenbrück mit Vertretern der Unternehmensgruppe U. am 26. April 2021 zum Thema Antrag auf Aufhebung von Ordnungsverfügungen seitens der Unternehmensgruppe U. , in dem festgehalten worden ist: „Mit Blick auf die rechtliche Einordnung stellt Herr Leßmann fest, dass die Unternehmensgruppe U. deutliche Ausstrahlung in die Bevölkerung habe, Struktur und Situation gingen deutlich über den Schutz der Arbeitnehmer hinaus. Hier sei die Zielrichtung der Maßnahmen auch der Bevölkerungsschutz. Seinerzeit waren beim Ausbruch im Unternehmen zwei Kreise unter Quarantäne gestellt worden. Inzwischen sei wohl anzunehmen, dass dem Unternehmen U. kein schuldhafter Vorwurf zu machen sei, sondern vordringlich die unbekannte Aerosolproblematik zum Ausbruch führte.“; vgl. zudem: Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales, Ausschussprotokoll Apr 17/1065 vom 25. Juni 2020: „StS Dr. Edmund Heller (MAGS): [...] Es ist dann sofort die Zusammenarbeit mit Professor F1. in Bonn und mit Fachleuten vom RKI gesucht worden, die sich bei der Ursachensuche vor allem mit der Frage der Belüftung befasst haben. Die Spekulation oder das, was man vorab in Erwägung gezogen hat und nun auch definitiv überprüfen will, ist, ob die Aerosolbelastung - also nicht die Tröpfchenbelastung, für die ja die 1,5-m-Abstandsregelung und der Mundschutz gelten, sondern die Schwebstoffe in der Luft - neben der Tröpfchenbelastung eine wesentliche Rolle bei einem solchen Infektionsgeschehen spielen kann. Dazu sind Fragen zu beantworten, die wissenschaftlich noch nicht definitiv beantwortet sind, beispielsweise wie lange die Viren als Aerosole in diesem Schwebezustand verbleiben können, wie die Luftverteilung in dem Zerlegebetrieb aussieht. Die Leute arbeiten dort bei einer Temperatur von 8 bis 10 Grad. Die Luft wird in einem Umluftsystem auf diese 8 bis 10 Grad gekühlt. Durch diese Kühlung - wer einmal in einem Zerlegebetrieb war, der weiß, dass die Schlangen oben unter der Decke hängen - wird die Luft zugleich breit verteilt.“
Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass unmittelbar vor dem bzw. im Zuge des ersten Ausbruchsgeschehens zweimal die Einhaltung der SARS-CoV-2 Arbeitsschutzstandards des BMAS auf dem Betriebsgelände von der zuständigen Bezirksregierung Detmold kontrolliert wurde. Bei der ersten Überprüfung aller Abteilungen und Bereiche des Schlachthofes am 15. Mai 2020,
vgl. Anhörungsschreiben der Bezirksregierung Detmold vom 18. Mai 2020 zur Arbeitsschutz - Besichtigung am 15. Mai 2020: „Bei der Begehung wurden alle Abteilungen und Bereiche des Schlachthofes besichtigt, inklusive der von der Tillmanns D. GmbH und U. M. GmbH & Co. KG genutzten Räumlichkeiten.“,
wurden Mängel hinsichtlich der Umsetzung des - im Einklang mit den Arbeitsschutzstandards - stehenden Hygienekonzepts,
vgl. Anhörungsschreiben der Bezirksregierung Detmold vom 18. Mai 2020 zur Arbeitsschutz - Besichtigung am 15. Mai 2020: „Die BMAS SARS-CoV-2 Arbeitsschutzstandards sind der Firma bekannt und werden berücksichtigt. […] Grundlage für all diese Maßnahmen ist das von der Firma U. erstellte „Hygienekonzept zur Corona-Risiko-Minimierung“ (siehe Anhang). In diesem Konzept, das sich im absoluten Einklang mit den Arbeitsschutzstandards des BMAS befindet, werden alle Maßnahmen zusammengefasst, die zum Coronaschutz in der Firma umgesetzt werden sollen. […]“,
festgestellt, insbesondere hinsichtlich des Tragens einer Mund-Nasen-Bedeckung und mangelnden Abstands in der Kantine.
Vgl. Aktenvermerk der Bezirksregierung Detmold vom 16. Mai 2020 und Anhörungsschreiben der Bezirksregierung Detmold vom 18. Mai 2020 zur Arbeitsschutz - Besichtigung am 15. Mai 2020.
Ein Verstoß bezüglich der Belüftungssituation wurde nicht moniert, zumal auch Nr. 3 SARS-CoV-2 Arbeitsschutzstandards zu diesem Zeitpunkt davon ausging, dass das Übertragungsrisiko über raumlufttechnische Anlagen insgesamt als gering einzustufen sei. Ebenso sieht die „Ergänzung der Gefährdungsbeurteilung im Sinne des SARS-CoV-2 Arbeitsschutzstandards, Branche: Fleischwirtschaft“ der BNG vom 29. April 2020 insoweit nur eine Wartung und Reinigung der Lüftungsanlagen bzw. raumlufttechnischen Anlagen durch eine Fachfirma in den erforderlichen Intervallen vor.
Nach fristgerechter unternehmensseitiger Erläuterung der im Rahmen der Begehung am 15. Mai 2020 erörterten Aspekte kam es am 29. Mai 2020 zu einer erneuten unangekündigten behördlichen Kontrolle der Betriebsbereiche, in denen nach Auffassung der Bezirksregierung Detmold zuvor zum Teil gravierende Mängel in Bezug auf die SARS-CoV-2 Arbeitsschutzstandards festgestellt worden waren. Zusammenfassend kam die Bezirksregierung zu dem Ergebnis, dass die vormals aufgezeigten Mängel beseitigt oder zumindest soweit beseitigt worden waren, dass die SARS-CoV2 Arbeitsschutzstandards eingehalten sind. Da auch weitere Verbesserungen hinsichtlich der Kantine bereits in Planung waren, wurde vom Erlass weiterer arbeitsschutzrechtlicher Maßnahmen seitens der Bezirksregierung abgesehen.
Vgl. Aktenvermerk der Bezirksregierung Detmold vom 29. Mai 2020.
Wurde die Belüftungssituation danach schon von der zuständigen Aufsichtsbehörde nicht als arbeitsschutzrechtlich problematisch angesehen, konnte dies erst Recht nicht von der Unternehmensgruppe U. bzw. der Klägerin erwartet werden. Gleichwohl hatte die Unternehmensgruppe dem Kreis Gütersloh noch am 16. Juni 2020 mitgeteilt, auch in dieser Hinsicht - im Hinblick auf den noch nicht definitiven wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn - weitere Maßnahmen (u.a. Einbau einer UVC-Luftentkeimung, Erhöhung des Luftaustausch, mobile Belüftungssysteme zur Erhöhung der Frischluftzufuhr) ergriffen zu haben.
(c.) Eine überwiegende Verantwortlichkeit der Klägerin ist auch nicht durch andere Verstöße gegeben. Zwar mag man insbesondere nach den Feststellungen der Bezirksregierung Detmold bei der Betriebsbegehung am 15. Mai 2020 davon ausgehen, dass das Hygienekonzept insbesondere hinsichtlich der Abstands- und Maskenpflicht nicht vollständig durchgesetzt wurde. Diese Verstöße führen jedoch nicht dazu, die mitursächliche Belüftungssituation in der für § 326 Abs. 2 Satz 1 Var. 1 BGB erforderlichen Weise zu negieren.
Soweit das beklagte Land meint, zu dem Ausbruchsgeschehen im Juni 2020 habe es nur wegen der am 15. Mai 2020 festgestellten Verstöße kommen können, ist dem entgegenzuhalten, dass unter Berücksichtigung der vorliegenden Erkenntnisse ein fehlerhaftes Coronamanagement auf dem Betriebsgelände der U. Unternehmensgruppe (insoweit) nicht erkennbar ist. Die vom MAGS im Mai 2020 veranlasste Reihentestung hat lediglich „vereinzelt“ positive Befunde hervorgebracht. Etwaige Verstöße gegen coronavirusbezogene Arbeitsschutzvorschriften haben offenbar keine Konsequenzen gehabt. Der Positivfall, der letztlich als Initiator des ersten Ausbruchsgeschehens im Mai 2020 gilt, wurde entsprechend der damaligen Vorgaben des Robert-Koch-Instituts zunächst als Kontaktperson mit geringem Infektionsrisiko eingestuft und nach positiver Testung am 20. Mai 2020 im häuslichen Umfeld separiert. Entsprechendes gilt für den zweiten in diesem Zusammenhang entdeckten Positivfall. Nachdem eine daran anschließende Reihentestung der Kollegen der Frühschicht in der Rinderzerlegung am 25. Mai 2020 im Folgenden weitere positive Befunde hervorgebracht hatte, haben auch diese sich am 27. Mai 2020 in häusliche Absonderung begeben. Probleme, diese Mitarbeiter wegen fehlender Adressen ausfindig zu machen, hat es (jedenfalls zu diesem Zeitpunkt) nicht gegeben. Durch weitere Testungen des Gesundheitsamts wurden Infektionen in verschiedenen Bereichen des Werks identifiziert und letztlich ein Ausbruch in der Schweinezerlegung am 9. Juni 2020 festgestellt. Die Studienergebnisse deuten auf ein anhaltendes, sich weiterverbreitendes Ausbruchsgeschehen mit einem Übergang vom ersten Ausbruch im Mai zum zweiten größeren Ausbruch im Juni 2020. Gemeinsames Wohnen und Fahrgemeinschaften der Beschäftigten sind dabei auch Faktoren für die Weiterverbreitung gewesen.
Vgl. F1. /C. , u.a. „SARS-CoV-2 outbreak investigation in a German meat processing plant“, Preprint vom 23. Juli 2020, abrufbar unter: https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=3654517, und Update vom 6. Oktober 2020 (peer reviewed), abrufbar unter: https://www.embopress.org/doi/full/10.15252/emmm.202013296; vgl. auch: F1. u.a., Hygienisch-medizinische Risikoeinschätzung und Maßnahmen zur Prävention und Kontrolle von COVID-19-Infektionen bei der Firma U. in Rheda-Wiedenbrück zur Unterstützung der Abteilung Gesundheit des Kreises Gütersloh, 28. Juli 2020; Robert Koch Institut, Kontaktpersonennachverfolgung bei respiratorischen Erkrankungen durch das Coronavirus, Stand: 16. April 2020; Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales, Ausschussprotokoll APr 17/1065 vom 25. Juni 2020, S. 12 f.; vgl. ebenso: VG Münster, Urteil vom 19. Mai 2022 - 5a K 854/21 -, juris Rn. 110: zur Bewertung des multifaktoriell bestimmten Ausbruchsgeschehens.
Dass die festgestellten Verstöße, vor allem gegen die Abstands- und Maskenpflicht, aber die entscheidende Ursache für den hier maßgeblichen Ausbruch waren, kann nicht festgestellt werden. Ergiebige Belege oder Indizien (an die eine weitere gerichtliche Aufklärung anknüpfen könnte) wurden auch nicht vom beklagten Land geliefert, das mit Hilfe der Bezirksregierung die Arbeitsschutzverwaltung durchführt und damit über die notwendigen Informationen verfügen müsste. Diese Erwägungen gelten insbesondere auch mit Blick auf die vorgelegte Ordnungsverfügung vom 5. Oktober 2020 über eine Betriebsüberwachung am 30. September 2020 und die Beweisanregung zur Zeugeneinvernahme der Mitarbeiter der Bezirksregierung L. , O. , X1. und T3. , die nach dem Vortrag des beklagten Landes zahlreiche und zum Teil erhebliche Verstöße gegen die einschlägigen Vorschriften des Arbeitsstättenrechts und der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregeln festgestellt hätten. Es wurde schon nicht nachvollziehbar dargelegt, dass aus den behaupteten Verstößen, die Monate nach dem hier streitgegenständlichen Zeitraum festgestellt worden sein sollen, Schlussfolgerungen für den Coronausbruch im Juni 2020 gezogen werden können. Im Gegenteil stützen die Feststellungen eher die Annahme, dass der Klägerin jedenfalls mit Blick auf das hier relevante Ausbruchsgeschehen keine überwiegende Verantwortlichkeit vorgeworfen werden kann, da es Ende September/Anfang Oktober offenbar nicht zu einem (derart) erhöhten Aufkommen von Coronainfektionen unter den Mitarbeitern der Klägerin bzw. von auf dem Betriebsgelände der U. Unternehmensgruppe tätigen Personen kam.
Anders ist der Sachverhalt nicht unter der Annahme zu beurteilen, dass v.a. die Einhaltung von Abstandsregeln und die Nutzung von Mund-Nasen-Bedeckungen schon im Mai/Juni 2020 - grundsätzlich - als zentrale Schutzmaßnahmen zur Eindämmung der Verbreitung des Coronavirus angesehen wurden. Auch bei Einhaltung eines Sicherheitsabstands von 1,5 Metern und der korrekten Benutzung einer Mund-Nasen-Bedeckung hätte die Ausbreitung des Virus in Unkenntnis der „Aerosol- und Lüftungsproblematik“ nicht verhindert werden können. Denn zum damaligen Zeitpunkt waren medizinische Gesichtsmasken und partikelfiltrierende Halbmasken knapp,
vgl. auch Mail vom 26. März 2020 des Kreises Gütersloh an Herrn T2. -B2. , Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft zum Az. 911 Js 788/20, SB Korrespondenz T2. B2. _LK Gütersloh,
und deren Einsatz (daher) ausweislich der „Ergänzung der Gefährdungsbeurteilung im Sinne des SARS-CoV-2 Arbeitsschutzstandards, Branche: Fleischwirtschaft“ nicht vorgeschrieben. Dass vielmehr die Verwendung aller Arten von Masken erlaubt war, folgt (im Umkehrschluss) aus den ergänzenden Hinweisen zu der Maßnahme „Maske“, in denen ausgeführt wird, dass es Tipps zur Pflege von Masken aus Stoff (sog. Community-Masken) auf der Internetseite des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte gebe. Eine Beschränkung auf medizinische Gesichtsmasken, FFP2-Masken oder vergleichbare Atemschutzmasken sah erst § 3 der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung vom 21. Januar 2021 (BAnz AT 22.01.2021 V1) vor.
In diesem Sinne wurde ausweislich des Rundschreibens des Herrn T2. -B2. vom 29. April 2020 auf dem U. Betriebsgelände und im Betrieb der Klägerin ab dem 4. Mai 2020 jeden Tag für jeden Produktionsmitarbeiter eine „Maske“ zur Verfügung gestellt. Dabei handelte es sich zunächst um Einwegmasken, später um einen waschbaren Mundschutz. Ab dem 16. Juni 2020 wurden dreilagige Mund-Nasen-Bedeckungen verteilt.
Wie aber aus dem Vermerk der Bezirksregierung Detmold vom 20. Juni 2020 hervorgeht, waren diese Mund-Nasen-Bedeckungen ohne Zertifikat nicht ausreichend, um bei den Arbeits- und Umgebungsbedingungen wirkungsvoll gegen das Coronavirus zu schützen. Diese Einschätzung dürfte im Übrigen auch zutreffen, wenn zertifizierte chirurgische Masken zur Verfügung gestellt und ordnungsgemäß getragen worden wären, da an deren Rändern Atemluft vorbeiströmen kann.
Vgl. z.B:. Hinweise des BfArM zur Verwendung von Mund-Nasen-Bedeckungen, medizinischen Gesichtsmasken sowie partikelfiltrierenden Halbmasken (FFP-Masken), abrufbar unter: https://www.bfarm.de/SharedDocs/Risikoinformationen/Medizinprodukte/DE/schutzmasken.html, zuletzt abgerufen am: 10. August 2022.
(d.) Zu einem anderen Ergebnis gelangt die Kammer auch dann nicht, wenn etwaige Arbeitsschutzverstöße anderer auf dem Betriebsgelände „J…………..in Rheda-Wiedenbrück“ tätigen (Sub-)Unternehmer in die Würdigung des Verschuldensbeitrags einbezogen würden.
Unabhängig von der Frage, ob und welche anderen (Sub-)Unternehmen als Erfüllungsgehilfen der Klägerin wiederrum die arbeitsschutzrechtlichen Pflichten der Klägerin miterfüllen und dieser etwaige Verstöße zuzurechnen sein könnten, kommt es auch dann nicht zu einer überwiegenden Verantwortlichkeit i.S.v. § 326 Abs. 2 Satz 1 Var. 1 BGB. Als Erfüllungsgehilfen kommen diese Unternehmen von vornherein nur in Betracht, soweit ihr Verhalten in den Betriebsräumen der Klägerin (und ggf. der U. Unternehmensgruppe) in Rede steht. Denn nur diesbezüglich besteht der erforderliche Wille der Klägerin, andere Firmen in ihre arbeitsschutzrechtliche Verantwortung miteinzubeziehen.
Vgl. zu den Voraussetzungen des Erfüllungsgehilfen im Einzelnen schon z.B.: VG Minden, Urteil vom 26. Januar 2022 - 7a K 424/21 -, juris Rn. 112 ff.
Soweit die anderen (Sub-)Unternehmer bei sonstigen Gelegenheiten - etwa im Rahmen der Unterbringung oder des Transports ihrer Arbeitnehmer - Arbeitsschutzpflichten verletzt haben, scheidet eine Zurechnung aus. Auch liegen bisher keine durchgreifenden Anhaltspunkte dafür vor, dass es die Klägerin bzw. die U. Unternehmensgruppe (schuldhaft) versäumt hätte, weitere Maßnahmen zum Schutz ihrer Mitarbeiter wegen außerhalb des Betriebsgeländes begangener Pflichtverletzungen gegen Coronaschutzmaßnahmen zu ergreifen.
Allein die Betriebsstätte betrachtet ist jedoch - wie oben bereits dargelegt - der Verursachungsbeitrag durch die Belüftungssituation derart gewichtig, dass selbst bei Zurechnung etwaiger dort begangener Verstöße der anderen auf dem Betriebsgelände tätigen Unternehmen keine überwiegende Verantwortlichkeit i.S.v. § 326 Abs. 2 Satz 1 Var. 1 BGB gegeben wäre.
Dass aufgrund der aufgezeigten Zersplitterung der arbeitsschutzrechtlichen Verantwortlichkeiten v.a. bei den sogenannten On-Site-Werkverträgen allenfalls über die Einschränkungen des § 278 BGB eine Verantwortlichkeit der Klägerin zu begründen ist, mag im Hinblick auf die Durchsetzung der Arbeitnehmer(schutz)rechte zu missbilligen sein. Dies rechtfertigt jedoch kein anderes Ergebnis, da nicht zu erkennen ist, dass die Klägerin bzw. die U. Unternehmensgruppe zum Zeitpunkt des Ausbruchsgeschehens bei der Gestaltung der Arbeitsabläufe mit solchen Werkverträgen den Rahmen der Rechtsordnung verlassen hätte. Denn der politische Wille zu Einschränkungen des Einsatzes von Fremdpersonal in der Fleischwirtschaft wurde mit § 6a des Gesetzes zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft (GSA Fleisch) erst mit Wirkung zum 1. Januar 2021 gefunden, obwohl die Auswirkungen derartiger Verträge bereits lange zuvor bekannt gewesen sind.
Vgl. Zimmer, in: Das Verbot des Fremdpersonaleinsatzes in der Fleisch-wirtschaft und dessen Anwendungsbereich, NZA 2022, 4, u.a. mit Bezug-nahme auf MAGS NRW, Überwachungsaktion, „Faire Arbeit in der Fleischindustrie“, Abschlussbericht, Dezember 2019, abrufbar unter: https://www.mags.nrw/sites/default/files/asset/document/191220_abschlussbericht_fleischindustrie_druckdatei.pdf.
(e.) Anders als das beklagte Land meint, bietet auch die Größe des Infektionsgeschehens als solche keine hinreichend belastenden Anhaltspunkte für die Annahme eines weit überwiegenden Pflichtenverstoßes der Klägerin. Die Ausführungen zu den Lüftungsbedingungen in der Betriebsstätte belegen, dass ein nach damaligen Erkenntnissen aufgestelltes Hygienekonzept nicht ausreichend war, um die Verbreitung des Coronavirus unter den Mitarbeitern zu verhindern. Im Übrigen gab es weltweit Ausbrüche dieser Art, die jedenfalls mit Blick auf die ermittelte Rate von Positivfällen mit dem hier streitgegenständlichen Geschehen vergleichbar waren.
(f.) Steht danach fest, dass die Unmöglichkeit jedenfalls zu einem nicht unerheblichen Teil nicht durch die Klägerin (oder ihr zurechenbare Personen), sondern durch zufällige Umstände verursacht wurde, verbleibt es nach § 326 BGB hinsichtlich der Primärleistungspflicht bei dem synallagmatischen Grundsatz - ohne Leistung keine Gegenleistung (§ 326 Abs. 1 BGB).
Vgl. OLG München, Urteil vom 7. August 2015 - 25 U 546/15 -, juris Rn. 35 ff.; Schwarze, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2020, § 326 Rn. C6.
(g.) Ohne dass es nach den obigen Ausführungen für den Ausgang des Verfahrens darauf ankäme, sei darauf hingewiesen, dass im Übrigen völlig unklar ist, ob und in welchem Ausmaß etwaige eigene bzw. der Klägerin zurechenbare Arbeitsschutzverstöße kausal für den Ansteckungsverdacht des Arbeitnehmers bzw. das stattgefundene Infektionsgeschehen gewesen sind.
Vgl. so schon: VG Minden, Urteil vom 26. Januar 2022 - 7a K 424/21 -, juris Rn. 157 f., m.w.N.; vgl. auch zum Beweisantrag einer gutachterlichen Feststellung der Vermeidbarkeit des spezifischen Infektionsgeschehens unter Berücksichtigung der festgestellten Verstöße und Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben: VG Münster, Urteil vom 19. Mai 2029 - 5a K 854/21 -, juris Rn. 145 ff.
Dies vorangestellt und mangels hinreichender Substantiierung war dann auch der weiteren Beweisanregung, „zur weiteren Aufklärung“ Herrn Prof. Dr. F1. und Frau Dr. C. als sachverständige Zeugen zu vernehmen, nicht nachzukommen.
Vgl. dazu auch: VG Münster, Urteil vom 19. Mai 2022 - 5a K 854/21 -, juris Rn. 153 ff.
bb. Auch § 326 Abs. 2 Satz 1 Var. 2 BGB führt nicht zu einem Lohnfortzahlungsanspruch des Arbeitnehmers B. gegen die Klägerin.
Nach § 326 Abs. 2 Satz 1 Var. 2 BGB behält der Arbeitnehmer den Anspruch auf Lohnfortzahlung, wenn der von ihm nicht zu vertretene Umstand (§ 300 BGB), auf Grund dessen er nach § 275 Abs. 1 bis 3 BGB nicht zu leisten braucht, zu einer Zeit eintritt, zu welcher der Arbeitgeber im Verzug der Annahme ist.
Die Regelung ist auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Zwar wurde der Betrieb der Klägerin aufgrund behördlicher Anordnung geschlossen, bevor gegenüber dem Arbeitnehmer die Absonderungsverfügung ergangen ist. Die Regelung (des allgemeinen Schuldrechts) ist auf Fälle wie diesen, in dem die Unmöglichkeit der Leistungserbringung bereits reflexartige Folge des Annahmeverzugs wegen des Fixschuldcharakters des Arbeitsverhältnisses ist, aber nicht anwendbar. § 615 Satz 1 (auch i.V.m. Satz 3) BGB ist insoweit die speziellere Norm, die eine Anwendung des allgemeinen Leistungsstörungsrechts ausschließt.
Im Übrigen hat die Absonderungsverfügung zwar ebenfalls zur Unmöglichkeit der Leistungserbringung geführt. Allerdings setzt § 326 Abs. 2 Satz 1 Var. 2 BGB seinem Wortlaut nach voraus, dass die Unmöglichkeit der Leistungserbringung dem Annahmeverzug des Arbeitgebers zeitlich nachfolgt. Da zu dem Zeitpunkt, in dem die Absonderungsanordnung gegenüber Herrn B. wirksam wurde, die Leistungserbringung wegen des Fixschuldcharakters der zu erbringenden Arbeitsleistung bereits unmöglich war, hatte dieser zweite, weitere Grund der Unmöglichkeit keine Auswirkung.
Vgl. zum Ganzen: Schmaus, § 615 BGB, § 326 II BGB und die Besonderheiten des Arbeitsrechts, in: JA 2022, 107 (111); Grüneberg, in: Grüneberg, BGB, 81. Auflage 2022, § 326 Rn. 11; Joussen, in: BeckOK Arbeitsrecht, BGB, 64. Edition, 1. Juni 2022, § 615 Rn. 407; Riesenhuber, in: Erman, BGB, 16. Auflage 2020, § 615 Rn. 2; a.M. Herresthal, in: BeckOGK, BGB, 1. April 2022, § 326 Rn. 262, Ernst, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2021, § 326 Rn. 74 und Rn. 78.
cc. Ein Lohnfortzahlungsanspruch des Herrn B. gegen die Klägerin besteht zudem nicht unter dem Gesichtspunkt eines Annahmeverzugs (§§ 293 ff. BGB) der Klägerin gemäß § 615 Satz 1 BGB oder § 615 Satz 3 BGB.
Speziell für Arbeitsverträge (u.a.) regelt § 615 Satz 1 BGB, dass der Arbeitnehmer, wenn der Arbeitgeber mit der Annahme der Dienste in Verzug kommt, für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen kann, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein.
Satz 3 des § 615 BGB bestimmt zudem, dass u.a. Satz 1 entsprechend in den Fällen gilt, in denen der Arbeitgeber das Risiko des Arbeitsausfalls trägt.
Beide Vorschriften wurden zwischen der Klägerin und Herrn B. nicht abbedungen.
Ein Annahmeverzug erfordert in beiden Fällen jedenfalls, dass der Arbeitnehmer während des gesamten Verzugszeitraums leistungsbereit, d.h. leistungsfähig und leistungswillig, ist (§ 297 BGB). Der Annahmeverzug des Arbeitgebers endet für die Zukunft (ex-nunc), wenn eine dieser Voraussetzungen fortfällt. Unerheblich ist dabei die Ursache für die Leistungsunfähigkeit des Arbeitnehmers. Das Unvermögen kann auf tatsächlichen Umständen (wie z.B. Arbeitsunfähigkeit) beruhen oder seine Ursache im Rechtlichen haben, etwa wenn ein gesetzliches Beschäftigungsverbot besteht oder eine erforderliche Erlaubnis für das Ausüben der geschuldeten Tätigkeit fehlt.
Vgl. z.B. BAG, Urteile vom 28. September 2016 - 5 AZR 224/16 -, juris Rn. 23, und vom 21. Oktober 2015 - 5 AZR 843/14 -, juris, Rn. 22, vom 22. Februar 2012 - 5 AZR 249/11 -, juris, Rn. 25 f., sowie vom 18. August 1961 - 4 AZR 132/60 - , juris Rn. 10; VG Münster, Urteil vom 19. Mai 2022 - 5a K 854/21 -, juris Rn. 59 ff.; Henssler, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2020, § 615 Rn. 31; Joussen, in: BeckOK Arbeitsrecht, BGB, 62. Edition, 1. Dezember 2021, § 615 Rn. 7; Krause, in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, BGB, 9. Auflage 2020, § 615 Rn. 68.
Das grundsätzliche Erfordernis des Annahmeverzugs ergibt sich für § 615 Satz 1 BGB - als arbeitsrechtliche Norm, die den Lohnfortzahlungszahlung im Falle der Leistungsstörung bei Realisierung des Wirtschaftsrisikos betrifft -,
vgl. dazu: Preis, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, BGB, 22. Auflage 2022, § 615 Rn. 121 a.E.; Waas/Palonka, in: Däubler/Hjort/Schubert/Wolmerath, Arbeitsrecht, BGB, 4. Auflage 2017, § 615 Rn. 33,
bereits aus dem eindeutigen Gesetzeswortlaut. Die wohl vorherrschende - arbeitsrechtliche - Auffassung nimmt dieses Erfordernis ebenfalls bei Anwendung des als Rechtsgrundverweisung ausgestalteten § 615 Satz 3 BGB an. Dem arbeitsfähigen und arbeitswilligen Arbeitnehmer bleibt im Falle der Annahmeunmöglichkeit der Vergütungsanspruch aufrechterhalten, wenn der Arbeitgeber das Risiko des Arbeitsausfalls trägt.
Vgl. z.B.: BAG, Urteil vom 13. Oktober 2021 - 5 AZR 211/21 -, juris Rn. 20; Linck, in: Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 19. Auflage 2021, § 101 Rn. 6; Tillmanns, in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, 5. Auflage 2021, § 76 Rn. 82; Henssler, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2020, § 615 Rn. 97; Krause, in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, BGB, 9. Auflage 2020, § 615 Rn. 121; Weidenkaff, in: Grüneberg, BGB, 81. Auflage 2022, § 615 Rn. 21: Leistungsfähiger und Leistungsbereiter Arbeitnehmer erforderlich; jedenfalls zur Anwendbarkeit von § 297 BGB (Leistungsfähigkeit) bei Betriebsrisikofällen: Gräf/Rögele: Zusammentreffen von Betriebs- und Wegerisiko, in: NZA 2013, 1120, 1123; a.M. dagegen: Preis, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, BGB, 22. Auflage 2022, § 615 Rn. 122; Preis/Mazurek/Schmid, Rechtsfragen der Entgeltfortzahlung in der Pandemie, in: NZA 2020, 1137 (1144).
Nur der leistungsfähige und leistungswillige Arbeitnehmer hat im doppelten Sinne des Wortes das Entgelt „verdient“.
Vgl. Linck, in: Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 19. Auflage 2021, § 101 Rn. 12.
Die Voraussetzungen des Annahmeverzugs liegen - unter Berücksichtigung der arbeitsrechtlichen Besonderheiten - nicht vor.
Zwar war der Klägerin ab dem 17. Juni 2020 die Annahme der Arbeitsleistung ihres Arbeitnehmers B. nicht möglich. Denn ihr (einziger) Betriebsstandort unter der Adresse „J. in 33378 Rheda-Wiedenbrück“ war zunächst aufgrund der mündlichen Verfügung des Landrates des Kreises Gütersloh vom 17. Juni 2020, schriftlich bestätigt durch Verfügung vom 10. August 2020, in der Zeit vom 17. Juni 2020 bis zum 2. Juli 2020 um 24:00 Uhr geschlossen. Im direkten Anschluss war der Betriebsstandort aufgrund der Allgemeinverfügung der Stadt Rheda-Wiedenbrück vom 2. Juli 2020 bis zum 17. Juli 2020 geschlossen. Die Verfügungen betrafen nach ihrem eindeutigen Wortlaut alle am o.g. Betriebsstandort ansässigen Unternehmen der Unternehmensgruppe U. , zu der nach eigenen Angaben sowie dem vorliegenden „Organigramm U. “ auch die Klägerin gehört. Dass die schriftliche Bestätigung vom 10. August 2020 allein der U. I. ApS & Co.KG bekannt gegeben wurde, ändert an der Schließung des Betriebs der Klägerin nichts. Unerheblich ist auch, dass in den Verfügungen Ausnahmen von der Betriebsschließung für bestimmte Personengruppen vorgesehen waren, denn unter diese Regelungen fiel der Arbeitnehmer nicht. Ob die (wirksamen) Verfügungen rechtmäßig waren, ist ebenso wenig relevant.
Der Arbeitnehmer B. war im hier maßgeblichen Zeitraum vom 20. Juni bis zum 16. Juli 2020 wegen der behördlichen Anordnung zur häuslichen Absonderung aber nicht leistungsfähig. Seine Arbeitsleistung war mangels abweichender Angaben im Arbeitsvertrag im Juni/Juli 2020 - grundsätzlich - in Rheda-Wiedenbrück auf dem Firmengelände der Klägerin geschuldet (vgl. § 269 BGB).
Vgl. dazu z.B.: Reichold, Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Band 1, Individualarbeitsrecht I, 5. Auflage 2021, § 40 Rn. 49 ff.; Borgmann, in: Hümmerich/Reufels, Gestaltung von Arbeitsverträgen, § 1 Rn. 848 ff.
Er hatte offenkundig auch keine Möglichkeit, die geschuldete Tätigkeit als Arbeiter bzw. Produktionsmitarbeiter in der eigenen Häuslichkeit (Homeoffice) zu erbringen.
Zudem hat das Gericht bereits entschieden, dass eine Arbeitgeberin - wie die Klägerin - in einer Fallkonstellation wie der Vorliegenden, in der jedenfalls kein weit überwiegendes Verschulden ihrerseits i.S.d. § 326 Abs. 2 Satz 1 Var. 1 BGB festgestellt werden kann, nicht wegen des Grundsatzes von Treu und Glauben gehindert ist, sich auf die Leistungsunfähigkeit ihres Arbeitnehmers zu berufen.
Vgl. dazu im Einzelnen: VG Minden, Urteil vom 26. Januar 2022 - 7a K 424/21 -, juris Rn. 178 ff.
Darüber hinaus ist - speziell - § 615 Satz 1 BGB bezogen auf die mit der Betriebsschließung einhergehende Leistungsverhinderung nicht anwendbar, weil sich nach der höchstrichterlichen arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung in Fällen wie diesem nicht das Wirtschaftsrisiko der Klägerin realisiert hat.
Vgl. BAG, Urteil vom 13. Oktober 2021 - 5 AZR 211/21 -, juris Rn. 14 ff.; zur Abgrenzung von Wirtschafts- und Betriebsrisiko schon: VG Minden, Urteil vom 26. Januar 2022 - 7a K 424/21 -, juris Rn. 195 ff.
Es liegt auch nicht wegen der konkreten Ausgestaltung der Schließungsanordnung ein Fall der unter § 615 Satz 1 BGB zu subsumierenden „Annahmeunwilligkeit“,
vgl. BAG, Urteil vom 13. Oktober 2021 - 5 AZR 211/21 -, juris Rn. 14 ff., m.w.N.,
vor. Zwar wurde zur Ermöglichung der geordneten Schließung des Betriebsstandorts einzelnen Mitarbeitern bis zum 21. Juni 2020, 23:00 Uhr im Rahmen der Arbeitsquarantäne erlaubt, Tätigkeiten zur Entsorgung der Schlachtabfälle und Konfiskaten durchzuführen und darüber hinaus durfte im „notwendigen Umfang“ v.a. im Bereich der Verwaltung weitergearbeitet werden. Das Erfordernis, die für die Arbeitsquarantäne in Betracht kommenden Mitarbeiter auszuwählen, bedeutet aber nicht, dass die Klägerin die grundsätzlich einsatzfähigen (z.B. Erfordernis eines negatives Testergebnisses) aber nicht eingesetzten Mitarbeiter nicht einsetzen wollte. Sie war stattdessen aufgrund der Anordnungen des Kreises Gütersloh, der Stadt Rheda-Wiedenbrück sowie des MAGS, die den Kreis der Adressaten auf Einzelausnahmen limitiert hatten, an der Beschäftigung gehindert.
Schließlich steht der Anwendbarkeit von - speziell - § 615 Satz 3 BGB entgegen, dass die Regelung nach einhelliger Meinung voraussetzt, dass weder der Arbeitnehmer noch der Arbeitgeber die Unmöglichkeit der (mit Blick auf die Betriebsschließung betriebsbezogene) Leistungsverhinderung zu vertreten haben. Diese Voraussetzung ist schon deshalb nicht erfüllt, weil jedenfalls die Klägerin als Arbeitgeberin wegen aufgezeigter Verstöße gegen Corona-Schutzmaßnahmen die Anordnung fahrlässig mitverursacht hat.
Das Merkmal der beiderseitig unverschuldeten Unmöglichkeit ist nach Auffassung der Kammer (insbesondere) nicht im Wege eines Erst-Recht-Schlusses dahingehend auszulegen, dass der Arbeitgeber auch dann zur Lohnfortzahlung verpflichtet bleibt, wenn ihn ein Verschuldensbeitrag unterhalb der Schwelle des alleinigen oder weit überwiegenden Verschuldens (i.S.d. § 326 Abs. 2 Satz 1 Var. 1 BGB) trifft.
Vgl. dazu im Einzelnen: VG Minden, Urteil vom 26. Januar 2022 - 7a K 424/21 -, juris Rn. 229 ff.
Diese Erwägungen gelten nicht nur, wenn eine nicht betriebsbezogene coronabedingte Absonderungsverfügung,
vgl. dazu: VG Minden, Urteil vom 26. Januar 2022 - 7a K 424/21 -, juris Rn. 195 ff.,
in Streit steht, sondern auch beim Vorliegen der betriebsbezogenen Anordnung einer Betriebsschließung. Der Arbeitnehmer kann insoweit ggf. Schadensersatzansprüche gegen seine Arbeitgeberin geltend machen, sodass keine Schutzlücke entsteht, die eine andere Auslegung rechtfertigen könnte.
dd. Ein Vergütungsanspruch folgt nicht aus § 3 EFZG. Danach hat ein Arbeitnehmer, der durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert ist, ohne dass ihn ein Verschulden trifft, Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen.
Ausweislich der insoweit nachvollziehbaren Angaben der Klägerin war Herr B. im streitgegenständlichen Zeitraum nicht arbeitsunfähig erkrankt. Dieser Vortrag wurde auch vom beklagten Land nicht durchgreifend in Frage gestellt.
ee. Herrn B. stand gegen die Klägerin kein Anspruch auf Lohnfortzahlung nach § 616 Satz 1 BGB zu. Nach dieser Regelung wird der zur Dienstleistung Verpflichtete des Anspruchs auf die Vergütung nicht dadurch verlustig, dass er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird.
Vgl. dazu im Einzelnen: VG Minden, Urteil vom 26. Januar 2022 - 7a K 424/21 -, juris Rn. 245 ff.
Überdies verlangt der Lohnfortzahlungsanspruch - grundsätzlich - einen Kausalzusammenhang zwischen persönlichem Hinderungsgrund und der Nichtleistung. Der persönliche Hinderungsgrund muss die alleinige Ursache für den Arbeitsausfall und damit für den Verlust des Vergütungsanspruchs sein (Erfordernis der Monokausalität). Denn der Bestimmung liegt das Lohnausfallprinzip zu Grunde. Der betroffene Arbeitnehmer soll die Vergütung erhalten, die er ohne persönliches Leistungshindernis erzielt hätte.
Vgl. BAG, Urteile vom 6. Dezember 1995 - 5 AZR 237/94 -, juris Rn. 28, und vom 7. Juni 1988 - 1 AZR 597/86 -, juris Rn. 29, sowie vom 22. August 1984 - 5 AZR 539/81 -, juris Rn. 22 f.; Bieder, in: BeckOGK, BGB, 1. Juli 2022, § 616 Rn. 35, m.w.N.; Oetker, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2022, § 616 Rn. 92 ff.; Baumgärtner, BeckOK, BGB, 62. Edition, 1. Mai 2022, § 616 Rn. 8; Linck, in: Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 19. Auflage 2021, § 97 Rn. 12, 26; Henssler, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2020, § 616 Rn. 62; Boecken, in: NK-Gesamtes Arbeitsrecht, BGB, 1. Auflage 2016, § 616 Rn. 17; Hohenstatt/Krois, Lohnrisiko und Entgeltfortzahlung während der Corona-Pandemie, NZA 2020, 413 (415).
Nach dieser Maßgabe ist § 616 BGB nicht anwendbar. Nach den vorhergehenden Feststellungen hätte der Arbeitnehmer B. auch ohne Absonderung nicht gearbeitet und deswegen keinen Lohn erhalten. Auch eine an die Betriebsschließung anknüpfende Lohnfortzahlung hätte ihm - wie zuvor (aa. bis dd.) dargelegt - nicht zugestanden.
Ob von diesem Grundsatz im besonderen Einzelfall eine Ausnahme zu machen ist, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Ein solcher liegt hier nämlich nicht vor.
b. Die erforderliche Kausalität („dadurch“) im Sinne des § 56 Abs. 1 Sätze 1 und 2 i.V.m. Abs. 5 IfSG,
vgl. dazu: Eckart/Kruse, in: BeckOK, Infektionsschutzrecht, IfSG, 12. Edition, 1. Juli 2022, § 56 Rn. 38,
200
zwischen dem zuvor festgestellten Verdienstausfall und der Absonderung ist nicht gegeben. Der Verdienstausfall muss „dadurch“ verursacht worden sein, dass gegenüber dem Betroffenen eine Absonderungspflicht wirksam geworden ist.
Kausalität in diesem Sinne bedeutet Monokausalität. Das heißt, die Absonderungspflicht muss die alleinige Ursache des Verdienstausfalls darstellen. Für diese Sichtweise spricht, dass der Entschädigungsanspruch eine Billigkeitsregelung darstellt und der Gesetzgeber die Betroffenen mit der Gruppe der Kranken, die über das Entgeltfortzahlungsgesetz geschützt sind, in dem dieser Grundsatz ebenfalls gilt, gleichstellen wollte.
Vgl. Eckart/Kruse, in: BeckOK, Infektionsschutzrecht, IfSG, 12. Edition, 12. Januar 2022, § 56 Rn. 38 und Rn. 1; Gerhardt, in: Gerhardt, IfSG, 6. Auflage 2022, § 56 Rn. 11; Kümper, in: Kießling, IfSG, 2. Auflage 2021, § 56 Rn. 25; vgl. zum EFZG z.B. Müller-Glöge, in: Münchener Kommentar zum BGB, EFZG, § 3 Rn. 14; vgl. auch OLG Hamm, Urteil vom 29. Oktober 2021 - I-11 U 60/21 -, juris Rn. 13.
Der erforderliche Kausalzusammenhang entfällt demnach, wenn der Arbeitnehmer - die Absonderung hinweggedacht - ohnehin einen Verdienstausfall erlitten hätte. Das ist der Fall, wenn dem Arbeitnehmer - auch ohne Absonderungsverpflichtung - im streitrelevanten Zeitraum (aus anderen Gründen) kein Lohnfortzahlungsanspruch gegen seine Arbeitgeberin zugestanden hätte.
Dieses Erfordernis der Monokausalität ist nicht unbillig. Der von einer Absonderungsverfügung Betroffene soll durch die Entschädigungsregelungen nicht besser gestellt werden, als ein Arbeitnehmer ohne Absonderungspflicht. Anders als die Klägerin meint, besteht daher kein Bedarf, die Conditio-sine-qua-non-Formel im Sinne einer alternativen Kausalität zu modifizieren. Diese vornehmlich im Straf- und Haftungsrecht angewendete Formel dient dazu, unplausible Ergebnisse in diesen Rechtsgebieten zu vermeiden. Eine Übertragung auf § 56 IfSG erscheint verfehlt.
Nach dieser Maßgabe ist der Verdienstausfall nicht durch die Absonderung verursacht worden. Der Arbeitnehmer hätte seine arbeitsvertraglich geschuldete Leistung aufgrund der vom 17. Juni 2020 bis zum 17. Juli 2020 angeordneten Betriebsschließung gegenüber der Klägerin (ohnehin) nicht erbringen können. Nach dem Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“ wäre sein Lohnanspruch entfallen. Dass der Arbeitnehmer - hypothetisch - durch Ausübung des Direktionsrechts nach § 106 Satz 1 GewO in einen anderen Betrieb der Klägerin hätte versetzt werden können, ist von der Klägerin nicht (nachvollziehbar) vorgetragen. Sie hat stattdessen in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass sie keine weiteren Betriebsstätten an anderen Standorten betreibe. Dem Arbeitnehmer hätte in diesem Zeitraum auch kein Lohnfortzahlungsanspruch zugestanden. Wie dargelegt scheidet insbesondere ein Anspruch auf Lohnfortzahlung nach § 615 Satz 1 BGB aus, da die Regelung nur den Fall des (hier mit Blick auf die Betriebsschließung nicht vorliegenden) Wirtschaftsrisikos erfasst. Ob die Klägerin einzelne Mitarbeiter in anderen Gesellschaften der U. Unternehmensgruppe,
vgl. zur Unternehmensstruktur: U. , Unsere Standorte, abrufbar unter: https://www.u. .de/unternehmen/standorte/, abgerufen am: 15. September 2022; vgl. auch Organigramm U. in der Akte der Staatsanwaltschaft Az. 911 Js 788/20, „SB Unterlagen Bezirksregierung Detmold, S. 3,
hätte einsetzen können, ist insoweit unerheblich. Dies hätte nur über gesonderte Abreden mit den Mitarbeitern erfolgen können. Ein solches Vorgehen hätten die Arbeitnehmer überdies nicht verlangen können. Im Übrigen waren diese Unternehmen mit eigenen Mitarbeitern bestückt. § 615 Satz 3 BGB begründet keinen Anspruch des Arbeitnehmers B. , weil die Klägerin als Arbeitgeberin die Betriebsschließung und die Absonderung jedenfalls fahrlässig mitverursacht hat. Eine alleinige oder weit überwiegende Verantwortlichkeit i.S.d. § 326 Abs. 2 Satz 1 Var. 1 BGB lässt sich aber nicht feststellen. Die 2. Variante von § 326 Abs. 2 Satz 1 BGB ist jedenfalls deshalb nicht einschlägig, weil die Unmöglichkeit der Leistungserbringung bereits reflexartige Folge des Annahmeverzugs wegen des Fixschuldcharakters des Arbeitsverhältnisses ist und nicht erst Folge der Absonderungsverfügung. § 616 BGB greift für den Fall der Betriebsschließung schon nicht ein.
Ob auf Sekundärebene etwaige Schadensersatzansprüche der Arbeitnehmer wegen der Betriebsschließung gegenüber der Klägerin bestehen, ist für die Prüfung des Vorliegens eines Verdienstausfalls nicht relevant.
In diesem Zusammenhang wird vorsorglich darauf hingewiesen, dass die vom Verwaltungsgericht Minden am 26. Januar 2022 entschiedenen Fälle,
vgl. VG Minden, Urteil vom 26. Januar 2022 - 7a K 424/21 und 7a K 739/21 -, juris,
nicht mit der vorliegenden Fallkonstellation vergleichbar sind. Den Entscheidungen aus Januar liegt die Annahme zu Grunde, dass die dortigen Klägerinnen (Werkunternehmerinnen) nicht von einer Betriebsschließung betroffen waren und - die Absonderungsverfügung hinweggedacht - ihre Arbeitnehmer unter Berücksichtigung der arbeitsvertraglichen Regelungen sowie des Unternehmensgegenstands in einem Betrieb außerhalb des (geschlossenen) Betriebsgeländes der U. Unternehmensgruppe „J. in 33378 Rheda-Wiedenbrück“ hätten einsetzen können. Wenn den Werkunternehmerinnen dies (z.B. aufgrund der Kurzfristigkeit der Schließungsverfügung) nicht möglich gewesen wäre, so hätten sie von ihren Arbeitnehmern jedenfalls in Annahmeverzug gesetzt werden können und hätten das Wirtschaftsrisiko, das darin bestanden hätte, keine adäquate Arbeit zur Verfügung stellen zu können, jedenfalls nach § 615 Satz 1 BGB getragen.
Vgl. dazu: Krause, in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, BGB, § 615 Rn. 118, m.w.N.
Es lagen damit keine Konstellationen vor, in denen ein von einer Absonderungsverfügung Betroffener durch die Entschädigungsregelungen besser gestellt wurde als ein Arbeitnehmer ohne Absonderungspflicht.
Damit scheidet ein Erstattungsanspruch mangels Vorliegens des erforderlichen Kausalitätszusammenhangs zwischen Absonderung und Verdienstausfall aus. Ob dem Arbeitnehmer wegen der Absonderung ggf. auf Sekundärebene Schadensersatzansprüche gegen die Klägerin zustehen, ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens.
Vorsorglich weist die Kammer darauf hin, dass der Klägerin auch dann der geltend gemachte Anspruch nicht zusteht, wenn man entgegen der obigen Ausführungen annehmen wollte, dass (insbesondere) die Voraussetzungen der vorbenannten Lohnfortzahlungsansprüche vorliegen. Denn dann scheitert der Erstattungsanspruch an der Voraussetzung des Verdienstausfalls für den Arbeitnehmer.
III. Der Klägerin steht auch aus anderen Rechtsgrundlagen (etwa § 56 IfSG analog oder Aufopferungsanspruch o.ä.) und mit Blick auf die Betriebsschließung kein Anspruch auf Erstattung der an ihren Arbeitnehmer gezahlten Verdienstausfallentschädigung gegen das beklagte Land zu.
Vgl. dazu im Einzelnen: Gerhardt, in: Gerhardt, IfSG, 6. Auflage 2022, § 56 Rn. 42 ff.; vgl. auch: BGH, Urteil vom 17. März 2022 - III ZR 79/21 -, juris Rn. 19.
B. Da der geltend gemachte Erstattungsanspruch nicht besteht, ist die Klage auch unbegründet, soweit die Klägerin aus dem Erstattungsbetrag die Verurteilung des beklagten Landes zur Zahlung von Prozesszinsen verlangt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.