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VG Osnabrück hat „keine Bedenken“ Arzt Tätigkeit wegen fehlender Impfung zu verbieten.

VG Osnabrück, Beschluss vom 25.07.2022, Gz. 3 B 104/22

Zusammenfassung

Das Gesundheitsamt Osnabrück verbot einen Zahnarzt ab 09.06.2022 bis Ende 2022 weiterhin als Arzt tätig zu sein. Gegen dieses Verbot suchte der Mann Schutz vor Gericht – der ihm versagt wurde. Das Verwaltungsgericht Osnabrück hatte keine Bedenken, dass ihm die Tätigkeit als Arzt verboten wurde.

Anmerkung

Ungeimpften Ärzten konnte in Deutschland von heute auf morgen verboten werden, als Arzt zu arbeiten. Das VG Osnabrück sah darin keine Probleme. Es hält dieses Vorgehen nicht nur für rechtmäßig, sondern sagt sogar ausdrücklich, dass es „keinerlei Bedenken“ hat. „Selbstverständlich“ müsse ein Arzt eine Impfung nachweisen.

Das Argument des betroffenen Arztes, es handle sich keineswegs um eine Impfung im zulässigen Sinne, wies das Gericht als abwegig zurück, Zitat:

„Soweit der Antragsteller in diesem Zusammenhang auch darauf hinweist, dass es sich seiner Ansicht nach bei den bisher vorliegenden Impfstoffen nicht um eine Impfung im zulässigen Sinne, insbesondere des Arzneimittelgesetzes, handle, hält die Kammer diesen durch keinerlei wissenschaftliche Nachweise belegten Vortrag für abwegig.“

Sodann schickten sich die Juristen an, dem Mediziner zu erklären, was in ihren Augen im Hinblick auf die Wissenschaft gelte, Zitat:

„...; die Zulässigkeit der Impfstoffe ist wissenschaftlich anerkannt.“

Eine Begründung liefern die Juristen dem Mediziner nicht – sie behaupten es einfach. Dass zum damaligen Zeitpunkt weltweit eine große Zahl an Medizinern Kritik an den sogenannten Impfstoffen äußerte, scheint das Gericht gr nicht zur Kenntnis zu nehmen. Vielmehr ordnet es dies als Einzelmeinung ein, Zitat:

„Gegenläufige Ansichten bezüglich deren Zulässigkeit als Impfstoff werden im wissenschaftlichen Diskurs als Einzelmeinungen eingeordnet; ...“

Nachweise? Fehlanzeige.

Wie begründet das Gericht diese Behauptung? Gar nicht!

Wie kommt ein Gericht auf die Idee, eine erhebliche Zahl an Kritikern weltweit als „Einzelmeinung“ abzutun? Wie kommt das Gericht zu dieser Einschätzung?

Und selbst wenn es Einzelmeinungen wären: Wie kommt das Gericht auf die Idee, dass diese unerheblich wären?

Bringen die Richter, die ganz sicher ganz herausragende Juristen sind, die Fachkenntnisse mit, diese medizinischen Einschätzung von sich aus zu treffen?

Und falls ja: Warum teilen sie dann nicht mit, wie sie sich mit dieser Frage auseinandergesetzt haben?

Und wenn sie diese Fachkenntnisse nicht besitzen sollten: Wie kommen sie dann dazu, eine solche Einschätzung vorzunehmen?

Das Gericht ist jedoch noch nicht fertig mit der Offenlegung seiner ganz eigenen Art der medizinischen Expertise und verkündet, Zitat:

„...; das Risiko, dass sich der Antragsteller mit dem Coronavirus infiziert und es insoweit auf Patienten oder Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen überträgt, ist durch seine fehlende Impfung jedoch wesentlich erhöht.“

Mich interessiert, woher das Gericht diese Kenntnis haben will. Denn als eine Vertreterin des Herstellers Pfizer vor dem Europaparlament gefagt wurde: „War der Pfizer Impfstoff darauf getestet Infektionen zu stoppen bevor er auf den Markt kam?“ musste Pfizers vertreterin dies verneinen. (Quelle: https://www.transparenztest.de/post/europa-parlament-pfizer-muss-zugeben-dass-impfstoffe-infektionen-nicht-verhindern)

Wie kann es also sein, dass das VG Osnabrück Behauptungen zu Übertragungswahrscheinlichkeiten aufstellen kann? Man ahnt es bereits: Auch an dieser Stelle liefert das Gericht keinen Nachweis für seine Behauptungen.

Einen Satz später geht das Gericht dazu über, den Grad der Verworrenheit zu steigern. Es meint, Zitat:

„Dabei kommt es nicht allein auf eine etwaig erhöhte Übertragungswahrscheinlichkeit, sondern vielmehr auf die unbestritten erhöhte Infektionswahrscheinlichkeit des Antragstellers an.“

Auch hier: Woher das Gericht zu wissen vermag, es sei „unbestritten,“ dass der betroffene Arzt eine erhöhte Infektionswahrscheinlichkeit aufweise, behält es für sich.

Gerichte sind gesetzlich verpflichtet, ihre Entscheidungen zu begründen – aus guten Gründen. Ich überlasse es an dieser Stelle dem Leser, zu beurteilen, ob das Gericht mit seiner Aneinanderreihung unbelegter Tatsachenbehauptungen dieser Pflicht gerecht geworden ist.

Die Entscheidung des Gerichts:


Amtlicher Leitsatz

  1. § 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG ist verfassungskonform (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21).
  2. Auch Zahnärzte sind von der einrichtungsbezogenen Impfpflicht des § 20a Abs. 1 IfSG umfasst; auf den tatsächlichen Kontakt zu vulnerablen Personengruppen kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.
  3. Der mit der Anordnung eines Tätigkeitsverbots verbunden massive Eingriff in das Grundrecht auf Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) wird im Fall eines ungeimpften Zahnarztes, bei dem naturgemäß nicht ausgeschlossen werden kann, dass er im Rahmen seiner Tätigkeit engen Kontakt zu besonders vulnerablen Personen hat, durch die staatliche Verpflichtung zur Aufrechterhaltung und Gewährleistung des öffentlichen Gesundheitsschutzes und das Recht auf körperliche Unversehrtheit dritter - vulnerabler - Personen gerechtfertigt.

Entscheidungsgründe

Der Antrag, mit dem der Antragsteller die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner am 14. Juli 2022 erhobenen Klage (3 A 144/22) gegen das mit Bescheid vom 9. Juni 2022 ihm gegenüber angeordnete Tätigkeitsverbot begehrt, hat keinen Erfolg.

Der Antrag ist zulässig.

Der nach § 80 Abs. 5 S. 1 Alt. 1 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gerichtete Antrag ist statthaft, weil die Klage des Antragstellers hier kraft Gesetzes (§ 20a Abs. 5 Satz 4 Infektionsschutzgesetz - IfSG -) keine aufschiebende Wirkung hat (§ 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwGO).

Der Antrag hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

Zunächst sei darauf hingewiesen, dass eine den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO genügende Begründung seitens des Antragsgegners aufgrund der gesetzlich angeordneten sofortigen Vollziehbarkeit des Bescheides entgegen der Ansicht des Antragstellers nicht erforderlich war. Die angegriffene Verfügung ist formell rechtmäßig.

Auch in materieller Hinsicht hat der Antrag keinen Erfolg.

Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht in den Fällen, in denen - wie hier - eine Klage kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung hat, selbige anordnen, wenn das Interesse des Adressaten, von der Vollziehung einer Maßnahme vorläufig verschont zu bleiben, das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiegt. Die gerichtliche Entscheidung über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO setzt eine Abwägung des Interesses des Antragstellers, von der Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes bis zur endgültigen Entscheidung über seine Rechtmäßigkeit verschont zu bleiben, gegen das öffentliche Interesse an dessen sofortiger Vollziehung voraus. Diese Abwägung fällt in der Regel zu Lasten des Antragstellers aus, wenn bereits im Aussetzungsverfahren bei summarischer Prüfung zu erkennen ist, dass sein Rechtsbehelf offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg bietet (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. Mai 2004 - 2 BvR 821/04 -, juris Rn. 20; Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl. 2017, Rn. 970 ff. m.w.N.). Dagegen überwiegt das Interesse an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs in aller Regel, wenn sich der Rechtsbehelf als offensichtlich begründet erweist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Oktober 1995 - BVerwG 1 VR 1.95 -, juris Rn. 3). Bleibt der Ausgang des Verfahrens in der Hauptsache bei der in dem Aussetzungsverfahren nur möglichen summarischen Prüfung (vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 11. September 1998 - BVerwG 11 VR 6.98 -, juris Rn. 4) jedoch offen, kommt es auf eine reine Abwägung der widerstreitenden Interessen an (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. Juni 2019 - BVerwG 1 VR 1.19 -, juris Rn. 6; Nds. OVG, Beschluss vom 10. März 2020 - 13 ME 30/20 -, juris Rn. 7).

Vorliegend ist das auf Grundlage des § 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG angeordnete Tätigkeitsverbot nach summarischer Prüfung rechtmäßig. Das Vollziehungsinteresse des Antragsgegners überwiegt somit das Aussetzungsinteresse des Antragstellers.

Nach der Vorschrift des § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 IfSG müssen die in bestimmten Einrichtungen oder Unternehmen des Gesundheitswesens und der Pflege tätigen Personen ab dem 15. März 2022 geimpft oder genesen sein. Bis zum Ablauf des 15. März 2022 haben Sie daher der Leitung der Einrichtung oder des Unternehmens einen Impf- oder Genesenennachweis nach § 22a Abs. 1 oder 2 IfSG oder aber ein ärztliches Zeugnis über das Bestehen einer medizinischen Kontraindikation vorzulegen (vgl. § 20a Abs. 2 Satz 1 IfSG). Wird bis zum 15. März 2022 kein Nachweis vorgelegt oder bestehen Zweifel an seiner Echtheit oder inhaltlichen Richtigkeit, hat die Leitung der jeweiligen Einrichtung oder des jeweiligen Unternehmens unverzüglich das Gesundheitsamt zu benachrichtigen (vgl. § 20a Abs. 2 Satz 2 IfSG). Dieses kann gegenüber Personen, die trotz Anforderung keinen Nachweis innerhalb angemessener Frist vorlegen, ein Betretungsverbot oder auch ein Tätigkeitsverbot verfügen (vgl. § 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG). Zudem sind verschiedene Regelungen des § 20a IfSG bußgeldbewehrt (vgl. 73 Abs. 1a Nr. 7e bis 7h IfSG).

Vorausgeschickt sei, dass die Kammer eine Verfassungswidrigkeit der Vorschrift des § 20a Abs. 1 IfSG nicht zu erkennen vermag (vgl. dazu auch BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022 – 1 BvR 2649/21 –, juris; OVG des Saarlandes, Beschluss vom 17. Mai 2022 - 2 B 62/22 -, juris unter Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 10. Februar 2022 - 1 BvR 2649/21).

Bedenken bestehen darüber hinaus auch nicht gegen die Regelung des § 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG. Das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 27. April 2022, a.a.O.) hat dazu ausgeführt:

„a) § 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG dient einem legitimen Zweck. Betretungs- und Tätigkeitsverbote sollen vulnerable Personen auch dann schützen, wenn sich die von der Nachweispflicht Betroffenen gegen eine Impfung entscheiden und gleichwohl ihre Tätigkeit fortsetzen. Mit dem erstrebten Schutz von Gesundheit und Leben der besonders gefährdeten, vulnerablen Personen dient § 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG überragend wichtigen Rechtsgütern (vgl. dazu auch BVerfGE 121, 317 <356>; 126, 122 <140>; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 19. November 2021 - 1 BvR 781/21 u.a. -, Rn. 176 m.w.N.; vgl. dazu auch Conseil Constitutionnel, Décision n°2021-824 DC vom 5. August 2021, Rn. 123).

b) Die angegriffene Regelung in § 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG ist im verfassungsrechtlichen Sinn auch geeignet, ihren Zweck zu erreichen. Der Gesetzgeber durfte annehmen, dass Betretungs- oder Tätigkeitsverbote für diejenigen Personen, die weder geimpft noch genesen sind, Leben und Gesundheit vulnerabler Menschen schützen. Betretungs- oder Tätigkeitsverbote tragen dazu bei, dass die von § 20a Abs. 1 Satz 1 IfSG erfassten Personen nicht mit den zu schützenden vulnerablen Menschen in direkten oder indirekten Kontakt kommen und sie infizieren können. Die angegriffenen Regelungen sind auch erforderlich. Ein milderes Mittel, das angestrebte Ziel gleich wirksam zu fördern, ist nicht ersichtlich

c) Die Regelung ist bei einer Abwägung zwischen ihrem Zweck und der Schwere des Eingriffs angemessen.

aa) Die Belastungswirkungen, die von § 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG ausgehen, unterscheiden sich je nach Art der ausgeübten Tätigkeit. Die Anordnung eines Betretungs- oder Tätigkeitsverbots hindert selbständig Tätige im Gesundheits- und Pflegebereich während der Geltungsdauer des angegriffenen Gesetzes regelmäßig an der weiteren Ausübung ihres Berufs und/oder ihrer Tätigkeit. Doch auch im Angestelltenverhältnis Tätige trifft eine entsprechende Anordnung nicht unerheblich. Zwar bleibt ein der ausgeübten Tätigkeit zugrundeliegendes Arbeits- oder Dienstverhältnis davon zunächst unberührt. Gleichwohl geht mit einem Tätigkeitsverbot regelmäßig zumindest der Verlust des Vergütungsanspruchs einher (vgl. Harländer/Otte, NZA 2022, 160 <163>). Wenn nicht ausnahmsweise eine Freistellung von der Arbeits- oder Dienstleistungsverpflichtung für die Gültigkeitsdauer des Gesetzes vereinbart werden kann, muss auch mit einer Kündigung des Arbeits- oder Dienstvertrags gerechnet werden. Insoweit geht der Gesetzgeber selbst davon aus, dass bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern die Vergütungspflicht des Arbeitgebers entfällt und weitere arbeitsrechtliche Konsequenzen, insbesondere eine Kündigung, in Betracht kommen (vgl. BTDrucks 20/188, S. 42). Auch soweit als Folge eines Tätigkeitsverbots eine bloße Umsetzung, Versetzung oder Betrauung mit anderen Tätigkeiten in der Einrichtung oder dem Unternehmen möglich sind, hat dies nicht unerhebliche berufsbeschränkende Wirkungen. Gleiches gilt für die Anordnung eines Betretungsverbots, was einen Wechsel jedenfalls des Orts der Tätigkeit zur Folge haben kann (zum Beispiel ein Wechsel ins Home-Office).

Die gesetzliche Regelung belastet dabei insbesondere diejenigen Personen, die auch im Falle eines Arbeitsplatzwechsels stets vom Erfordernis einer Impfung oder Genesung betroffen wären und sich diesem folglich nur durch Ausübung einer berufsfremden Tätigkeit entziehen können, wie etwa Pflegefachkräfte, Ärzte, Psychotherapeuten oder medizinische Fachangestellte. Ihnen wird durch den fehlenden Nachweis einer Impfung oder Genesung nicht nur der gegenwärtige, sondern ganz weitgehend jeder Arbeitsplatz in ihrem erlernten Berufsfeld bis zum 31. Dezember 2022 deutschlandweit unzugänglich und damit die freie Wahl über die Fortsetzung ihres Berufs ganz weitgehend unmöglich gemacht.

Demgegenüber kann etwa Verwaltungs-, Reinigungs- und Küchenpersonal zwar an seinem gegenwärtigen Arbeitsplatz vom Erfordernis einer Impfung oder Genesung erfasst sein. Diese Personen können jedoch bei einem Arbeitsplatzwechsel ihre gewählte berufliche Tätigkeit als solche weiter ausüben, solange sie nur nicht mehr in von § 20a Abs. 1 Satz 1 IfSG erfassten Einrichtungen oder Unternehmen tätig werden. Sie sind daher nicht zu einer vollständigen beruflichen Neuorientierung gezwungen, sondern nur zu einem Arbeitsplatzwechsel. Entsprechendes gilt für Dienstleister, die nicht allein für von § 20a Abs. 1 Satz 1 IfSG erfasste Einrichtungen und Unternehmen tätig sind.

bb) Die Belastungswirkungen erfahren teilweise Milderungen, denn der Gesetzgeber lässt auch die Interessen der betroffenen Berufsgruppen nicht unberücksichtigt. Zum einen stehen die Anordnung von Betretungs- oder Tätigkeitsverboten im Ermessen der Behörde, die bei ihrer Entscheidung das Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG insbesondere bei Bemessung der Dauer der Anordnung zu berücksichtigen hat (vgl. auch BTDrucks 20/188, S. 42). Zum anderen hat der Gesetzgeber den betroffenen Berufsgruppen eine Übergangsfrist von rund drei Monaten nach Inkrafttreten des Gesetzes bis zum 15. März 2022 gewährt, um sich auch bei fehlender Bereitschaft zur Impfung auf die beruflichen Folgen einzustellen. Zudem ist ein Betretungs- oder Tätigkeitsverbot aufzuheben, sobald ein gültiger Nachweis im Sinne des § 20a Abs. 2 Satz 1 IfSG vorgelegt wird.

cc) § 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG ist letztlich auch angemessen. Der Zweck, vulnerable Personen vor einer schwerwiegenden oder sogar tödlich verlaufenden COVID-19-Erkrankung zu schützen, rechtfertigt als besonders gewichtiger Belang (dazu Rn. 155) auch die Anordnung eines Betretungs- oder Tätigkeitsverbots. Selbst unter Berücksichtigung, dass § 20a IfSG vielen Betroffenen für einen bestimmten Zeitraum sogar den Zugang zu ihrem Beruf versperrt, erscheint die Regelung nicht unverhältnismäßig im engeren Sinne.

Insoweit spiegelt die unterschiedliche Belastungswirkung auch die Bedeutung der Impfung oder Genesung der jeweils Tätigen für die Zweckerreichung wider. Das durch § 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG besonders betroffene Personal in Heil- und Pflegeberufen steht aufgrund der Natur seiner beruflichen Tätigkeit regelmäßig in intensivem und engem Kontakt zu vulnerablen Personen, wodurch das durch die fehlende Impfung oder Genesung erhöhte Transmissionsrisiko akut wird und die Schutzbedürftigkeit vulnerabler Personen ungleich steigt. Das betroffene Verwaltungs-, Reinigungs- oder Küchenpersonal hat hingegen regelmäßig keinen oder nur einen kurzen unmittelbaren Kontakt zu vulnerablen Menschen und damit im Regelfall nur mittelbare, durch die gemeinsame Nutzung von Räumlichkeiten oder durch das medizinische und sonstige Pflege- und Betreuungspersonal vermittelte Kontakte mit den zu schützenden Personen.

Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass Beschäftigte nicht nur allgemein verpflichtet sind, für ihre eigene sowie die Sicherheit und Gesundheit derjenigen Personen zu sorgen, die von ihren Handlungen oder Unterlassungen bei der Arbeit (etwa als Kollegin oder Kollege) betroffen sind (vgl. § 15 Abs. 1 ArbSchG), sondern dass das durch § 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG besonders betroffene Personal in Heil- und Pflegeberufen auch eine besondere Verantwortung gegenüber den von ihm behandelten und betreuten Personen hat. Gerade Ärztinnen und Ärzten vertrauen Patienten ihre Gesundheit und nicht selten auch ihr Leben an. Jedenfalls Ersteres gilt in gleichem Maße für alle Heil- und Pflegeberufe. Dieser besonderen Verantwortung, an die auch das Gesetz anknüpft (vgl. BTDrucks 20/188, S. 2), müssen sich Angehörige dieser Berufsgruppen schon bei ihrer Berufswahl bewusst sein.“

Diesen Ausführungen ist nichts hinzuzufügen.

Der Vortrag des Antragstellers, mit dem er zum einen das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG infrage zu stellen (dazu unter 1.) und zum anderen die Rechtswidrigkeit der streitgegenständlichen Verfügung darzulegen versucht (dazu unter 2.), verfängt nicht.

    1. Entgegen der Ansicht des Antragstellers ist er selbstverständlich vom Anwendungsbereich des § 20a Abs. 1 IfSG umfasst. Zu den Personen, die ab dem 15. März 2022 über einen Impf- oder Genesenennachweis verfügen müssen, zählen gemäß § 20a Abs. 1 Nr. 1 h) auch Personen, die in Zahnarztpraxen tätig sind. Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieser Regelung bestehen bei der Kammer nicht; vielmehr ist es geradezu auf der Hand liegend, dass Personen, die in Zahnarztpraxen beschäftigt sind, aufgrund ihres Betätigungsfeldes regelmäßig in unmittelbarer Nähe zu den Gesichtern der jeweiligen Patienten agieren. Weshalb Zahnarztpraxen daher anders als beispielsweise allgemeinärztliche Praxen oder auch orthopädische Praxen von der einrichtungsbezogenen Impfpflicht nicht umfasst sein sollten, erschließt sich der Kammer nicht. Auf den tatsächlichen Kontakt zu besonders vulnerablen Personengruppen kommt es nicht an; § 20a Abs. 1 IfSG differenziert insoweit nicht.

    2. Soweit der Antragsteller in diesem Zusammenhang auch darauf hinweist, dass es sich seiner Ansicht nach bei den bisher vorliegenden Impfstoffen nicht um eine Impfung im zulässigen Sinne, insbesondere des Arzneimittelgesetzes, handle, hält die Kammer diesen durch keinerlei wissenschaftliche Nachweise belegten Vortrag für abwegig. Die aktuell vorliegenden Impfstoffe wurden jeweils von der WHO und auch der Europäischen Arzneimittelagentur EMA anerkannt. Gegenläufige Ansichten bezüglich deren Zulässigkeit als Impfstoff werden im wissenschaftlichen Diskurs als Einzelmeinungen eingeordnet; die Zulässigkeit der Impfstoffe ist wissenschaftlich anerkannt. Darüber hinaus geht der Antragsteller fehl, wenn er darauf hinweist, dass bislang kein Totimpfstoff zugelassen sei. Mit dem Vakzin „Nuvaxovid“ von Novavax steht seit geraumer Zeit ein proteinbasierter Impfstoff, der im weiteren Sinne ein Totimpfstoff ist (vgl. https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/130246/Novavax-EMA-macht-Weg-frei-EU-Kommission-erteilt-Zulassung, zuletzt abgerufen am 22. Juli 2022), zur Verfügung, mit dem sich der Antragsteller immunisieren lassen könnte.

    3. Eine Kontraindikation des Antragstellers im Sinne des § 20a Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 IfSG liegt nicht vor.

      Das entsprechende „Attest zur kritischen Impfbewertung“ des Dr. E. vom 15. Juni 2022 zählt zwar die Vorerkrankungen des Antragstellers auf, kommt jedoch lediglich zu dem Schluss, dass eine Impfung kritisch zu bewerten sei. Der Arzt führt ausdrücklich aus, dass eine Impfkontraindikation nicht ausgestellt werden dürfe und könne.

  1. Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung, die der Antragsgegner mit einem Widerrufsvorbehalt für den Fall, dass der Antragsteller einen Impf- oder Genesenennachweis vorlegt, versehen hat, bestehen im Rahmen der hier gebotenen summarischen Prüfung ebenfalls nicht.

    Die Verfügung weist insbesondere keine Ermessensfehler auf. Gemäß § 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG kommt der Behörde bei der Frage der Verhängung der in dieser Vorschrift vorgesehenen Maßnahmen ein Ermessensspielraum zu. Von diesem Ermessen hat der Antragsgegner aller Voraussicht nach sachgerecht Gebrauch gemacht.

    Der Antragsgegner hat zur Begründung ausgeführt, dass die Anordnung des Tätigkeitsverbots geeignet sei, den Schutz vulnerabler Personen zu gewährleisten. Die Aussprache des Tätigkeitsverbots sei auch erforderlich, da ein milderes Mittel in Form eines Betretungsverbots nicht gleich wirksam sei. Die Anordnung sei auch angemessen. Der damit verbundene massive Eingriff in das Grundrecht des Antragstellers auf Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) werde durch die staatliche Verpflichtung zur Aufrechterhaltung und Gewährleistung des öffentlichen Gesundheitsschutzes und das Recht auf körperliche Unversehrtheit dritter - vulnerabler - Personen gerechtfertigt. Der Schutzzweck sei besonders gewichtig und ein überwiegender Belang. Aufgrund der Natur der beruflichen Tätigkeit des Antragstellers stehe dieser regelmäßig in intensivem und engem Kontakt zu vulnerablen Personen. Das durch die fehlende Impfung oder Genesung erhöhte Transmissionsrisiko werde dadurch akut.

    Entgegen der Ansicht des Antragstellers hat der Antragsgegner weder die massiven Folgen der streitgegenständlichen Verfügung für diesen ignoriert noch das Risiko für betroffene Dritte unverhältnismäßig überhöht. Wie bereits ausgeführt, hat gerade der Antragsteller als Zahnarzt unmittelbaren und engen Kontakt zu den Gesichtern seiner Patienten, insbesondere zu deren Mund- und Nasenöffnungen. Trotz aller vom Antragsteller ergriffenen Vorsichtsmaßnahmen ist in dieser Konstellation das Risiko für eine Übertragung des Virus durch den Antragsteller auf seine Patienten oder auch Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen am Stuhl erheblich erhöht. Dies gälte bereits für den Fall, dass der Antragsteller geimpft wäre; das Risiko, dass sich der Antragsteller mit dem Corona-Virus infiziert und es insoweit auf Patienten oder Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen überträgt, ist durch seine fehlende Impfung jedoch wesentlich erhöht. Dabei kommt es nicht allein auf eine etwaig erhöhte Übertragungswahrscheinlichkeit, sondern vielmehr auf die unbestritten erhöhte Infektionswahrscheinlichkeit des Antragstellers an.

    Da zu den besonders vulnerablen Personen nicht nur alte oder schwerstkranke Menschen, sondern Personen mit vielfältigen Vorerkrankungen oder aber auch chronisch kranke Menschen zählen, ist auch nicht ausgeschlossen, dass der Antragsteller in seiner beruflichen Tätigkeit Kontakt mit solchen Personen hat.

    Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang auch, dass Beschäftigte im Heil- und Pflegesektor nicht nur allgemein verpflichtet sind, für ihre eigene sowie die Sicherheit und Gesundheit derjenigen Personen zu sorgen, die von ihren Handlungen oder Unterlassungen bei der Arbeit (etwa als Kollegin oder Kollege) betroffen sind (vgl. § 15 Abs. 1 ArbSchG), sondern dass das durch § 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG besonders betroffene Personal in Heil- und Pflegeberufen auch eine besondere Verantwortung gegenüber den von ihm behandelten und betreuten Personen hat. Gerade Ärztinnen und Ärzten vertrauen Patienten ihre Gesundheit und nicht selten auch ihr Leben an. Dieser besonderen Verantwortung, an die auch das Gesetz anknüpft (vgl. BTDrucks 20/188, S. 2), müssen sich Angehörige dieser Berufsgruppen schon bei ihrer Berufswahl bewusst sein (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022, a.a.O.).

    Soweit der Antragsteller auf organisatorische Schwierigkeiten, die mit dem angeordneten Verbot einhergehen, verweist, kann ihm darin nicht gefolgt werden. Zum einen hat der Gesetzgeber nach Einführung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht großzügige Übergangsfristen eingeräumt, die der Antragsteller offenbar weder für eine Impfung noch für das Treffen von Vorkehrungen für den Fall der Anordnung eines Tätigkeitsverbots genutzt hat. Zum anderen ist das Tätigkeitsverbot aktuell aufgrund der Gültigkeitsdauer des § 20a IfSG bis zum 31. Dezember 2022 befristet. Betroffen ist also lediglich ein überschaubarer Zeitraum. Begonnene Behandlungen können selbstverständlich von anderen Zahnärzten fortgesetzt werden. Dem stehen auch Haftungsfragen nicht entgegen. Zahnärzte können auch aus anderen Gründen plötzlich ausfallen und eine Fortsetzung der Behandlung durch einen anderen Arzt erforderlich sein. Mit dem Wissen um seinen Impfstatus und die gesetzlichen Regelungen hätte der Antragsteller überdies auch davon absehen können, langfristige Behandlungen zu beginnen, um seinen Patienten die nun eintretende Situation zu ersparen.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

    Die Streitwertfestsetzung erfolgt gemäß §§ 53 Abs. 2, 52 Abs. 1 GKG. Da das Eilrechtsschutzbegehren inhaltlich auf die Vorwegnahme der Hauptsache zielt, ist eine Reduzierung des Streitwerts für das Eilverfahren in Anlehnung an Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht angezeigt. Als Streitwert hat die Kammer den vom Antragsteller vorgetragenen wirtschaftlichen Verlust durch das streitgegenständliche Tätigkeitsverbot in Ansatz gebracht.