Eine Familie reist im Sommer in den Urlaub nach Ägypten. Als sie zurückkehrte, war sie gezwungen, sich für 5 Tage in Quarantäne zu begeben.
Sie trägt vor, dass sie in dieser Zeit keine Besuche von Freunden, Familie und Nachbarn empfangen konnte. Sie argumentiert, das BMG habe die Corona-Einreiseverordnung nicht erlassen dürfen. Für die Zeit der Quarantäne macht sie daher Schmerzensgeld geltend.
Erfolglos.
Einstufung Ägypten als Hochinzidentgebiet24.01.2021Wiedereinreise nach Deutschland04.06.2021Häusliche Quarantäne der Kläger04.06.2021 – 09.06.2021Urteil02.08.202224.01.202102.08.2022
Das Gericht ist der Meinung, der Familie stehe kein Schmerzensgeld zu. Zum einen habe sie einen Verfahrensfehler begangen, und zum anderen lägen die Voraussetzungen für eine Pflichtverletzung der Bundesrepublik Deutschland nicht vor.
Das Gericht meint:
„Die Kläger haben es darüber hinaus gemäß § 839 Abs. 3 BGB schuldhaft unterlassen, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.“
Man darf sich fragen, wie realistisch es ist, eine solche rechtliche Aktion in der Kürze der Quarantänefrist zu unternehmen – besonders wenn man die Kurzfristigkeit solcher Maßnahmen bedenkt.
Bei Richtern mag das anders sein, aber viele verfügen nicht über die nötigen rechtlichen Kenntnisse oder Ressourcen, um gleich das reichhaltige Rechtsinstrumentarium punktgenau anzuwenden. Wenn das Gericht von einer schuldhaften Unterlassung spricht, bekommt man Zweifel, ob es diesen Aspekt bedacht hat.
Der schnelle persönliche Weg zum Rechtsanwalt steht einem im Falle einer zwangsweisen Quarantäne ja gerade nicht zur Verfügung. Auf diesen Aspekt geht das Gericht nicht ein.
Das zweite Argument ist sehr juristisch und besteht darin, dass es bei der Norm, die die Bundesrepublik verletzt haben soll, nicht um eine solche handelt, die gerade die Kläger schützen soll, sondern nur die Allgemeinheit. Dass aber gerade die Kläger geschützt werden sollen, sei Voraussetzung für eine Haftung. Und diese Voraussetzung sei nicht erfüllt.
Fakt ist, die Kläger waren massiv betroffen durch die Regelung und sollten auch betroffen sein. Aufgrund des massiven Grundrechtseingriffs hätte man von dem Gericht erwarten können, dass es sich zumindest zu der Reichweite des Drittbezugs konkreter äußert, um auch die Grundrechtseingriffe erfassen zu können.
Interessant ist ein drittes Argument der Kläger, nämlich, dass die Einreiseverordnung gegen Unionsrecht verstößt, konkret: gegen das Recht auf Freizügigkeit. Dem erteilt das Gericht aber auch eine Absage, Zitat:
Dieses Recht kann von den Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer Zuständigkeit - u.a. aus Gründen des Gesundheitsschutzes - beschränkt werden. Eine solche Beschränkung stellen die Vorschriften der CoronaEinreiseV - insbesondere die Regelungen, die eine Absonderungspflicht begründen - dar.“
„Dabei beruft sich das Gericht auf die Empfehlung des Rates. Allerdings: Diese Empfehlungen sind nicht verbindlich für die Mitgliedstaaten. Das Gericht zieht die Regelungen zur Auslegung zwar trotzdem heran, allerdings prüft es nicht, ob die Maßnahmen zum Schutz der öffentlichen Gesundheit dienen, sondern behauptet es einfach.
Bei dieser weiten Auslegung wäre auch eine Quarantänepflicht wegen einer Grippe in Ordnung.
Die Kläger argumentieren außerdem, dass PCR-Tests zur Infektionsermittlung ungeeignet sind. Diese Aussage beleuchtet das Gericht nicht weiter, was eine kritische Diskussion über die Zuverlässigkeit und das Risiko von Fehlern bei PCR-Tests vermissen lässt. Dies ist eine Schwäche der Entscheidung, da die rechtliche Grundlage für Quarantäneanordnungen von der Genauigkeit und Geeignetheit solcher Tests abhängt.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu je 1/2 zu tragen.
Die Kläger verlangen von der Beklagten die Zahlung von Schmerzensgeld im Zusammenhang mit einer behaupteten mehrtägigen häuslichen Quarantäne nach Wiedereinreise von Ägypten am 04.06.2021.Ägypten war seit dem 24.01.2021 als Hochinzidenzgebiet eingestuft.Die Kläger behaupten, sie hätten sich nach der Wiedereinreise für fünf Tage in häusliche Quarantäne begeben. Sie hätten hierdurch immaterielle Schäden erlitten; ihnen seien Besuche von Freunden, Familie und Nachbarn untersagt gewesen, zugleich hätten sie soziale Kontakte nicht außerhalb des Hauses pflegen können.
Die Kläger sind der Ansicht, PCR-Tests seien ungeeignet, um das Infektionsgeschehen zu ermitteln. Die Beklagte habe beim Erlass der Coronavirus-Einreiseverordnung ihre Amtspflichten verletzt. Es fehle an einer Ermächtigungsgrundlage. Auch die Tatbestandsvoraussetzungen seien nicht erfüllt. Die Kläger meinen, sie seien in ihren Rechten aus Art. 2 Abs. 2, Art. 104 und Art. 3 GG verletzt worden. Weiter verstoße die Coronavirus-Einreiseverordnung gegen Art. 21 AEUV.Die Kläger beantragen,die Beklagte zu verurteilen, an sie jeweils ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld, mindestens jedoch 1.250,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.Die Beklagte beantragt,die Klage abzuweisen.Die Beklagte ist der Ansicht, sie habe keine drittbezogene Amtspflicht verletzt. Mit der Coronavirus-Einreiseverordnung habe sie zum Wohl des Gesundheitsschutzes der deutschen Bevölkerung gehandelt und damit eine Aufgabe gegenüber der Allgemeinheit im Allgemeinwohl wahrgenommen. § 4 CoronaEinreiseV sei rechtmäßig. Ansprüche der Kläger seien jedenfalls nach § 839 Abs. 3 BGB ausgeschlossen.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Den Klägern steht der geltend gemachte Anspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.
Ein Anspruch auf Schmerzensgeld aus § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. Art. 34 Satz 1 GG i.V.m. § 253 Abs. 2 BGB wegen Amtspflichtverletzung besteht nicht. Es fehlt bereits an der Verletzung einer drittschützenden Amtspflicht (dazu a)), im Übrigen scheitert der Anspruch darüber hinaus - selbständig tragend - an § 839 Abs. 3 BGB (dazu b)).
Die Beklagte hat bereits durch Erlass von § 4 CoronaEinreiseV auf der Grundlage von § 36 Abs. 8 des Infektionsschutzgesetzes keine die Kläger (dritt-)schützende Amtspflicht verletzt. Nach § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB ist erforderlich, dass es sich bei der verletzten Amtspflicht um eine solche handelt, die dem handelnden Beamten gegenüber einem Dritten, und zwar gerade auch gegenüber dem Anspruchsteller, obliegt. Der erforderliche Drittbezug besteht nur, wenn sich aus den die Amtspflicht begründenden und umreißenden Bestimmungen sowie aus der besonderen Natur des Amtsgeschäfts ergibt, dass der Geschädigte zu dem Personenkreis zählt, dessen Belange nach dem Zweck und der rechtlichen Bestimmung des Amtsgeschäfts geschützt und gefördert werden sollten (BGH, Urteil vom 20. Januar 2005 - III ZR 48/01 - juris Rn. 12). Dies ist bei Gesetzen und Rechtsverordnungen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht der Fall, weil Rechtsnormen generelle und abstrakte Regeln enthalten, bei deren Setzung der Normgeber in der Regel ausschließlich Aufgaben gegenüber der Allgemeinheit wahrnimmt, denen ein Drittbezug zu Lasten einzelner Betroffener mangelt (BGH, Beschluss vom 11. März 1993 - III ZR 30/92 - juris Rn. 4; KG, Urteil vom 18. November 2014 - 9 U 113/13 - juris Rn. 13). Nur ausnahmsweise - etwa bei sogenannten Maßnahme- oder Einzelfallgesetzen - kann etwas Anderes in Betracht kommen und können Belange bestimmter Einzelner unmittelbar berührt werden, so dass sie als „Dritte“ im Sinne des § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB angesehen werden können (BGH, Urteil vom 28. Januar 2021 - III ZR 25/20 - juris Rn. 12). Ein solches Maßnahme- oder Einzelfallgesetz setzt voraus, dass Belange bestimmter Einzelner, das heißt einer Einzelperson oder eines individuell bestimmten Personenkreises, berührt werden. Das ist zu verneinen, wenn sich das Gesetz an einen unüberschaubar großen und nicht individuell begrenzten Personenkreis richtet; ohne Bedeutung ist dabei die begrenzte Geltungsdauer eines Gesetzes (BGH, Urteil vom 28. Januar 2021 - III ZR 25/20 - juris Rn. 14).
Gemessen hieran stellt die Corona-Einreiseverordnung - eine Rechtsverordnung und mitnichten eine Allgemeinverfügung im Sinne des § 35 Satz 2 VwVfG - kein Maßnahme- oder Einzelfallgesetz dar. Denn es ist Teil eines bundesweiten Infektionsschutzkonzepts und richtet sich damit an einen unüberschaubar großen und nicht individuell begrenzten Personenkreis (vgl. auch LG Frankfurt, Urteil vom 12. Dezember 2021 - 2-04 O 165/21 - juris Rn. 64 ff.). Daran ändert auch der Hinweis auf die individuelle Betroffenheit der von der Verordnung erfassten einzelnen Grundrechtsträger nichts. Denn das allein macht sie nicht zu „Dritten“ im Sinne des § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB. Ein solches Verständnis gäbe vielmehr, besonders bei der Weite des Schutzes durch Art. 2 Abs. 1 GG dieses einschränkende Tatbestandsmerkmal insgesamt auf und führte zu einer konturlosen Haftung für jeglichen Rechtsverstoß des Gesetzgebers (s. hierzu nur OLG Brandenburg, Urteil vom 1. Juni 2021 - 2 U 13/21 - juris Rn. 28 ff.).
Die Kläger haben es darüber hinaus gemäß § 839 Abs. 3 BGB schuldhaft unterlassen, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden. Rechtsmittel im Sinne des § 839 Abs. 3 BGB sind alle Rechtsbehelfe, die sich gegen die eine Amtspflichtverletzung darstellende Handlung oder Unterlassung richten und sowohl deren Beseitigung oder Berichtigung als auch die Abwendung des Schadens zum Ziel haben und herbeizuführen geeignet sind (BGH, Urteil vom 9. Juli 1958 - V ZR 5/57 - juris Rn. 10). Darunter fallen insbesondere verwaltungsgerichtliche Klagen und Eilanträge. Nicht unter § 839 Abs. 3 BGB fällt hingegen die Verfassungsbeschwerde nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG (BGH, Urteil vom 23. März 1959 - III ZR 207/57 - juris Rn. 25).
Den Klägern steht auch kein Anspruch auf Schmerzensgeld auf der Grundlage des unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs zu.
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union kommt eine Haftung eines Mitgliedstaats in Betracht, wenn er gegen eine Norm des Unionsrechts verstoßen hat, die bezweckt, dem Einzelnen Rechte zu verleihen, wenn der Verstoß hinreichend qualifiziert ist und wenn zwischen diesem Verstoß und dem Schaden des Einzelnen ein unmittelbarer Kausalzusammenhang besteht. Dieser Anspruch erfasst alle Bereiche staatlichen Handelns. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, haben die nationalen Gerichte unter Beachtung der vom EuGH entwickelten Leitlinien festzustellen (BGH, Urteil vom 17. Januar 2019 - III ZR 209/17 - juris Rn. 22 und vom 22. Januar 2009 - III ZR 233/07 - juris Rn. 12 m.w.N. zur Rechtsprechung u.a. des EuGH).
Es fehlt hier bereits an einem Verstoß gegen Unionsrecht. Die durch § 4 CoronaEinreiseV angeordnete Absonderungspflicht begründet keinen Verstoß gegen den unionsrechtlichen Grundsatz der Freizügigkeit nach Art. 21 AEUV.
Dieser verleiht jedem Unionsbürger das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten. Dieses Recht kann von den Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer Zuständigkeit - u.a. aus Gründen des Gesundheitsschutzes - beschränkt werden. Eine solche Beschränkung stellen die Vorschriften der CoronaEinreiseV - insbesondere die Regelungen, die eine Absonderungspflicht begründen - dar. Bei der Prüfung der Unionsrechtmäßigkeit der Beschränkungen ist die „Empfehlung des Rates für eine koordinierte Vorgehensweise bei der Beschränkung der Freizügigkeit aufgrund der COVID-19-Pandemie“ (https://data.consilium.europa.eu/doc/document/ST-11689-2020-REV-1/de/pdf) zu berücksichtigen. Diese Empfehlung, die der unionsweiten Koordinierung der Maßnahmen der Pandemiebekämpfung dient, soll gleichzeitig die Ausübung des Rechts auf Freizügigkeit gewährleisten (Erwägungsgrund Nr. 9). Eine solche Empfehlung ist zwar für die Mitgliedstaaten nicht verbindlich (Art. 288 Abs. 5 AEUV), die innerstaatlichen Gerichte sind aber verpflichtet, bei der Auslegung innerstaatlicher Rechtsvorschriften, die verbindliche gemeinschaftliche Vorschriften ergänzen sollen, Empfehlungen des Europäischen Rates heranzuziehen. In Erwägungsgrund 9 wird ausgeführt, dass die Mitgliedstaaten auf der Grundlage des Schutzes der öffentlichen Gesundheit Maßnahmen zur Beschränkung des freien Personenverkehrs ergreifen können und dass gemäß Art. 168 Abs. 7 AEUV die Mitgliedstaaten die Verantwortung u.a. für die Festlegung der einzelstaatlichen Gesundheitspolitik tragen, weshalb diese von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedlich sein kann; dabei werden beispielhaft ausdrücklich „Quarantäne- oder Testvorschriften“ genannt. Die Regelung der Coronavirus-Einreiseverordnung steht mit dieser Empfehlung des Rates in Einklang. Mit dieser Vorschrift wird die Einreise gerade nicht unmöglich gemacht, sondern nur unter den Vorbehalt der Absonderung gestellt; auch sonst ist die Regelung in § 4 CoronaEinreiseV nicht unverhältnismäßig oder sonst unionsrechtswidrig (VGH Kassel, Beschluss vom 20. August 2021 - 8 B 1727/21 - juris Rn. 16 m.w.N.; LG Frankfurt, Urteil vom 12. Dezember 2021 - 2-04 O 165/21 - juris Rn. 59 f.; s. auch VGH Mannheim, Beschluss vom 18. März 2021 - 1 S 872/21 - juris Rn. 73 ff. unter Bezugnahme auf VGH Mannheim, Beschluss vom 3. Dezember 2020 - 1 S 3489/20 - n.v. zu einer entsprechenden landesrechtlichen Quarantäne-Anordnung).
Schließlich besteht auch kein Anspruch aus § 56 IfSG oder § 65 IfSG in der vom 23. April 2021 bis 23. November 2021 gültigen Fassung. Hiernach kann eine Entschädigung für einen Verdienstausfall bzw. für eine Wertminderung von Gegenständen verlangt werden, indes nicht das hier klageweise geltend gemachte Schmerzensgeld. Eine analoge Anwendung von § 56 IfSG scheitert bereits an einer planwidrigen Regelungslücke. Der Gesetzgeber hat bewusst die Entschädigungsansprüche punktuell geregelt. Einen generellen Entschädigungsanspruch für alle Maßnahmen nach den §§ 28 ff. IfSG sollte das Gesetz nach dem Willen des Gesetzgebers gerade nicht enthalten (LG Hannover, Urteil vom 9. Juli 2020 - 8 O 2/20 - juris Rn. 40 ff.; LG Frankfurt, Urteil vom 12. Dezember 2021 - 2-04 O 165/21 - juris Rn. 89 m.w.N.).
Ansprüche nach dem allgemeinen Aufopferungsanspruch bzw. aufopferungsgleichen Anspruch scheitern bereits am Vorliegen eines Sonderopfers. Es realisierte sich in der häuslichen Quarantäne lediglich ein allgemeines Lebensrisiko (LG Frankfurt, Urteil vom 12. Dezember 2021 - 2-04 O 165/21 - juris Rn. 103).
Der Zinsanspruch teilt das Schicksal des Hauptanspruchs.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 100 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.