Das Urteil wurde durch den bearbeitenen Rechtsanwalt Dr. Christian Knoche, gleichzeitig Vorstand des Vereins Anwälte für Aufklärung, bereitgestellt.
Eine Dame verfügte über ein ärztliches Maskenattest und trug aus diesem Grund in ihrem Stammsupermarkt keine Maske. Es ist Mitte 2020 und zum damaligen Zeitpunkt wurde das Tragen von Stoffmasken verlangt.
Nachdem die klagende Dame Mitarbeitern ihr Attest vorgezeigt hatte, wurde dies im Supermarkt auch anfangs noch toleriert. Das änderte sich aber schlagartig als sie Ende September 2020 unter Hinzuziehung örtlicher Polizeikräfte des Supermarkts verwiesen wurde. Ferner wurde ein Hausverbot gegen sie verhängt.
Die Frau klagte erfolglos gegen das Hausverbot vor dem LG Göttingen.
Die Entscheidung des Landgerichts Göttingen ist in mehreren Punkten bemerkenswert.
Zunächst fällt auf, wie das Gericht das Verhalten der Klägerin bewertet, die lediglich versucht, ihre Rechtsansicht zu kommunizieren:
„Das gezeigte Verhalten der Klägerin, das ohne weiteres als unkooperativ und rechthaberisch bezeichnet werden kann, (...)“
Wie kommt das Gericht auf diese "Feststellung"? Es entsteht der Eindruck der Voreingenommenheit.
Zum anderen sieht das Gericht überhaupt kein Problem darin, jemanden ohne weitere Begründung davon abzuhalten, sich mit Lebensmitteln zu versorgen. Es verweist dazu auf das Hausrecht. Dazu muss man wissen: Das Hausrecht gilt nicht grenzenlos! So hat z.B. der Bundesgerichtshof entschieden, dass die Zutrittsverweigerung per Hausrecht dann eines sachlichen Grundes bedarf, wenn der Zutritt für die Betroffenen in erheblichem Umfang über die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben entscheidet – und was entscheidet mehr darüber als die Versorgung mit Lebensmitteln? (siehe Urteil des BGH v. 29.05.2020, V ZR 275/18)
Das Gericht mag ja eine Ansicht dazu vertreten, aber diese muss es auch begründen. So bleibt zweifelhaft, ob dem Gericht die BGH-Rechtsprechung überhaupt bekannt ist.
Die Sinnfreiheit des Tragens von Stoffmasken spielt für das Gericht überhaupt keine Rolle. Allein der symbolische Wert der Maskenpflicht reicht ihm aus, Zitat:
„Denn da das Tragen der Mund-Nasen-Bedeckung zweifelsfrei der Vermeidung von Ansteckungsgefahren dient – auch wenn dies durch die damals tolerierten Alltagsmasken nur in relativ geringem Umfang erreichbar gewesen sein mag – liegt es auf der Hand, dass der Beklagte ein legitimes Interesse daran hat, zur Verminderung dieser Gefahr die Anwesenheit von Personen, die keine Mund-Nasen-Bedeckung tragen und hierdurch ein abstrakt erhöhtes Ansteckungsrisiko für andere begründen, möglichst gering zu halten (...).“
Was denn nun? Das Gericht erkennt einerseits die Nutzlosigkeit der Alltagsmasken, meint aber andererseits, es sei dennoch legitim, zu fordern, dass Kunden sie grundsätzlich tragen müssten? Mit dieser Begründung – die in ihrer Logik noch erheblich Luft nach oben hat – ließen sich noch weitere wohlgemeinte – um nicht zu sagen: beliebige – Bekleidungsregeln rechtfertigen.
Schließlich muss man sich fragen, wie das Gericht zu der Behauptung kommt, ein ärztliches Maskenattest enthalte (Zitat)
„allenfalls in untergeordnetem Maße schutzwürdige persönliche Daten.“
Unzweifelhaft handelt es sich um Gesundheitsdaten. Diese sind gemäß Art. 9 DSGVO besonders geschützt. Das bedeutet, dass sie nicht jedermann erheben darf und geeignete technische Maßnahmen zum Schutz dieser Daten bestehen müssen.
Das Gesetz ist also ganz anderer Meinung als das Gericht.
Wie kommt es dazu, dass das Gericht diese gesetzliche Wertung einfach ignoriert und kein Problem darin sieht, dass das Kassenpersonal im Supermarkt Einsicht in derlei sensible Daten erhält?
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 8.500 € festgesetzt; hiervon entfallen je 2,500 € auf die Anträge zu 1. und.2. sowie 3.500 € auf den Antrag zu 3.
Die Parteien streiten um Ansprüche der Klägerin wegen behaupteter Diskriminierung im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes im Zusammenhang mit der Erteilung eines Hausverbots am 23.09.2020.
Der Beklagte betreibt in Nörten-Hardenberg einen (…)-Supermarkt. Aufgrund der Corona-Pandemie bestand nach § 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung in der seinerzeit geltenden Fassung für Kundinnen und Kunden von Verkaufsstellen und Geschäften eine grundsätzliche Verpflichtung, eine Mund-Nasen-Bedeckung im Sinne einer textilen Barriere, unabhängig von einer Kennzeichnung oder zertifizierten Schutzkategorie, zu tragen (sog. Alltagsmaske). Nach Abs. 3 der genannten Norm waren hiervon neben Kleinkindern Personen ausgenommen, für die aufgrund einer körperlichen, geistigen oder psychischen Beeinträchtigung das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung nicht zumutbar war und die dies durch ein ärztliches Attest oder eine vergleichbare amtliche Bescheinigung glaubhaft machen konnten.
Der Beklagte hatte an den Eingängen seines Geschäfts entsprechend den Vorgaben (…) deutliche Hinweise angebracht, dass das Betreten nur mit einer Mund-Nasen-Bedeckung, mit der Benutzung eines Einkaufswagens sowie unter Beachtung des Abstandsgebots zulässig sei.
Die Klägerin, die Trägerin einer Kniegelenksprothese ist und der die Arztpraxis (…) unter dem 16.07.2020 ein Attest ausgestellt hatte, wonach sie aus medizinischen Gründen keinen Mund-Nasen-Schutz tragen könne, unternahm am 23.09.2020 im Geschäft des Beklagten einen Einkauf, wobei sie keine Mund-Nasen-Bedeckung trug.
Im Bereich der Kasse kam es deshalb zu einer verbalen Auseinandersetzung mit Angestellten des Beklagten, insbesondere der stellvertretenden Filialleiterin, Frau X, wobei der Hergang im Einzelnen streitig ist. Schließlich wurde die Polizei hinzugezogen, und der Klägerin, die das vorgenannte Attest in der Situation nicht vorlegte, wurde ein zunächst mündlich ausgesprochenes Hausverbot erteilt.
Der Beklagte bestätigte dieses einige Tage später nochmals schriftlich – allerdings mit der unzutreffenden Datumsangabe „22.09.2020“ – und teilte mit, das Hausverbot bleibe so lange bestehen, bis die Klägerin ihm ihr Attest in einem persönlichen Gespräch gezeigt habe.
Mit Schreiben vom 09.10.2020 hat die Klägerin durch Schriftsatz ihres jetzigen Prozessbevollmächtigten den Beklagten unter Fristsetzung bis zum 20.10.2020 zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung hinsichtlich einer erneuten Zutrittsverweigerung zu seinem Geschäft sowie zur Zahlung einer Entschädigung von 3.500 € aufgefordert. Der Beklagte hat diese Frist ohne Reaktion verstreichen lassen. In der mündlichen Verhandlung vom 28.09.2021 hat der Beklagte erklärt, dass das Hausverbot gegenstandslos ist, sofern die Klägerin bei einem Aufenthalt in seinem Geschäft auf entsprechende Aufforderung durch seine Bediensteten eine gültige ärztliche Maskenbefreiung vorzeigen kann.
Die Klägerin macht geltend, sie bekomme beim Tragen einer Maske regelmäßig erhebliche Atemnot; zudem trete eine Gesichtsfeldeinschränkung ein, mit der Gefahr von Ohnmacht und Sturz auf die Gelenksprothese, wodurch ein verheerender gesundheitlicher Schaden entstehen könne.
Sie behauptet, in den Wochen vor dem 23.09.2020 mehrfach in dem Geschäft des Beklagten eingekauft zu haben, wobei sie jeweils keine Maske getragen habe. Am 17. bzw. 20.07.2020 habe sie dabei den bei dem Beklagten beschäftigten Mitarbeiterinnen Y und Z ihr Attest gezeigt, die daraufhin ihre Maskenbefreiung gekannt hätten. Auch mit dem Filialleiter Herrn A habe sie einige Wochen vor dem 23.09.2020 über ihre Maskenbefreiung gesprochen.
Bei dem Geschehen am 23.09.2020 habe sie ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie ihr Attest bereits bei früheren Gelegenheiten mindestens zweimal gezeigt habe. Soweit möglicherweise die Mitarbeiterin Frau X die Maskenbefreiung nicht gekannt habe, beruhe dies auf einem Organisationsmangel des Beklagten.
Die Klägerin meint, durch das Hausverbot werde sie ohne sachlichen Grund diskriminiert, und zwar aufgrund einer bestehenden Behinderung. Sie sei auch nicht verpflichtet gewesen, dem Beklagten gegenüber ihre gesundheitliche Beeinträchtigung nachzuweisen; bereits die Aufforderung, ein ärztliches Attest vorzulegen, sei eine Diskriminierung. Das Hausverbot sei eine offensichtliche sowie vorsätzliche Diskriminierung, weshalb eine Entschädigung von wenigstens 3.500 € angemessen sei.
Die Klägerin beantragt
den Beklagten zu verurteilen, das gegenüber der Klägerin mit Schreiben vom 22.09.2020 ausgesprochene Hausverbot zum Betreten des (…)-marktes (…) mit sofortiger Wirkung zu widerrufen und aufzuheben;
den Beklagten ferner zu verurteilen, es bei Meidung einer Vertragsstrafe von 5.000,00 € für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu unterlassen, die Klägerin ohne Mund-Nasen-Bedeckung aus dem (…)-markt (…) zu verweisen;
den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin für die AGG-Diskriminierung vom 23.09.2020 eine angemessene Entschädigung nicht unter 3.500 € zu zahlen nebst Zinsen in HÖhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.10.2020;
den Beklagten zu verurteilen, die der Klägerin außergerichtlich entstandenen Anwaltskosten in Höhe von 679,10 € netto zzgl. 16 % Mehnruertsteuer in Höhe von 129,03 €, mithin 808,13 € brutto zu erstatten.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte meint, in rechtmäßiger Ausübung seines Hausrechts gehandelt zu haben. Das in seinem Geschäft geltende Maskengebot rechtfertige sich aus der angestrebten Vermeidung von Ansteckungsgefahren für andere Kunden und die Angestellten des Beklagten. Ferner solle es Spannungen zwischen Maskenbefürwortern und -gegnern unter den Besuchern vermeiden.
Der Beklagte behauptet, am 23.09.2020 sei die Klägerin zunächst von seinen Mitarbeitern mehrfach sachlich auf die Maskenpflicht hingewiesen und zur Glaubhaftmachung einer etwaigen Befreiung aufgefordert worden. Nachdem sie dem nicht nachgekommen sei, sei sie aufgefordert worden, den Supermarkt zu verlassen, was sie ebenfalls verweigert habe.
Er macht geltend, dass es mangels Glaubhaftmachung der Maskenbefreiung durch Attest jedenfalls an einem Verschulden des Beklagten bzw. seiner Angestellten bezüglich einer etwaigen Benachteiligung der Klägerin fehle. Diese sei auch nicht auf die Benutzung gerade seines Geschäfts angewiesen, da sich weitere Supermärkte im örtlichen Umfeld in Nörten-Hardenberg sowie am Wohnort der Klägerin in (…) befänden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Vorbringens wird ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlungen vom 15.04.2021 und 28.09.2020 Bezug genommen.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Klägerin hat nicht hinreichend darzutun vermocht, durch das streitgegenständliche Hausverbot eine Benachteiligung wegen einer Behinderung erlitten zu haben, sodass sich hierauf weder ein Anspruch auf Widerruf bzw. Aufhebung des Hausverbots (nachfolgend 1.), noch ein Unterlassungsanspruch bezüglich künftiger Zutrittsverweigerung (nachfolgend 2.) und erst recht kein Entschädigungsanspruch (nachfolgend 3.) stützen lässt. Demgemäß steht ihr auch der als Nebenforderung geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch (nachfolgend 4.) nicht zu.
Grundsätzlich begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, wenn der Beklagte als Inhaber des Hausrechts des Supermarktes das Betreten seines Geschäftes zu der hier in Rede stehenden Zeit nur unter der Voraussetzung gestattet, dass die Kunden einen Mund-Nasen-Schutz tragen.
Unabhängig von der Frage, ob die Niedersächsische Corona-Verordnung in ihrer seinerzeit geltenden Fassung den Betreiber eines Geschäftes rechtlich verpflichtete, die Einhaltung der Vorgaben der Verordnung zu überwachen oder nicht, ist es angesichts des Umstandes, dass die Maskenpflicht vom Verordnungsgeber als geltendes Recht gesetzt worden ist, allemal ein nachvollziehbares und berechtigtes Anliegen eines Geschäftsinhabers, durch entsprechende privatrechtliche Nutzungsregelungen sicherzustellen, dass in seinem Ladenlokal die vom Verordnungsgeber geforderten Zustände auch tatsächlich bestehen.
Ohne dass es darauf ankommen kann, ob diese in ihrer damaligen Form, die nicht das Tragen medizinischer Masken (insbesondere OP- oder FFP2-Masken) vorschrieb, aus infektiologischen Gesichtspunkten sinnvoll war und das Ansteckungsrisiko mit dem SARS-CoV-2-Virus tatsächlich signifikant verringerte, ist auch das Bedürfnis, Mitarbeiter und Kundschaft in diesem möglicherweise nur relativ wenig effektiven Umfang vor Gesundheitsgefahren durch Ansteckung mit dem Coronavirus schützen zu wollen, ohne Weiteres anzuerkennen.
Ob auch eine die Ausnahmeregelung in § 2 Abs. 3 Nds. Corona-VO nicht anerkennende privatrechtliche Nutzungsregelung sich noch im Rahmen zulässiger Hausrechtsausübung hielte, braucht hier nicht entschieden zu werden, da die Klägerin selbst vorgetragen hat, dass ihr im Juli 2020 das Betreten des Supermarktes unter Berufung auf eine Maskenbefreiung gestattet worden sei. Zudem ist aus der schriftlichen Bestätigung des Hausverbots ersichtlich, dass der Beklagte gerade nicht verlangt, dass ausnahmslos jeder Kunde seines Geschäfts, unabhängig von etwaigen Befreiungstatbeständen, eine Mund-Nasen-Bedeckung trägt.
b) Eine Benachteiligung der Klägerin wegen einer Behinderung im Sinne des § 1 AGG durch das Hausverbot liegt hier nicht vor.
Die Klägerin ist zwar ausweislich des Arztbriefes des Dr. (...) mit einer Knieprothese versorgt, sodass bei ihr eine Behinderung im Sinne des § 1 AGG besteht. Aber selbst wenn angenommen wird, dass die von ihr im Prozess vorgelegte Maskenbefreiung – wie von ihr vorgetragen – auch in direktem inneren Zusammenhang mit der Behinderung steht, dass also die Klägerin behinderungsbedingt keine Mund-Nasen-Bedeckung tragen kann, ist das Hausverbot hier nicht etwa schlicht deshalb erteilt worden, weil sie ohne eine solche das Geschäft des Beklagten betreten hat, sondern weil sie sich geweigert hat, das Vorliegen einer Maskenbefreiung mittels ärztlichen Attests nachzuweisen.
Insofern steht nach der durchgeführten Beweisaufnahme fest, dass die Klägerin dezidiert durch die Zeugin X zum Vorzeigen ihrer Maskenbefreiung aufgefordert worden ist, dass sie dies aber nachdrücklich verweigert hat und deshalb schließlich das Hausverbot erteilt worden ist. Die Zeuginnen X und Z haben von jener Aufforderung anschaulich und glaubhaft berichtet; beide haben überzeugend bekundet, wie sich durch die vehemente Weigerung der Klägerin, der Aufforderung nachzukommen, die Situation schließlich so hochgeschaukelt habe, dass die Polizei verständigt worden sei; auch gegenüber dem sodann erschienenen Polizeibeamten B habe sie dies weiter abgelehnt. Soweit demgegenüber die Klägerin im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung behauptet hat, eine solche Aufforderung an sie sei nicht erfolgt, ist dies nicht glaubhaft und angesichts der Gesamtsituation auch lebensfremd.
Es liegt auch keine unzulässige Benachteiligung der Klägerin im Sinne des § 3 AGG darin, dass ihr der Aufenthalt im Geschäft des Beklagten vom Nachweis des Bestehens einer Maskenbefreiung durch Vorlage des ärztlichen Attests abhängig gemacht worden ist. Selbst wenn unterstellt wird, dass diese Anforderung gegenüber sonstigen, nicht behinderten Kunden – die dann freilich für den Aufenthalt eine Mund-Nasen-Bedeckung tragen müssen – weniger günstig und damit benachteiligend ist, beruht die unterschiedliche Behandlung auf einem sachlichen Grund im Sinne des § 20 AGG. Denn da das Tragen der Mund-Nasen-Bedeckung zweifelsfrei der Vermeidung von Ansteckungsgefahren dient – auch wenn dies durch die damals tolerierten Alltagsmasken nur in relativ geringem Umfang erreichbar gewesen sein mag – liegt es auf der Hand, dass der Beklagte ein legitimes Interesse daran hat, zur Verminderung dieser Gefahr die Anwesenheit von Personen, die keine Mund-Nasen-Bedeckung tragen und hierdurch ein abstrakt erhöhtes Ansteckungsrisiko für andere begründen, möglichst gering zu halten und nur solchen Personen zu gestatten, die tatsächlich aus medizinischen Gründen hiervon befreit sind. Dass dies anders als durch eine Kontrolle der entsprechenden ärztlichen Bescheinigung bei denjenigen Personen, die sich auf das Vorliegen einer solchen Befreiung berufen, überhaupt umsetzbar sein sollte, ist nicht ersichtlich.
Insofern ist auch die Erbringung des Nachweises ohne weiteres zumutbar; das ärztliche Attest dient gerade dazu, Dritten gegenüber das Bestehen einer medizinisch begründeten Maskenbefreiung zu belegen und enthält allenfalls in untergeordnetem Maße schutzwürdige persönliche Daten.
Dass der Beklagte über den Umstand einer ärztlich attestierten Maskenbefreiung hinaus – die notwendigerweise die Angabe des ausstellenden Arztes enthält – die Offenbarung weiterer, ggf. schutzwürdiger Gesundheitsdaten (etwa die detaillierte Beschreibung des zur Maskenbefreiung führenden medizinischen Befundes o.ä.) gefordert hätte, wird nicht behauptet und ist auch nicht ersichtlich. Inwiefern die Kontrolle der Maskenbefreiung daher der § 9 DSGVO zuwiderlaufen sollte, wie die Klägerin meint, erschließt sich der Kammer nicht.
Eine unzulässige Benachteiligung lässt sich auch nicht darauf stützen, dass der Klägerin ein Nachweis abverlangt worden sei, obwohl die Existenz einer solchen, weiterhin gültigen Befreiung dem Beklagten bzw. seinem Personal bereits positiv bekannt gewesen sei. Es braucht hier letztlich nicht entschieden zu werden, ob unter dieser Voraussetzung ausnahmsweise der sachliche Grund im Sinne des § 20 AGG für die - oben unterstellte - Benachteiligung entfiele. Denn es ist nicht bewiesen, dass diese positive Kenntnis auf Seiten des Beklagten hier bestanden hat.
Dass dem Beklagten persönlich die Maskenbefreiung der Klägerin zuvor gezeigt worden sei, ist unstreitig nicht der Fall. Soweit die Klägerin behauptet, die Maskenbefreiung Mitarbeitenden des Beklagten bei früheren Aufenthalten im Geschäft gezeigt zu haben, kann es hierbei allenfalls auf solche Mitarbeiter ankommen, die in das Geschehen vom 23.09.2020 persönlich involviert gewesen sind, weil eine Organisationspflicht des Beklagten, die Maskenbefreiung für die Zukunft zuverlässig der gesamten Mitarbeiterschaft bekannt zu machen und bekannt zu halten, keinesfalls besteht. Es ist schon nicht ersichtlich, wie eine solche Erfassung bei einem Lebensmittelsupermarkt mit entsprechender Mitarbeiterzahl und typischerweise erheblich fluktuierender Kundschaft überhaupt mit zumutbarem Aufwand praktikabel möglich sein sollte. Ob die Klägerin, wie von ihr behauptet, der Mitarbeiterin D, die am 23.09.2020 nicht zugegen war, ca. zwei Monate vor dem 23.09.2020 ihre Maskenbefreiung einmal vorgezeigt hat und diese daher eine weiterhin fortbestehende sichere Kenntnis hiervon hatte, ist daher unerheblich. Die weitere Behauptung der Klägerin, sie habe auch anderen Mitarbeitenden, jedenfalls der Zeugin Z, ihre Maskenbefreiung schon zuvor vorgezeigt, ist nicht bewiesen. Die Zeugen A und X haben ausgesagt, ihnen gegenüber habe die Klägerin zwar von einer Maskenbefreiung gesprochen, einen solchen Nachweis aber auch bei früheren Besuchen nicht vorgelegt.
Die Zeugin Z hat angegeben, die Klägerin habe ihr mal einen Zweizeiler ohne Arztbriefkopf, Stempel usw. vorgelegt, der klar nicht offiziell gewirkt habe; auf Vorhalt des jetzt im Prozess vorgelegten Attests der Arztpraxis Dr. (...) aus (...) vom 16.07.2020 hat sie ausdrücklich erklärt, dies sei nicht jener „Zweizeiler“ gewesen. Der Zeuge C konnte aus eigener Wahrnehmung nichts zur Vorlage von Attesten sagen, gab aber an, es existiere lediglich jenes Attest vom 16.07.2020. Vor diesem Hintergrund ist mindestens zweifelhaft, ob es sich bei dem allein von der Zeugin Z berichteten Schriftstück überhaupt um einen geeigneten Befreiungsnachweis gehandelt haben kann. Hinzu käme im Übrigen, dass es durchaus nicht selbstverständlich erschiene, dass sich die Zeugin Z auch zwei Monate später zuverlässig erinnern müsste, welchen genauen Inhalt ein gezeigter Befreiungsnachweis hatte, insbesondere ob er etwa eine zeitliche Beschränkung enthielt oder nicht. Selbst dann, wenn die Zeugin Z sich geirrt und tatsächlich das Attest vom 16.07.2020 gezeigt bekommen hätte, würde dies nicht ohne weiteres bedeuten, dass ein sachlicher Grund für eine nochmalige Nachweisanforderung zwei Monate später - durch sie selbst oder in ihrer Gegenwart durch andere Mitarbeiter - nicht gegeben sein könne.
Kann hier also angesichts des Beweisergebnisses nicht zugrunde gelegt werden, dass die auf Seiten des Beklagten Handelnden am 23.09.2020 über das sichere Wissen verfügten, dass die Klägerin eine aktuell bestehende Maskenbefreiung bereits nachgewiesen hatte, kommt eine unzulässige Benachteiligung der Klägerin durch die an sie gerichtete Aufforderung, den Nachweis der Maskenbefreiung vorzulegen, nicht in Betracht.
Die Erteilung des Hausverbots als Reaktion auf die Weigerung der Klägerin, ihre Maskenbefreiung nachzuweisen, begegnet in der Gesamtschau keinen rechtlichen Bedenken. Das gezeigte Verhalten der Klägerin, das ohne weiteres als unkooperativ und rechthaberisch bezeichnet werden kann, ließ erwarten, dass sie sich auch bei einem erneuten Geschäftsbesuch wieder in gleicher Weise verhalten und den Nachweis der Maskenbefreiung weiterhin verweigern würde. Dies begründete nicht nur das Risiko einer empfindlichen Störung des Geschäftsbetriebs, sondern – weil bis zur Klärung, ob tatsächlich eine Maskenbefreiung attestiert war, im Raum stand, dass deren Vorliegen lediglich unzutreffend behauptet worden ist, die Klägerin mithin tatsächlich einer Mund-Nasen-Bedeckung verpflichtet sein könnte – auch eine Gefährdung der Marktmitarbeiter und der übrigen Kundschaft durch möglicherweise vermeidbare Ansteckungsrisiken. Daher stellt es eine gerechtfertigte Ausübung des Hausrechts dar, einen künftigen Aufenthalt im Geschäft so lange zu untersagen, bis die Klägerin den Nachweis für die behauptete medizinisch begründete Maskenbefreiung erbracht hat. Ein milderes Mittel, die durch das Hausrecht gedeckten Nutzungsbeschränkungen gegenüber der Klägerin durchzusetzen, ist nicht ersichtlich.
Da die Erteilung des Hausverbots nach alledem rechtmäßig war, kommt ein Anspruch auf dessen Widerruf nicht in Betracht. Ob ein Anspruch auf dessen Aufhebung bestanden hat bzw. während des Rechtsstreits durch Zeitablauf entstanden sein kann, bedarf keiner Vertiefung mehr, weil der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 28.9.2020 eine Erklärung abgegeben hat, wonach der Klägerin das Betreten des Geschäftes grundsätzlich wieder gestattet ist. Spätestens hiermit ist das Hausverbot vom 23.9.2020 – das ohnehin nur auflösend bedingt bis zu einem näher konkretisierten Nachweis der Maskenbefreiung erteilt war – in seinem Kern aufgehoben, so dass ein auf Aufhebung gerichteter Anspruch im Falle seines Bestehens jedenfalls bereits erloschen ist.
Der Unterlassungsanspruch zu 2. ist unbegründet. Die Erteilung des Hausverbots vom 23.09.2020 war rechtmäßig, und die Klägerin hat nichts dafür dargetan, dass die Gefahr besteht, dass sie künftig rechtswidrig des Geschäftes des Beklagten verwiesen werde.
Da das erteilte Hausverbot rechtmäßig und gerade keine Benachteiligung i.S.d. § 1 AGG war, kommt eine Geldentschädigung gemäß § 21 Abs. 2 AGG hierfür von vornherein nicht in Betracht.
Da die geltend gemachten Ansprüche der Klägerin nicht bestehen, besteht auch kein Anspruch auf Erstattung außergerichtlicher Rechtsverfolgungskosten.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 1, 711 ZPO.