Eine Wissenschaftlerin (Biomathematikerin) arbeitete mehr als 20 Jahre an einer Universität. Dann äußerte sie sich im Rahmen zweier Demonstrationen gegen die Coronamaßnahmen kritisch – und erhielt dafür von der Universität die außerordentliche fristlose Kündigung. Ihre Kündigungsschutzklage blieb erfolglos.
Die Klägerin (Frau Jeanette Bahr) berichtet ca. 2,5 Monate vor der Urteilsverkündung in einem Interview (Link zu dem Video) mit Bastian Barucker, dass sie Zweifel im Hinblick auf die ausgerufene Pandemie hatte und mit anderen Wissenschaftlern ihrer arbeitgebenden Universität diesbezüglich das Gespräch gesucht habe. Sei sagt, sie habe schlicht Gesprächsbedarf gehabt, aber niemand an der Universität, den sie dazu angesprochen habe, habe ernsthaft darüber sprechen wollen. Mit jemandem sprechen wollen – ein durch und durch menschliches und vor allem vernünftiges Bedürfnis! Und ein grundlegendes Vorgehen in der Wissenschaft. Und wie es ist, wenn einem etwas wichtig ist: es muss raus. Frau Bahr wandte sich daher an die Öffentlichkeit, hier auf einer Demonstration.
Dort äußerte sie u.a. ihre Zweifel über die Sinnhaftigkeit eines PCR-Tests und die Sicherheit der neuen sogenannten Impfstoffe.
Im Interview mit Bastian Barucker erklärt sie nachvollziehbar, warum sie Zweifel an dem PCR-Test und den sogenannten Impfungen plagten. Und man reibt sich verwundert den Kopf und fragt sich, was an ihren Äußerungen so schlimm gewesen sein soll, dass sie außerordentlich fristlos gekündigt wurde.
Für das Arbeitsgericht Stralsund war der Fall offenbar klar. Es behauptet, die Äußerung Frau Bahrs sei, Zitat:
„... nicht nur erheblich rufschädigend für die Beklagte, sondern eine nicht zu duldende Diskriminierung der bei der Beklagten beschäftigten Ärzte, die durch keinerlei Tatsachen untermauert sind. Damit hat die Klägerin in erheblichem Maße bewusst gegenüber einer größeren Öffentlichkeit die Beklagte diskreditiert und damit eine schwerwiegende Pflichtverletzung begangen, die einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darstellt ...“
Diese Einschätzung halte ich für ganz erstaunlich. Denn normalerweise ist es bei der Meinungsäußerung doch so, dass man sich fragt, wie die Äußerung gemeint gewesen sein kann. Man fragt sich: „Wie konnte man sie noch verstehen?“ Nachdem ich gelesen habe, was Frau Bahr auf der Demonstration gesagt hat, habe ich sie anders als das Gericht – nämlich in einem viel größeren Zusammenhang – verstanden. Die Aussage ist also interpretierbar. Ich vermisse, dass sich das Gericht zumindest mit einer wohlwollenderen Interpretation auseinandergesetzt hat. Es muss diese ja nicht zwangsläufig teilen, aber sich damit auseinanderzusetzen gehört zu sauberer juristischer Arbeit.
Sehr erstaunlich sind auch andere Passagen, z.B. die Meinung des Gerichts über die Nachweisbarkeit eines Virus mittels PCR-Test, Zitat:
„Die Klägerin hat in beiden Reden Tatsachenbehauptungen aufgestellt, die unwahr sind. Darüber hinaus sind diese Behauptungen geeignet, das Ansehen und den Ruf der Beklagten nachhaltig zu schaden. Die nicht nur durch die Beklagte getätigte Auffassung, dass die PCR-Tests geeignet sind, den SARS-CoV-2-Virus nachzuweisen, hat die Klägerin nicht ansatzweise widerlegt, sondern lediglich behauptet: „Ich verstehe nicht, wie Wissenschaftler einen PCR-Test befürworten, welcher kein Virus nachweist.“ Unter Berücksichtigung der seit ca. 2 Jahren anhaltenden Corona-Epidemie, die mit erheblichen Einschnitten in das tägliche Leben, in die Freiheitsbewegungen der Bürgerinnen und Bürger sowie in betriebliche Ablaufgeschehen eingreift, hat die Klägerin nicht nur fahrlässig, sondern bewusst vorsätzlich falsche Tatsachen aufgestellt.“
Wie kommt das Gericht auf die Idee, ein PCR-Test würde das Virus nachweisen? Ist das Gericht überhaupt der Frage nachgegangen, ob der PCR-Test das Virus oder lediglich Fragmente davon nachweist? Das ist ein riesiger Unterschied.
Dieser Frage ist auch Bastian Barucker nachgegangen und hat das Gericht sogar direkt befragt. Barucker schreibt:
Der hauptamtliche Richter in dem Verfahren berief sich während eines Telefonats mit dem Autor bzgl. der Beurteilung, dass Frau Bahr hinsichtlich des Impfstoffes eine unwahre Tatsachenbehauptung geäußert hatte, auf das Beratungsgeheimnis, welches während der Absprachen mit den beiden ehrenamtlichen Richtern gelte. Wie die Richter darauf kommen, dass es unwahr ist zu behaupten, der Impfstoff sei neuartig und wenig erforscht, bleibt ungeklärt.
Zur Info: Ein Arbeitsgericht muss nicht von sich aus solchen Fragen nachgehen, denn im arbeitsgerichtlichen Verfahren gilt keine Sachverhaltsermittlungspflicht des Gerichts (anders im Verwaltungs- und Strafrecht). Ich kann mir aber kaum vorstellen, dass Frau Bahr dazu nicht ausführlich vorgetragen hat – im Interview mit Herrn Barucker spricht sie sehr ausführlich darüber. Offenbar hat das Gericht aber nicht Beweis über diese Frage erhoben.
Wenn das Gericht dies jedoch nicht aufgeklärt hat, dann muss man sich fragen, wie es geschehen konnte, dass das Gericht diesen Sachverhalt zur Grundlage seiner Urteilsbegründung macht.
Dabei werden Frau Bahrs Zweifel von den Untersuchungen des Prof. Dr. med. Paul Cullen gestützt, der nachweisen konnte, dass 60% der positiven PCR-Test irrelevant sind (Link zum Video). Ebenfalls bestätigt Prof. P. Cullen Frau Bahrs Aussage, dass der PCR-Test kein Virus nachweist, sondern lediglich Fragmente davon. Wie kann die Aussage Frau Bahrs dann aber falsch sein?
Da stellt sich die Frage, wie vermögen die Juristen des Arbeitsgerichts Stralsund es besser zu wissen als ein Professor und Facharzt für Laboratoriumsmedizin und Molekularbiologe? Es gibt im Urteil auch keinen Hinweis darauf, dass das Gericht sich auch nur Gedanken über die Funktionsweise eines PCR-Tests gemacht hätte. Es ist auch nicht ersichtlich, ob das Gericht zumindest die grobe Funktionsweise eines PCR-Tests überhaupt verstanden hätte.
Gleichwohl trifft es eine definitive Aussage über PCR-Tests und den Wahrheitsgehalt der Aussage Frau Bahrs.
Vor diesem Hintergrund darf man sich schon fragen, wie das logisch möglich sein soll.
Allerdings erklärt das Gericht auch, Frau Bahr habe bereits am 15.12.2021 Klage gegen ihre Kündigung vom 09.02.2022 erhoben. Auch hier tut sich eine nicht unerhebliche Logiklücke auf.
Immerhin schmeichelt das Gericht der Klägerin, die seit 30 Jahren in der Forschung tätig ist, bei ihrem Alter, indem es die Klägerin um mehrere Jahre verjüngt, Zitat:
„Die 45-jährige Klägerin...“
Und man darf sich damit tatsächlich fragen, wie fundiert dieses Gericht arbeitet.
Und folgerichtig darf man sich dann auch fragen, wie das Gericht vor diesem Hinergrund sein Urteil noch rechtfertigt kann.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
Der Streitwert beträgt 28.509,40 €.
Die Parteien streiten um den Bestand des Arbeitsverhältnisses.
Die XX-jährige Klägerin ist seit dem 01.01.2017 als wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der Beklagten beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der TVL Anwendung. Die Klägerin war zuletzt in Vollzeit beschäftigt und in der Entgeltgruppe E 13 TVL eingruppiert. Die monatliche Vergütung betrug 5.701,83 € brutto. Zuvor war die Klägerin bei der Beklagten in unterschiedlichen Tätigkeiten mit Unterbrechung von 2002 bis 2016 beschäftigt. Die letzte Beschäftigung endete am 31.07.2016. Eine Neueinstellung erfolgte am 01.01.2017. Mit Schreiben vom 09.02.2022 (Bl. 14 d. A.) wurde der Klägerin fristlos sowie mit Schreiben vom 28.03.2022 hilfsweise fristgemäß zum 30.09.2022 gekündigt. Die Beklagte beschäftigt regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer. Anlass für beide Kündigungen waren Äußerungen der Klägerin als Rednerin auf der Bühne einer sog. „Anti-Corona-Demonstration“ vom 24.01.2022 auf dem Greifswalder Marktplatz vor einem größeren Publikum von mehreren 100 Menschen. Dort hielt die Klägerin folgende wörtlich wiedergegebene Rede:
„Hallo Greifswald,
ich möchte jetzt ganz gerne ein paar Worte an unsere Ärzte und Wissenschaftler richten.
Ich bin seit 30 Jahren im Gesundheitswesen tätig in der Forschung und habe auch mit klinischen Studien zu tun. Ich bin entsetzt, was ich so in den 30 Jahren jetzt wie sich das Gesundheitswesen und auch die Forschung entwickelt hat. Ich verstehe nicht, wie Wissenschaftler eine PCR befürworten, welche keinen Virus nachweist. Die PCR beruht auf einen Virusgenom, welches am Computer erstellt worden ist. Das geht verfahrenstechnisch gar nicht anders, deswegen gehört diese PCR in die Forschung, dafür ist sie gut, aber nicht in die Medizin. Ich verstehe Ärzte nicht, die dem Einsatz eines neuartigen, nicht ausreichend getesteten Impfstoffs zustimmen und ihn einsetzen. Wir befinden uns in einer klinischen Studienphase 3, wo die Pflicht besteht, Nebenwirkungen zu melden. Das passiert an der Universitätsmedizin nicht. Warum schauen die Ärzte weg? Es gibt Todesfälle. Es gibt schwere Nebenwirkungen nach der Impfung. Ich verstehe das nicht.
Ich fordere die Ärzte auf, für einen sofortigen Impfstopp sich einzusetzen. Ich verurteile, dass eine universitäre Einrichtung an einer Versammlung teilnimmt, wo Angst vermittelt wird und für Impfungen geworben wird. Auch verurteile ich den Impfdruck, welcher auf die Mitarbeiter ausgeübt wird. Ich denke, das ist nicht Aufgabe einer Universitätsmedizin.
Nach zwei Jahren Pandemie muss doch jetzt endlich jeder Arzt und jeder Wissenschaftler aufgewacht sein, dass es hier nicht um Gesundheit geht, dass es hier eine politische Fake-Pandemie ist, welche auf dem Rücken unserer Kinder ausgetragen wird. Ich wünsche mir von ganzem Herzen ein Aufwachen aller Ärzte und Wissenschaftler der Universitätsmedizin mit der Bitte, eure Stimme zu erheben, für unsere Kinder, für demokratische Verhältnisse und ein humanes Gesundheitswesen.“
Am 26.01.2022 hielt die Klägerin in Wolgast vor einer weiteren sog. „Anti-Corona-Demonstration“ wiederum vor mehreren 100 Zuhörern folgende wörtliche Rede:
„Moin Wolgast,
einige kennen mich ja schon. Also ich bin seit 30 Jahren im Gesundheitswesen tätig und ich möchte jetzt einfach mal ein paar Worte an die Wissenschaftler und Ärzte richten.
Ich verstehe die Wissenschaftler nicht, die eine PCR befürworten, welche kein Virus nachweist, also keine Infektion. Die PCR beruht auf einem Virusgenom, welches am Computer erstellt wurde. Verfahrenstechnisch geht’s ja auch gar nicht anders. Deswegen gehört die PCR für die Virusinfektion in den Forschungsbereich, aber nicht in die Medizin. Ich verstehe die Ärzte nicht, die den Einsatz eines neuartigen, nicht ausreichend getesteten Impfstoffes zustimmen und ihn einsetzen. Wir befinden uns in einer klinischen Phase Studie 3, wo die Pflicht besteht, Nebenwirkungen zu melden. Dies erfolgt aber nicht! Warum schauen die Ärzte weg? Es gibt Todesfälle und schwere Nebenwirkungen nach der Impfung.
Ich fordere die Ärzte auf, sich für ein sofortigen Impfstopp einzusetzen. Ich verurteile, dass eine universitäre Einrichtung an einer Versammlung teilnimmt, wo Angst vermittelt und für Impfungen geworben wird. Ich verurteile den Impfdruck, welche auf die Mitarbeiter ausgeübt wird. Ich denke, das ist nicht Aufgabe einer Universitätsmedizin. Nach zwei Jahren Pandemie muss doch nun jedem klar sein, dass es hier nicht um Besonnenheit, sondern um eine politische Pandemie geht, welche auf den Rücken der Klägerin ausgetragen wird. Ich wünsche mir ein Aufwachen der Ärzte und Wissenschaftler der Universitätsmedizin mit der Bitte, erheb eure Stimmen für unsere Kinder, für demokratische Verhältnisse und ein humanes Gesundheitswesen.
Noch ein paar Worte an die Impfärzte: Bitte informiert euch, es gibt auch andere Sender als ARD und ZDF. Lest die Publikationen der Studien kritisch und hinterfragt. Wenn ihr Impfärzte jetzt noch ein Gewissen habt, ein gesundes Herz und nicht nur Dollarzeichen in den Augen, dann müsst ihr euch zwei Fragen stellen: Wie viele Menschen habe ich totgespritzt? Wie vielen Menschen habe ich schwere Nebenwirkungen zugefügt?
Und jetzt ein paar Worte an die Ärzte, die die Impfungen nicht durchführen. Ich bin dankbar, dass es solche Ärzte gibt, die nachdenken und nicht dem kranken System folgen.
Vielen Dank!“
Am 28.01.2022 erlangte die Beklagte Kenntnis, dass es sich bei der Rednerin um die Klägerin (Greifswald) handelte. Deshalb wurde die Klägerin am 28.01.2022 zu einem Personalgespräch am Montag, den 31.01.2022, 12:00 Uhr eingeladen (Bl. 62 d. A.). Die Klägerin teilte der Beklagten am 31.01.2022, dass sie den Gesprächstermin nicht wahrnehmen könne, räumte aber jedoch ein, dass sie die Rede auf der Greifswalder Demonstration am 24.01.2022 gehalten hat. Am 01.02.2022 erlangte die Beklagte Kenntnis von der weiteren Rede der Beklagten in Wolgast vom 26.01.2022.
Mit Schreiben vom 31.01.2022 (Bl. 66, 67 d. A.) beantragte die Beklagte die Zustimmung des WPR zu den beabsichtigten Kündigungen. Der WPR teilte mit, dass er den beabsichtigten Kündigungen nicht zustimmen werde.
Mit der Klage vom 15.12.2021 (Bl. 2 ff. d. A.) wandte sich die Klägerin durch ihren Prozessvertreter gegen die außerordentliche, fristlose Kündigung vom 19.02.2022 sowie durch Klagerweiterung vom 31.03.2022 (Bl. 30, 31 d. A.) gegen die ordentliche Kündigung vom 28.03.2022.
Die Klägerin meint, beide Kündigungen seien unwirksam. Sie seien nicht geeignet, das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien zu beenden. Es würde kein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung sowie keine verhaltensbedingten Gründe vorliegen, die eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen würden. Die Beteiligung des Personalrates sei nicht ordnungsgemäß erfolgt. Die von der Klägerin unstreitig getätigten Äußerungen seien vom Grundrecht der freien Meinungsäußerung geschützt. Nachdem in intensiven Verhandlungen eine vergleichsweise Streitbeilegung diese daran scheiterten, dass die Klägerin nicht bereit war, für einen zeitlich begrenzten Zeitraum eine Unterlassungserklärung dahingehend abzugeben, dass sie die Universitätsmedizin Greifswald im Zusammenhang mit der COVID 19-Pandemie in öffentlichen Reden nicht erwähnen würde, beantragte die Klägerin:
Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Beschäftigungsverhältnis nicht durch die außerordentliche, fristlose Kündigung vom 09.02.2022 sein Ende gefunden hat, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 09.02.2022 hinaus fortbesteht.
Es wird festgestellt, dass das Beschäftigungsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den Beendigungszeitpunkt hinaus fortbesteht.
Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin über den 09.02.2022 hinaus zu unveränderten Bedingungen als wissenschaftliche Mitarbeiterin nach Maßgabe des Änderungsvertrages vom 22.01.2021/09.03.2021 weiter zu beschäftigen.
Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Beschäftigungsverhältnis auch nicht durch die ordentliche Kündigung vom 28.03.2022 mit Ablauf des 30.09.2022 sein Ende finden wird, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 30.09.2022 hinaus fortbesteht.
Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin über den 30.09.2022 hinaus zu unveränderten Bedingungen als wissenschaftliche Mitarbeiterin nach Maßgabe des Änderungsvertrages vom 22.01.2021/09.03.2021 weiter zu beschäftigen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte meint, die Klägerin habe in den zwei Reden in Greifswald und Wolgast ihre Rücksichtnahme- und Loyalitätspflicht gegenüber der Beklagten in erheblichem Maße verletzt. Dieses würde einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung darstellen. Darüber hinaus sei es unter der gebotenen Interessenabwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls für die Beklagte nicht zumutbar, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist weiter zu beschäftigen. Die Klägerin habe keine eigene subjektive Meinungsbildung wiedergegeben, sondern unwahre Tatsachenbehauptungen aufgestellt. Die Klägerin könne sich nicht auf den Schutz der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG berufen. Dieses würde sich nur auf Meinungs- und Werturteile, nicht jedoch auf unwahre Tatsachenbehauptungen beziehen. Die von der Klägerin wiedergegebene Meinungsäußerungen seien pflichtwidrig erfolgt. Die Klägerin habe durch Benennung (der Universitätsmedizin) sich ausdrücklich auf ihre Arbeitgeberin, die Universitätsmedizin Greifswald bezogen. Dies sei bei den Reden in Greifswald und Wolgast offensichtlich, da es in dieser Region lediglich eine „Universitätsmedizin“ geben würde. Eine einschlägige Abmahnung sei ebenfalls nicht erforderlich gewesen. Der Personalrat sei ordnungsgemäß beteiligt gewesen.
Im Übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes gemäß § 46 Abs. 2 ArbGG iVm. § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen sowie die mündliche Verhandlung vom 15.06.2022 Bezug genommen.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien endete mit Zugang der außerordentlichen Kündigung vom 09.02.2022.
Nach § 626 Abs. 1 BGB kann die Beklagte ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Der Beklagten steht ein wichtiger Grund für die außerordentliche Kündigung zur Seite. Die Klägerin hat durch ihr Verhalten bei den beiden von ihr in Greifswald am 24.01.2022 und in Wolgast am 26.01.2022 ihre Rücksichtnahme und Loyalitätspflicht gegenüber der Beklagten in erheblichem Maße verletzt. Diese Pflichtverletzung ist ein „für sich geeigneter“ wichtige Grund für eine fristlose Kündigung der Beklagten. Die Klägerin in beiden Reden Tatsachenbehauptungen aufgestellt, die unwahr sind. Darüber hinaus sind diese Behauptungen geeignet, das Ansehen und dem Ruf der Beklagten nachhaltig zu schaden. Die nicht nur durch die Beklagte getätigte Auffassung, dass die PCR-Test geeignet sind, den SARS-COV 2-Virus nachzuweisen, hat die Klägerin nicht ansatzweise widerlegt, sondern lediglich behauptet: „Ich verstehe nicht, wie Wissenschaftler einen PCR-Test befürworten, welche kein Virus nachweist.“ Unter Berücksichtigung der seit ca. 2 Jahren anhaltenden Corona-Epidemie, die mit erheblichen Einschnitten in das tägliche Leben in die Freiheitsbewegungen der Bürgerinnen und Bürger sowie in betriebliche Ablaufgeschehen eingreift, hat die Klägerin nicht nur fahrlässig, sondern bewusst vorsätzlich falsche Tatsachen aufgestellt. Die bewusst vorbereitete und mehrfache Teilnahme an den öffentlichen Kundgebungen ist anders zu bewerten, als ein wissenschaftliches Streitgespräch unter Fachleuten über die Wirksamkeit oder Nichtwirksamkeit von verschiedenen medizinischen Tests. Die Klägerin hat bewusst Unruhe, Unsicherheit und Misstrauen gegenüber ihrer Arbeitgeberin durch diese Äußerung getätigt. Damit hat die Klägerin, die bei der Beklagten tätigen Wissenschaftler und die Beklagte selbst diskreditiert. Die Behauptung der Klägerin, die Beklagte habe Nebenwirkungen der Impfungen nicht gemeldet, ist ebenfalls falsch. Die Beklagte ist dem substantiiert entgegengetreten und hat zur Überzeugung des Gerichts dargelegt, dass alle Nebenwirkungen entsprechen der gesetzlichen Verpflichtung weitergemeldet wurden. Auch auf Befragung des Gerichts, aufgrund welcher Tatsachen die Klägerin zu dieser Behauptung gelangt ist, dass die Beklagte als Universitätsmedizin Nebenwirkungen nicht weiterleitet, konnte die Klägerin keine nachvollziehbaren schlüssigen Darlegungen tätigen. Die Behauptung, die Beklagte bzw. die bei der Beklagten beschäftigten Ärzte würden ihrer gesetzlichen Verpflichtung aus § 6 Abs. 1 Nr. 3 FSG nicht nachkommen, ist nicht nur eine herabwürdigende falsche Behauptung, sondern auch geeignet, das Ansehen und den Ruf der Beklagten in der Öffentlichkeit erheblich zu schädigen. Darüber hinaus ist die Behauptung der Klägerin, dass die Ärzte der Beklagten einen „neuartigen nicht ausreichend getesteten Impfstoff einsetzen“ eine unwahre Tatsachenbehauptung. Die Beklagte verwendet ausschließlich zugelassene Impfstoffe. Besonders schwerwiegend ist die erhebliche Diskreditierung und Beleidigung der auch bei der Beklagten beschäftigten Impfärzte, sie würden wegschauen und hätten „lediglich Dollarzeichen in den Augen“ und würden „ohne nachzufragen Menschen todspritzen“ bzw. „erhebliche negative Nebenwirkungen in Kauf nehmen“. Dieses unterstellt, dass Ärzte der Beklagten bewusst Menschen durch gesetzlich zugelassene Impfungen töten würden. Dies ist nicht nur erheblich rufschädigend für die Beklagte, sondern eine nicht zu duldende Diskriminierung der bei der Beklagten beschäftigten Ärzte, die durch keinerlei Tatsachen untermauert sind.
Damit hat die Klägerin in erheblichem Maße bewusst gegenüber einer größeren Öffentlichkeit die Beklagte diskreditiert und damit eine schwerwiegende Pflichtverletzung begangen, die einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darstellt, da die Klägerin die ihr kraft Gesetzes obliegende Rücksichtnahme und Loyalitätspflicht, die sich insbesondere aus § 241 Abs. 2 BGB iVm. § 3 Abs. 1 Satz 2 TVL ergibt, verletzte. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Klägerin die Äußerung außerhalb ihrer Dienstzeit getätigt hat. Die Loyalitätspflicht für Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes gilt nicht nur während der Arbeitszeit, sondern in zumutbarer Weise auch in der privaten Freizeit. Damit sind die genannten Behauptungen nicht mehr durch das grundgesetzlich geschützte Recht der Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG geschützt (BAG vom 05.05.2019, 2 AZR 240/19, Rn. 92).
Für die Beklagte war es unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls und einer umfassenden Interessenabwägung auch nicht zumutbar, die Klägerin bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist weiter zu beschäftigen. Die Klägerin hat bewusst mehrfach in vorbereiteter Handlung gegenüber einer breiten Öffentlichkeit das Ansehen der Beklagten geschädigt. Die Beklagte war nicht verpflichtet, dieses noch länger hinzunehmen. Damit überwiegt das Interesse der Beklagten an einer sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
Aus dem gleichen Grund war eine Abmahnung entbehrlich. Die Klägerin hat durch ihr bewusstes Verhalten und auch durch ihre Darlegung in der Kammerverhandlung vom 15.06.2022 zur Überzeugung des Gerichts dargetan, dass sie nicht bereit ist, auch nicht für einen begrenzten Zeitraum, darauf zu verzichten, in der Öffentlichkeit im Zusammenhang mit der COVID 19-Pandemie die Beklagte namentlich zu benennen. Eine Abmahnung würde damit zur Überzeugung des Gerichts nicht zu einer Verhaltensänderung der Klägerin führen.
Der Personalrat wurde ordnungsgemäß beteiligt. Erhebliche Einwendungen gegen die Beteiligung des Personalrates sind nicht vorgetragen und nicht erkennbar. Deshalb bedarf es aus Sicht des Gerichtes hierzu keiner weiteren Erläuterung.
Da bereits die fristlose Kündigung vom 09.02.2022 das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien zur Überzeugung des Gerichtes mit sofortiger Wirkung beendet hat, waren die darüber hinausgehenden Anträge zurückzuweisen.
Die Klägerin hat als die in vollem Umfang unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen (§ 91 Abs. 1 ZPO iVm. § 46 Abs. 2 ArbGG).
Der gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG festzusetzende Streitwert entspricht der Höhe nach für den Feststellungsantrag drei monatliche Bruttoverdienste sowie zu Ziffer 4 einen weiteren Bruttoverdienst. Der Weiterbeschäftigungsantrag wurde mit einem weiteren Bruttoverdienst berücksichtigt.